Pirkko Husemann ist Theater-, Film- und Medienwissenschaftlerin und seit 2015 künstlerische Leiterin der Schwankhalle Bremen . Sie studierte in Frankfurt am Main und promovierte zu den choreographischen Arbeitsweisen von Xavier Le Roy und Thomas Lehmen. Zu ihrem Abschied in Bremen in diesem Sommer ist sie unsere Frau der Woche. Als sie kam, gab ihr Vater ihr mit auf den Weg, nicht zu hart zu werden. Diesen Rat nimmt sie nun als Anlass, ihre Zeit in der Schwankhalle zu beenden.
„Der Spagat zwischen der Leitung der Schwankhalle, dem Pendeln zum Partner in Berlin und der Sorge fürs gemeinsame Kind war auf die Dauer zu viel. Die Kompromisse, die alle Beteiligten dafür eingehen mussten, waren nicht tragbar. Deshalb höre ich jetzt auf und das ist gut so.“
Schwankhalle – Ort der Freien Szene
Nach der Wiedereröffnung der Schwankhalle 2015 übernahm Pirkko Husemann dort die künstlerische Leitung und die Neuausrichtung des Hauses. In ihrer Konzeption wurde es zu einem Ort der Kooperation und Integration: lokal und international, transdisziplinär und Platz für Experiment und Neuerfindung. Ihre Arbeit und die Ausrichtung des Hauses waren stark geprägt durch ihre ersten Erfahrungen in Bremen:
„Beim Ankommen in Bremen begegnete ich überall Lebensgemeinschaften von Frauen, nicht selten mit Kind. Da kam mir der Gedanke: für die möchte ich ein Angebot schaffen! Queerfeministisch und generationenübergreifend“
Dieser Ansatz Husemanns findet sich im ganzen Haus wieder. Neben dem Einbau von genderneutralen Toiletten und Fortbildungen für das gesamte Team, gehörte dazu auch die Schwerpunktsetzung auf Queer-Feminismus und Antidiskriminierung, sowohl in der Auswahl der Gruppen und Künstler*innen als auch im Inhalt der Produktionen. So wird ihre Arbeit auch nach ihrem Abschied bleibende Spuren in der Schwankhalle und der Bremer Kultuszene hinterlassen.
Corona – Auf einmal alles anders
Zum Abschluss dieser Spielzeit und Pirkko Husemanns Zeit als künstlerische Leiterin sollte mit „Unverschämt“ noch einmal Vollgas im queerfeministischen Themenschwerpunkt gegeben werden. Doch dann kam die Corona-Pandemie und alles kam anders. Der Lockdown stoppte das Projekt, in dem es um Alter, Arbeit, Sex und Essen aus weiblicher* Perspektive hätte gehen sollen.
„Kaum hatten wir mit der Jubiläums-Revue von Les Reines Prochaines angefangen, mussten wir den Spielbetrieb auch schon einstellen. Das war ein herber Schlag. Die gute Nachricht: Wir holen das Programm nach!“
Hierzu der Trailer von Henrike Iglesias „Oh My“ (Nachholtermin: 12./13.12.2020):
Oh My – Henrike Iglesias – Trailer from Henrike Iglesias on Vimeo.
Oh My – Henrike Iglesias – Trailer from Henrike Iglesias on Vimeo.
OUTNOW! – Kooperationen in der Stadt
Das OUTNOW! Festival (https://outnowbremen.de) ist ein seit 2013 bestehendes Projekt zwischen der Schwankhalle und dem Theater Bremen, zwischen Freier Szene und Stadttheater. Gezeigt werden lokale und internationale Arbeiten aus den Bereichen Tanz, Theater & Performance. Das Festival bespielt dabei sowohl die Räume der beiden Häuser als auch den öffentlichen Raum und wird von einer Vielzahl von Veranstaltungen & Gesprächen begleitet. Pirrko Husemann verdeutlichte in ihrer Eröffnungsrede zum Festival 2019 den politischen Anspruch ihrer Arbeit und wies auf den europäischen Rechtspopulismus und die damit verbundene Gefahr für die Kunstfreiheit, auch in Deutschland, hin.
Wissen in Bewegung – Die Verbindung von Kunst und Wissenschaft
Pirkko Husemann ist promovierte Wissenschaftlerin und veröffentlichte neben einigen anderen Werken auch das vielbeachtete Buch „Wissen in Bewegung“ , welches sie 2007 zusammen mit Sabine Gehm und Katharina von Wilke herausgab. Darin wird Tanz als Form des Wissens verhandelt. Als Form des Körperwissens und als Form des gesellschaftlichen Wissens, welches im Tanz transportiert wird, als eine Kulturform, die sich weltweit wiederfinden lässt. Diese Verbindung von Politik, Wissenschaft und Kultur macht Pirkko Husemann zu einer einzigartigen Persönlichkeit in der Kulturszene.
Sophie Krone
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