Unsere heutige Frau der Woche ist Ebru Düzgün – besser bekannt als Ebow.
Die Texte der Rapperin handeln nicht nur von Sexismus, Fremdenfeindlichkeit und Mehrfachdiskriminierung – sie sind eine intersektionale Kampfansage. Gegen “Almans”, gegen “Fuckboys”, deren Ära vorbei ist. Aber sie sind auch (queere) Liebesbekundungen an ihre Familie, Friends, Communities und queerfeministische Hymnen.
Okay, aber wer ist Ebow?
“Ihr hasst mich, ihr hasst mich so richtig
Denn diese Kanakin hier macht sich zu wichtig
Ist zu gebildet, sieht zu gut aus
Zersprengt eure Kästen, muslimischer Frauen
Autsch”
Punani Power – Ebow
Ebrus Großeltern kamen als Gastarbeiter*innen aus der Türkei nach Deutschland. Ihre Mutter folgte später mit 17 Jahren. Wie sie ist Ebow Alevitin kurdischer Abstammung. Eine Biographie, die wichtig ist, um ihre Musik und Haltung zu verstehen.
Politische Texte schrieb Ebru schon als Kind. Damals hatte ihre Mutter Angst, ihre Tochter könnte aufgrund ihrer politischen Haltung Faschisten auf sich aufmerksam machen und Probleme kriegen. Das hielt Ebow davon ab, Musik zu machen bis sie mit 16 Jahren die britisch-tamilische Musikerin M.I.A. entdeckte, mit der sie sich identifizieren konnte. Noch im Kinderzimmer fing sie an, auf Englisch zu rappen. Später folgten Guerillaauftritte in Waschsalons, Straßenbahnen und Supermärkten. Mit 18 traf sie einen Produzenten, der ihr nahe legte, auf Deutsch zu rappen. So sei sie relevanter.
Queerfeministischer, post-migrantischer Rap
Während ihre Musikkarriere anlief, schloss Ebru ihren Bachelor in Architektur in München ab. 2013 kam ihr erstes Album “Ebow” raus. Seit 2015 studiert sie im Master in Wien und 2016 gründete sie das R’n’B und Hip-Hop Trio “Gaddafi Gals”, mit dem sie noch immer aktiv ist. Nebenbei veröffentlichte Ebow noch zwei weitere Solo-Alben, mehrere EPs und Singles.
In ihren Musikvideos tauchen Freund*innen und Bekannte aus Wien, Hamburg und Berlin auf. Damit macht Ebow deutlich: Ihre Kunst, Musik und Texte entstehen aus dem Kollektiv heraus; sie sind das Produkt aus alltäglichen Erlebnissen und Gesprächen, wie sie auch in Interviews erklärt.
Im Musikvideo zur Single “Friends” feat. Douniah, die im Sommer 2020 herauskam, führte sie unter anderem selbst Regie und zeigt sich facettenreich mit goldblond gefärbten Haaren. Mal in Cargoshorts und Sonnenhut, dann im Glitzer-Shirt mit einer Baby-Katze auf dem Schoß. Die Lyrics sind offen queer, was man im deutschen Rap noch zu selten hört und beschreiben eine Freund*innenschaft in der “Friendzone”:
“Was is’ das für ein Zustand an
dem ich nichts mehr ändern kann
Friendsclub hab die Membercard
Doch du tanzt an mir entlang zu
My neck, my back
Du weißt die Clit ist super fresh
Willst mich nur teasen, tamam relax
Mach mit mir keinen Test, hab genug Friends”Ebow feat. Douniah – Friends
Einladung zum Zuhören
Unter den “Friends”, die hier Basketball spielen, feiern und kuscheln sind u.a. Musikerin Ilgen-Nur und Autor*in Hengameh Yaghoobifarah zu sehen. Letztere*r ist auch auf Ebows dritten Album “K4L” (Kanak4Life) zu hören. Im Skit “Hengameh” heißt es, an alle “Almans und cis Heten, die sich migrantische, nicht weiße, queere Ästhetiken aneigenen: Ihr begehrt uns, aber ihr respektiert uns nicht. Ich sehe euch, ihr seid peinlich.” Die Message ist deutlich: Almans (die weiße Mehrheitsbevölkerung) und nicht-queere Personen sollen und dürfen zuhören. Aber sie können sich auch angesprochen fühlen und sich mit der Geschichte (post-)migrantischer, queerer Communities auseinandersetzen, ohne sich deren Kultur anzueignen.
Musik ist für Ebow ein Weg mit Wut umzugehen. Ihre Musik soll ihrer Community Kraft geben und sie empowern. Der Begriff “Kanak” wurde lange von Deutschen als rassistische Beleidigung bestimmter Menschengruppen verwendet. Auf “K4L” greift Ebow ihn selbstermächtigend auf – und definiert ihn neu:
“Für mich bedeutet Kanak sein, immer als solcher sichtbar zu sein, von der Gesellschaft als „anders“ markiert und angesehen zu werden. In meinem Musikvideo zu „K4L“ sind verschiedenste Leute dabei, die für mich Kanaks symbolisieren, also Teil meiner Community sind.”
– Ebow im Interview mit der Taz
Frau der Woche
In unserer Redaktion ist Ebow die Frau der Woche, weil sie der männerdominierten Rapszene contra gibt. Zum einen, weil sie keine Angst hatte, nach ihrem ersten Album eigene Wege zu gehen und ihre Musik jetzt gemeinsam mit Künstler*innen produziert, die ähnlich ticken. Aber auch, weil sie politische, feministische und anti-rassistische Themen tanzbar macht. Dabei zeigt sie, dass es ihr auch um Solidarität geht – mit ihrer Community. Um etwas zu verändern, hat sie gemeinsam mit ihrem Kollektiv “Feige” Rap-Workshops für Jugendliche gegeben. Auch, um Mädchen zu supporten, die sich sonst nicht trauen würden.
Anmerkung:
“Frau” und “Mädchen” sind soziale Kategorien.
Anael Dzubilla
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