Bevor Jane Goodall zur wohl berühmtesten Verhaltensforscherin der Schimpansen wurde, arbeitete sie als Sekretärin und Kellnerin. Einen universitären Abschluss hatte sie nicht. Ihrer außerordentlichen Beobachtungsgabe hatte sie es zu verdanken, dass sie mit einer Ausnahmeregelung an der Universität Cambridge promovieren durfte. Forschung war ihr Leben, bis etwas anderes noch wichtiger wurde.
Jane Goodall – Die Beobachterin
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— Dr. Jane Goodall & the Jane Goodall Institute (@JaneGoodallInst) May 12, 2017
1957 arbeitet die Britin Jane Goodall als Sekretärin. Im selben Jahr erfüllt sie sich ihren Traum Afrika zu bereisen. Dort lernt sie den Anthropologen Louis Leakey kennen, der sie als Assistentin einstellt. Sie soll die im Gombe-Nationalpark lebenden Schimpansen beobachten. Louis Leakey findet nämlich Frauen seien die besseren Beobachterinnen. Doch nicht nur das überzeugt ihn, die junge Jane Goodall, die keinerlei wissenschaftliche Ausbildung hat, einzustellen. Gerade ihre Unwissenheit bringt ihr diese Stelle ein. Denn Louis Leakey suchte nach einer Person, die sich den Tieren ohne Vorurteile nähern würde, erzählt Jane Goodall in einem Zeit Interview. Und sie beobachtet unvoreingenommen. Der Schimpanse, den Jane Goodall David Greybeard nennt, wird ihre erste große Entdeckung. Sie beobachtet, dass der Schimpanse aus Zweigen Werkzeuge herstellt und sie benutzt. Das ist ein Durchbruch in der Verhaltensforschung über Schimpansen. Denn gerade durch den Gebrauch von Werkzeugen hatte sich laut bisheriger Meinung der Mensch immer vom Affen unterschieden. Die felsenfeste Überzeugung, dass der Mensch sich in grundlegenden Verhaltensweisen vom Affen unterscheidet, muss nun angezweifelt werden. Und so kommt es, dass Jane Goodall als Sekretärin nach Afrika kam, und als Forscherin zurückkehrt.
“The least I can do is speak out for those who cannot speak for themselves.”
Und sie spricht nicht nur für „die Schimpansen“. Jane Goodall liegt nichts daran, das pauschale Verhalten der Schimpansen zu erforschen, ihr geht es viel mehr um die einzelnen Individuen. Als sie nach ihren ersten Forschungsergebnissen mit einer Sondergenehmigung an der Cambridge University promoviert, merkt sie: mit dieser Vorgehensweise sind nicht alle Kolleg*innen einverstanden. Jane Goodall erzählt:
„Viele Kollegen schimpfen, ich würde nur Anekdoten erzählen. Aber wie sonst wollen Sie Wesen gerecht werden, von denen jedes anders ist? Aus Anekdoten erfahren Sie, wie die Tiere reagieren, wozu sie fähig sind. Ob sich einzelne Beobachtungen zu einem Gesamtbild fügen, kann man ja hinterher sehen. Darum liebe ich Geschichten.“ Jane Goodall, Zeit Interview
Jane Goodall ist anders als alle anderen Wissenschaftler*innen. Sie gibt den Schimpansen, die sie erforscht und mit denen sie über Jahrzehnte lang lebt, Namen. Auch das stößt in der etablierten Wissenschaft auf Unverständnis. Die Objektivität könne nicht mehr richtig gewahrt sein, und überhaupt; sie wäre ja eigentlich nur eine Sekretärin. Mittlerweile gilt Jane Goodall als Vorreiterin, was die Namensgebung von Forschungsobjekten angeht, und viele Wissenschaftler*innen sind ihrem Beispiel gefolgt.
Die Forscherin wird zur Aktivistin
Nach über zwei Jahrzehnten Forschung und Zusammenleben mit den Schimpansen im Dschungel, reist Jane Goodall 1986 zu einer Konferenz nach Chicago. Dort sprechen Biolog*innen und Wissenschaftler*innen über die Bedrohung der Schimpansen durch Urwaldabholzung, Wilderei und den illegalen Handel mit sogenanntem bushmeat – das Fleisch der Schimpansen. Das alles, versetzt Jane Goodall einen Schock und ändert ihr Leben grundsätzlich. Jane Goodall beendet ihre wissenschaftlichen Studien und kämpft bis heute weltweit für den Erhalt von Umwelt und Lebensraum der Schimpansen. Sie gründet das Programm Roots & Shoots, in der vor allem Kinder und Jugendliche die Möglichkeit haben sollen, Ideen einzubringen und an eigenen Projekten in Umwelt und Naturschutz zu arbeiten. Das Jugendprogramm ist mittlerweile zu einem Netzwerk aus mehr als 120 Ländern gewachsen. Jane Goodall engagiert sich außerdem für die Initiative Great Ape Project, die bestimmte Grundrechte für Menschenaffen fordert, die zurzeit nur für Menschen gelten.
Das Erbgut von Affen stimmt zu 98 Prozent mit dem der Menschen überein. Jane Goodall hat das wahrscheinlich schon nach ihren ersten Begegnungen mit den Schimpansen gespürt. Die Schimpansen sind fast wie wir, sie tragen sowohl die guten, als auch die schlechten Seiten des Menschseins in sich. Warum sollten sie also nicht die gleichen Rechte haben? Jane Goodall wird wohl bis an ihr Lebensende dafür kämpfen. Sie ist nicht nur wegen ihrer einzigartigen wissenschaftlichen Arbeiten unsere Frau der Woche, sondern auch wegen ihres unerbittlichen Einsatzes für diejenigen, die nicht für sich selbst sprechen können.
Katja Hoffmann
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