„Saudische Frauen kommen nicht in die Hölle, sie leben schon längst in ihr.“
Rana Ahmad ist 1985 geboren und in Riad, Saudi-Arabien aufgewachsen. Ihr Name ist ein Pseudonym, denn in dem Land, in dem sie geboren ist, droht ihr die Todesstrafe. Warum? Weil sie Atheistin ist. Nach dem Ende ihrer Ehe mit nur einundzwanzig Jahren, stößt sie auf Twitter per Zufall zum ersten Mal auf den Begriff „Atheist“ und googelt ihn sofort. Nach und nach trifft sie dort mit mehreren Atheist*innen zusammen. Einer schreibt dort: „Auch ein großes Feuer beginnt mit einem einzigen Funken. Ich habe mich so oft gefragt, wieso Frauen in unserer Gesellschaft so wenig wert sind. Ich habe es nie verstanden. Als ich anfing zu suchen, ging die Welt, in der ich davor zu Hause war, in Flammen auf.“ Die Welt des Internets eröffnet ihr einen Zugang zu Nietzsche, Richard Dawkins, Charles Darin und ähnlichen Vertretern. Von diesem Moment an zerbröselt ihre bisher bestehende, tiefreligiöse, fundamentale Welt, in der Frauen keine Stimme und keine Rechte haben.
Lebensmut
Warum Rana Ahmad für mich nicht nur „Frau der Woche“, sondern auch Frau des Lebensmutes ist, ist einfach: Mich ermutigt ihre nie verblühende Hoffnung. Obwohl sie Unzähliges durchgemacht hat, bleibt sie doch ein starker Hoffnungsmensch. Sie wurde fast zu Tode geprügelt von ihrem Bruder, hat den jahrelangen, familiären Missbrauch an ihrer besten Freundin hautnah hilflos miterlebt, ihre Inhaftierung, unzählige Peitschenhiebe, ihr eigener Selbstmordversuch, ihre Zwangsheirat. Die Anzahl der dunklen Tage ist hoch, aber für sie überwiegt immer wieder der Lebenswille. Der Wille nach einem Leben mit allen Rechten, die den Männern in ihrem Land ohne Bemühen zustehen.
Rana: „[Das] Herz hat noch nicht begriffen, dass selbst nach den dunkelsten Tagen wieder helle kommen, weil es Teil der menschlichen Natur ist, für die meisten zumindest, nicht ewig betrübt zu sein. Dass das, was man für einen Moment des Glücks braucht, nach den schlimmen Stunden nur eine Kleinigkeit sein kann. Wenn die Welt wirklich finster ist, reicht oft ein Satz, ein Lächeln, mit dem man nicht gerechnet hat, ein Vogel, den man vom Fenster aus beobachtet, um einen aufzumuntern, einen den Schmerz für eine Weile vergessen zu lassen. Es ist, als würde sich in der Trauer das Herz zusammenziehen, bescheidener werden, damit es danach wieder wachsen kann. Sich mit dem begnügen, was ist, kann einem in schweren Zeiten sehr helfen. Das habe ich gelernt, und das möchte ich gerne […] weitergeben.“
Als sie auf ihrer Flucht mit über vierzig Menschen auf einem Boot sitzt, auf dem nur für zwanzig Menschen Platz ist, und in der finstersten Nacht den Ozean überquert, überfällt sie eine abgrundtiefe Traurigkeit, die sie lähmt.
„Ich kann nicht glauben, dass ich das auf mich nehmen muss, nur weil ich das Pech habe, in einem Land geboren worden zu sein, in dem unmenschliche und grausame Gesetze gelten.“
Angekommen in Deutschland
Aber Rana Ahmad hat es erstmal geschafft. In Deutschland ist sie sehr aktiv. Sie nimmt an Interviews teil, schreibt die Autobiographie Frauen dürfen hier nicht träumen: Mein Ausbruch aus Saudi-Arabien, mein Weg in die Freiheit und gründet den Verein Säkulare Flüchtlingshilfe. Über das Land Saudi-Arabien schreibt sie:
„Ein Land, in dem Frauen nicht nach der Freiheit greifen, weil sie ständig damit beschäftig sind, sich vor Gewalt und verbalen Übergriffen zu schützen.“
So erklärt Rana, warum viele Frauen sich gar nicht erst erheben können. Ihre Autobiographie gibt Einblicke in eine bisher (für mich) vollkommen verschlossene Welt und eine Gesellschaft, die das Mittelalter lebt, aber im Ausland den luxuriösen Fortschritt der Superlative zeigt.
C. G.
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