„Schon früh in meinem Leben liebte ich Rätsel, denke ich. Ich liebte Kreuzworträtsel. Ich liebte jede Art von Rätsel. Und jetzt ist meine Arbeit zu einem einzigen, großen Rätsel geworden und das lässt mich weitermachen“. (Andrea Ghez, frei übersetzt und zit. nach einem Artikel von PBS Nova)
Vom Kreuzworträtsel zum Rätsel der Astronomie. Das ist Andrea Ghez‘ Weg. Ein Weg mit Erfolg. Seit dem 6. Oktober ist bekannt: Andrea Ghez ist die vierte Frau, die den Nobelpreis für Physik erhält. Damit löst sie Donna Strickland ab, welche 2018 zuletzt als Frau den Preis verliehen bekam. Zudem tritt sie in die Fußstapfen von Marie Curie, welcher 1903 der Nobelpreis für Physik verliehen wurde und die das Feld revolutionierte.
Doch wie wird aus einem Mädchen das Kreuzworträtsel liebt eine Nobelpreisgewinnerin?
Ein Mädchen, das auf den Mond wollte
Andrea Mia Ghez wurde 1965 in New York in, für das damalige Amerika, typische Verhältnisse hineingeboren. Eine Mutter, ein Vater und beide waren offen für die Wünsche und Träume ihrer Tochter, erzählt Ghez in einem Interview mit der PBS Reihe Nova. Sie wuchs in Chicago auf und schon früh beobachtete sie gespannt die Apollo Mondlandungen, wie sie berichtet. Mit etwa vier Jahren träumte sie bereits davon, die erste Frau auf dem Mond zu sein. Von ihren Eltern, besonders ihrer Mutter, erhielt sie bei ihren Plänen Unterstützung.
Auch Mathematik hatte es ihr in der Schule schon früh angetan, verrät Ghez. Sie sah Mathematik schon während der Schulzeit wie ein Spiel, ein Rätsel aus Zahlen und Formeln. Als sie dann die High-School erreichte wurde ihr bewusst, dass nicht alle unterstützend gegenüber Mädchen mit einer Begeisterung für Mathematik waren. Von dem Wissen ließ sie sich jedoch nicht entmutigen. Ghez nahm ihre erschwerte Lage als Ansporn und Herausforderung. In ihrem Interview erinnert sie sich zurück, dass sie die Jungen in ihrem Mathekurs gerne zu Wettbewerben um die besten Noten herausforderte. Während dieser Zeit war auch ihre Chemielehrerin eine wichtige Person in Ghez‘ Leben die sie motiviert hat, berichtet sie. Ihre Chemielehrerin war eine der wenigen weiblichen Lehrkräfte im naturwissenschaftlichen Fachbereich ihrer Schule.
Zuerst studierte Ghez Mathematik am Massachusetts Institute of Technology in Pasadena. Sie wechselte jedoch zu Physik, noch nicht wissend, dass sie eines Tages darin eine der höchsten Auszeichnungen des Feldes erhalten würde. 1987 schloss sie so im Alter von 22 Jahren ihren Bachelor of Science in Physik ab. Fünf Jahre später promovierte sie am California Institute of Technology.
Seit Mitte der 1990er Jahre besetzt Ghez nun einen Lehrstuhl als Professorin für Physik und Astronomie an der University of California. Nebenbei forscht sie ebenfalls mit einem eigenen Team an einer Region im Mittelpunkt unserer Galaxie. Bis heute versteht sie, so sagt Ghez in ihrem Interview, ihre Forschung als ein großes Rätsel, das es zu lösen gilt. Und nun scheint ihr die Lösung gelungen zu sein.
Eine Frau, die den Nobelpreis gewann
Zu einer Reihe an Auszeichnungen, die Ghez über die Jahre verdient hat, gesellt sich nun der Nobelpreis der Physik im Jahr 2020. Hierbei teilt sich Ghez eine Hälfte des Preises mit ihrem Kollegen Reinhard Genzel, mit welchem sie über einen langen Zeitraum hinweg geforscht hat. Die andere Hälfte des Preises geht an Roger Penrose, einem Kollegen aus der Mathematik und der theoretischen Physik.
Ghez und Genzel entdeckten durch ihre Forschung ein extrem schweres, nicht sichtbares Objekt im Zentrum unserer Galaxie. Dieses Objekt bildet den Mittelpunkt des Orbits der Sterne unserer Galaxie. So wirkt sich die Gravitation dieses Objekts auf die Bewegung unserer Sterne aus. Ghez und Genzel vermuten dabei, dass es sich bei dem Objekt um ein supermassives, schwarzes Loch handelt. Die beiden Wissenschaftler*innen haben Methoden und Instrumente entwickelt, um Messungen des Mittelpunkts der Milchstraße vorzunehmen. Diese Aufgabe wurde durch natürliche Störfaktoren, wie die Erdatmosphäre oder Gase im Weltraum, erschwert. Doch nach Jahren der Forschung ist es ihnen nun gelungen, die Existenz dieses schwarzen Lochs nachzuweisen.
So ist Andrea Ghez zwar nicht als erste Frau auf dem Mond gewesen. Stattdessen hat sie aber etwas noch Größeres bewirkt: Sie hat verändert, wie wir einen Teil unserer Welt sehen und eines der Rätsel des Universums gelöst. Und als vierte Frau, die den Nobelpreis der Physik erhalten hat, sorgt sie auch für Veränderung außerhalb der Physik. Mit Andrea Ghez wird die Landschaft der Nobelpreisträger*innen ein Stück vielfältiger.
“I hope I can inspire other young women into the field. It’s a field that has so many pleasures, and if you are passionate about the science, there’s so much that can be done.”
– Andrea Ghez speaking at today’s press conference where her #NobelPrize in Physics was announced. pic.twitter.com/aVTa5EQqMr
— The Nobel Prize (@NobelPrize) October 6, 2020
Sarah Hamer
Schreibe einen Kommentar