Sie ist klug, direkt und schlagfertig – die links eingestellte demokratische Politikerin und Aktivistin, Alexandria Ocasio-Cortez, ist nicht nur die jüngste Abgeordnete des Repräsentantenhauses der Vereinigten Staaten, sondern hat nach einem Jahr bereits mehr Themen auf ihrer Agenda, als andere in 30 Jahren Politkarriere vorweisen können. Kein Wunder, dass sie in den USA und darüber hinaus schon geradezu zu einer Kultfigur geworden ist, und von ihren Anhänger*innen gerne einfach als AOC bezeichnet wird. Sogar als zukünftige Präsidentin der USA wird sie von einigen gehandelt. Wobei sie mit ihren 31 Jahren noch mindestens vier Jahre warten müsste, um überhaupt kandidieren zu können. Zur Zeit setzt sie sich als Abgeordnete für den 14. Kongresswahlbezirk von New York ein, was die Bronx und Queens umfasst.
Ihr Herz schlägt für die New Yorker Bronx
Zur Bronx hat die Amerikanerin mit puerto-ricanischen Wurzeln ohnehin eine starke Verbindung. Immerhin ist sie dort geboren und größtenteils aufgewachsen. In ihrer Jugend zog die Familie nach Yorktown in Westchester County, was sie aber nicht davon abhielt regelmäßig Verwandte in der Bronx zu besuchen.
Schon während ihrer Schulzeit tat sich Ocasio-Cortez mit einem außergewöhnlichen Ehrgeiz hervor. In einem Forschungswettbewerb der vor-universitären Intel International Science and Engineering Fair belegte sie den zweiten Platz in der Kategorie Mikrobiologie, weshalb ein Asteroid nach ihr benannt wurde. Später förderte Intel sie während ihres Studiums der Wirtschaftswissenschaften und Internationalen Beziehungen an der Boston University mit einem Stipendium.
Sie absolvierte ihr Studium cum laude, und arbeitete zunächst für den Senator Ted Kennedy. Während dieser Zeit erlebte sie aus erster Hand auf welch schmerzhafte Weise Familien durch das ICE (United States Immigration and Customs Enforcement) auseinandergerissen werden. Das war für sie der Anlass sich für Latinx-Jugendliche in der Bronx und den USA zu engagieren, indem sie anfing, als Bildungsdirektorin für das National Hispanic Institute zu arbeiten. Dort half sie Jugendlichen unter anderem, sich auf die Universität vorzubereiten, und in ihrer Gemeinde einzubringen.
Nach der Finanzkrise im Jahr 2008 verstarb ihr Vater, und ihre Familie war gezwungen ihr Heim in Westchester aufzugeben. Um ihre Familie zu unterstützen fing Ocasio-Cortez an, zusätzlich als Kellnerin zu arbeiten, und extra Schichten zu schieben. Diese Erfahrung hat ihr nach eigenen Angaben einmal mehr vor Augen geführt, wie stark sich die Lohnungleichheit auf Menschen der Arbeiter*innenklasse auswirkt.
Während der Präsidentschaftswahl 2016 arbeitete sie als Freiwilligen-Organisatorin für Bernie Sanders in der Süd-Bronx. 2018 ließ sie sich schließlich selbst zur Wahl als Abgeordnete für den Kongress aufstellen. Seit ihrem Amtsantritt im Januar 2019 setzte sie sich unter anderem für wirtschaftliche Gerechtigkeit, eine staatliche Krankenversicherung, bezahlbares Wohnen und die Abschaffung der Einwanderungsbehörde ein.
Knock down the house
In dem Dokumentarfilm Frischer Wind im Kongress (im Original: Knock down the house) wird die damals 29-jährige Alexandria Ocasio-Cortez, neben drei weiteren progressiven Demokrat*innen, während des Wahlkampfs zu den Zwischen-Wahlen 2018 begleitet, wo sie sich mit einem geringen Budget und ohne Beziehungen gegen den bereits seit zehn Jahren amtierenden Joe Crowley durchsetzte. Der Film ist für viele junge Menschen eine Inspiration, da eine selfmade woman ihren wohlhabenden und erfahrenen Widersacher verdrängt, und zur politischen Entscheidungsträgerin wird.
Für viele ist sie ein Vorbild, was sich auch in ihrer Beliebtheit auf Social Media-Kanälen widerspiegelt. Einigen konservativen Demokrat*innen und Republikaner*innen scheint ihre Popularität und Reichweite allerdings bitter aufzustoßen. Vielen ist sie in ihren Forderungen zu radikal, und auch Donald Trump griff sie auf Twitter schon verbal an. Dass sich die junge, engagierte Politikerin allerdings von niemandem so schnell einschüchtern lässt, zeigte sie erst kürzlich wieder in einer ergreifenden Rede, die schon kurze Zeit später viral ging.
Starke Worte im US-Repräsentantenhaus
Für einen Vorfall, bei dem der republikanische Abgeordnete Ted Yoho sie auf den Stufen des Kapitols in Washington vor laufender Kamera als „a fucking bitch“ bezeichnete, fand sie bei einer Ansprache im Repräsentantenhaus klare Worte, und wies seine halbherzige Entschuldigung entschieden zurück. Zunächst hatte sie sich nur über Twitter zu der, von Medien publik gemachten, Beleidigung durch den Abgeordneten geäußert. Als Yoho allerdings versuchte sich aufgrund der negativen Publicity damit zu rechtfertigen, er sei missverstanden worden und hätte ja selbst eine Ehefrau und Töchter, um sich in ein besseres Licht zu rücken, konnte Ocasio-Cortez das nicht länger auf sich sitzen lassen.
Ihr Appell an Yoho war zunächst überraschend persönlich, allerdings zog sie auch den Bogen zum großen Ganzen, und sprach von struktureller Herabwürdigung und dem Sexismus, dem Frauen täglich ausgesetzt sind. Außerdem kritisierte sie die vorherrschende Kultur in den USA, die eine derart gewaltvolle und entmenschlichende Sprache überhaupt erst möglich machen würde. Ihre ruhige und kraftvolle Rede wurde später nicht nur von Frauenverbänden gelobt, sondern sogar von Psycholog*innenvereinigungen hervorgehoben, die darauf hinwiesen, dass Kinder von ihrer Reaktion lernen könnten, wie sie mit Mobbing umgehen können.
Nach diesen starken Worten wird sie von den Medien und in sozialen Netzwerken erst recht gefeiert. Und wer weiß – vielleicht wird sie wirklich eines Tages die erste weibliche Präsidentin der Vereinigten Staaten. Frischer Wind im Weißen Haus ist jedenfalls längst überfällig.
Karolin Lammer
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