Wir haben die Ausstellung Madness. Bildnisse internationaler Künstler*innen über den Wahnsinn im Krankenhaus-Museum/Galerie im Park in Bremen besucht und die Werke der Künstlerin Simone Haack entdeckt. In dieser Gruppenausstellung haben ihre Arbeiten besonders berührt. Sie beschäftigen sich mit dem Verhältnis von Körper und Existenz. Wir haben mit der Wahlberlinerin über ihre künstlerischen Arbeiten und Projekte gesprochen.
Können Sie kurz über Ihr Leben erzählen?
Ich bin 1978 in Rotenburg/Wümme, Nord-Niedersachsen geboren und in Gyhum, in einem kleinen Dorf, mit meinen Eltern, meinem Bruder und meinen Großeltern aufgewachsen. Als Teenager bin ich erstmals auf Künstler des Surrealismus und Expressionismus gestoßen und war sehr motiviert, selbst zu malen. Zeitgleich habe ich begonnen, mich für Psychologie zu interessieren.
Direkt nach meinem Abitur nahm ich mein Kunststudium an der Hochschule für Künste in Bremen auf, erst in der Klasse von Jürgen Waller, dann bei Katharina Grosse, und die meiste Zeit bei Karin Kneffel, deren Meisterschülerin ich später wurde. Zwischendurch habe ich für ein Jahr in Auckland, Neuseeland studiert, und direkt im Anschluss an mein Studium war ich für ein Jahr als Postgraduierte mit dem DAAD an der Kunstakademie in Paris. Danach führte mich ein einjähriges Stipendium an die Künstlerstätte Stuhr-Heiligenrode. Im Anschluss Umzug nach Berlin, freie künstlerische Arbeit, Ausstellungen, Stipendien, Lehraufträge. Jetzt lebe ich mit meinem Mann und meiner 3jährigen Tochter in Berlin-Kreuzberg.
Welche zentralen Themen haben Sie in Ihrer Arbeit?
In meinen Zeichnungen und Malereien befasse ich mich mit dem Bild des Menschen und beleuchte vor allem die Themen Identität und Individualität. Dabei geht es mir nicht um die Darstellung konkreter Personen, Porträts, sondern um die Entwicklung zeitloser, suggestiv-fiktiver Bildnisse, die den Menschen in seiner physischen und psychischen Existenz zeigen, für mich „Fiktionale Porträts“. Mich reizt der Mensch als Wesen, mit und in seiner Umwelt, mit all seinen Instinkten, Bedürfnissen, Emotionen und Beziehungen – im Verhältnis zu sich selbst, zu seinem Körper, zu Nahrung, zu Raum, zu Kleidung und zu seinen Mitmenschen, und auch zu Tieren.
Bis 16. Februar 2020 läuft die Ausstellung Madness. Bildnisse internationaler Künstler*innen über den Wahnsinn im Krankenhaus-Museum/Galerie im Park in Bremen. Nach Preparing for Darkness ist Madness erneut ein düsteres Thema. Wie haben Sie sich diesem Thema genähert?
Die Ausstellungen mit den düsteren Themen sind kuratiert von Uwe Goldenstein, mit dem ich seit Jahren zusammenarbeite. Er hat die Ausstellungsserie Preparing for Darkness ins Leben gerufen, als eine Art Bewegung, die existentielle menschliche Themen in den Vordergrund stellt. Das ist gleichzeitig der Fokus meiner Arbeit. Thematisch, aber auch in der Wirkung: für mich ist es wichtig, dass meine Bilder direkt mit dem Betrachter kommunizieren, ihn im besten Falle berühren, auf welche Art auch immer.
Das Düstere ist dabei für mich eher nebensächlich; ich nehme mir nicht vor, dass eine düstere Bildwirkung entstehen soll. Das passiert oft von ganz alleine, wenn ich eine bestimmte Lichtregie einsetze oder den Ausdruck der Figuren ambivalent halte. Außerdem ist es auch so, dass der Titel/Kontext dieser Ausstellungen die Lesart der Bilder bestimmt. Einige meiner Werke in der Madness– Ausstellung (wie Four oder Milk) könnte man ebensogut in Ausstellungen platzieren, die beispielsweise den Humor in der Kunst thematisieren. Hintergründiger Witz ist oft Bestandteil meiner Arbeit, und es gibt viele Bilder, die ich selbst sehr lustig finde!
Haben Sie ein Lieblingsbild in der Ausstellung?
Ja, ich denke schon: die beiden eben erwähnten Bilder Four und Milk. Ich schätze auch sehr meine Kollegen in der Ausstellung, vor allem den britischen Maler Richard Wathen.
Das Zwillingsthema ist häufig repräsentiert. Warum?
Inhaltlich geht es dabei um eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Identität. Das Motiv der Zwillinge, Mehrlinge, Klone oder allgemein des Doppelgängers löst Faszination und Befremden gleichzeitig aus und wirft Fragen zur Individualität und Einzigartigkeit eines jeden Menschen auf. Wo ist das individuelle Selbst, wenn noch jemand anders/mehrere andere äußerlich aussehen wie ich? Das Thema reizt mich auch bildnerisch: wie wirkt es, wenn ich Figuren in einem formalen Spiel aus Doppelung, Spiegelung und Symmetrie im Bild komponiere, und wie wird es gelesen?
Viele verwirrt zum Beispiel mein Bild Four, auf dem zwei gleich aussehende junge Männer und zwei gleich aussehende Jungs zusammen in einer Vierer-Gruppe zusammenstehen. Sind die jungen Zwillinge die Klone der älteren? Aber auch das Verhältnis Bild-Betrachter interessiert mich in diesem Zusammenhang: eine Gruppe Personen, vereint durch ein ähnliches Erscheinungsbild, wie in der Zeichnung „Sippe“ steht einem einzelnen Betrachter gegenüber. Die Gruppe wirkt allein durch ihre Überzahl und Ähnlichkeit merkwürdig überlegen und wissend, obwohl sie gleichzeitig zur Schau gestellt wird.
„Simone Haacks Porträts verweigern nicht nur die Repräsentation eines Individuums, sie stellen auch die Wahrnehmung einer persönlichen Identität in Frage“ schreibt Dr. Rainer Beßling in dem Text der Einführung zur Ausstellungseröffnung am 13. Oktober 2019. Können Sie uns etwas mehr darüber sagen?
Rainer Beßling spielt darauf an, dass es in meinen (fiktionalen) Bildnissen nicht um die abbildhafte Darstellung einer konkreten Person geht – also um die Repräsentation eines Individuums-, und dass durch die mehrfache Darstellung einer Person, Dopplungen oder „Mehrungen“, eben auch die Individualität des Einzelnen infrage gestellt wird.
Welche sind Ihre Projekte für die Zukunft?
In der nächsten Zeit gibt es einige Ausstellungen: das größte Projekt ist eine Einzelausstellung in der Kunsthalle Brennabor in Brandenburg, die am 17.Januar 2020 eröffnet wird. Dort zeige ich Bilder aus den letzten 12 Jahren. Die Galerie Schmalfuss Berlin eröffnet am 11.1.2020 eine Gruppenausstellung zum Thema „Landschaft“, in der ich mit ein paar Arbeiten vertreten bin, und sie wird meine Bilder auf der diesjährigen Art Karlsruhe (13.-16.2.) in einer One-Artist-Show präsentieren. Dann gibt es zum Berliner Gallery-week-end eine große Ausstellung im Kühlhaus, von Uwe Goldenstein kuratiert (Eröffnung 29.4.), mit Künstlern seiner Galerie Selected Artists und vielen anderen, und eine Ausstellung The New Triumph of Painting im Frissiras Museum in Athen, Eröffnung im Mai.
Die Arbeiten von Simone Haack sind noch bis zum 16. Februar 2020 in der Gruppenausstellung im Krankenhaus-Museum/Galerie im Park in Bremen zu sehen.
Vanessa Marchegiani
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