„Ich bin wahnsinnig froh, dass ich da stehe, wo ich heute bin“ – so fasst Tessa Ganserer ihr Leben in einem Interview mit dem Spiegel zusammen. Doch der Weg dorthin war nicht immer leicht. Trotzdem kann sie heute zu sich stehen, und anderen durch ihre Geschichte Mut machen. Als trans Frau und queerpolitische Sprecherin der Grünen tritt Tessa Ganserer dafür ein, dass es Menschen in einer ähnlichen Situation in Zukunft leichter haben werden.
Tessa Ganserer ist die erste Politikerin, die sich in Deutschland öffentlich als trans geoutet hat. Doch bis es zu diesem Outing kam, dauerte es seine Zeit. Als Mitglied des Bündnis 90/ Die Grünen und Abgeordnete im Bayerischen Landtag steht Tessa Ganserer schon seit einiger Zeit in der politischen Öffentlichkeit. Als sie sich Ende des Jahres 2018 als transgender outete, sorgte die Politikerin für Schlagzeilen. Diese waren jedoch weitaus positiver als sie es sich vorgestellt hatte.
Ganserers Weg dorthin, wo sie heute steht
Lange Zeit gab sich Tessa Ganserer in ihrem Beruf, und auch sonst in der Öffentlichkeit als Mann, dem ihr zur Geburt zugeschriebenen Geschlecht. Im Alter von 31 Jahren bemerkte die Bayerin jedoch, dass sie sich in dieser Geschlechterrolle alles andere als wohl fühlt. Als sie zum ersten Mal ein Kleid ihrer Frau anzog und sich im Spiegel betrachtete, war ihr klar: Ich bin eine Frau.
„Ich habe mich in dem Moment so wohl gefühlt wie noch nie“, beschreibt Ganserer das Gefühl der taz.
Diesem schönen Gefühl folgte jedoch eine schwierige Zeit. Tessa Ganserer wusste, dass sie eine Frau ist, hatte aber gleichzeitig das Gefühl, in ihrem beruflichen Alltag sei kein Platz für ihre wahre Identität. So führte sie eine Art Doppelleben, bei dem sie sich im Job als Mann gab, und im Privaten die Frau sein konnte, die sie ist. In dieser Zeit führte Ganserer ein „Schattendasein“ wie sie es in einem Interview mit der Online-Zeitung watson beschreibt. Irgendwann funktionierte dieses Doppelleben nicht mehr.
„Es war für mich die Hölle, nach einem schönen Tag als Frau wieder in die männliche Rolle zurückschlüpfen zu müssen“, sagt sie dem Spiegel.
Tessa Ganserer konnte nicht mehr länger halbtags einen Menschen spielen, der sie gar nicht war. Und so outete sich die damals 41-Jährige öffentlich als transgender.
„Das war kein Mut, ich hatte einfach keine Kraft mehr“, teilte sie der taz mit.
Die Reaktionen der Kolleg*innen
Die Frage, was sie lange Zeit davon abgehalten hat, öffentlich zu ihrer Identität zu stehen, hat für Tessa Ganserer zwei Antworten. Zum einen fürchtete sie sich vor den Reaktionen im Landtag. Wie schon erwähnt, war sie die erste deutsche Politikerin, die sich als transgender outet. Somit war für Ganserer völlig unklar, wie ihre Kolleg*innen reagieren würden. Die Reaktionen waren jedoch überraschend positiv. Ganserer wurde von vielen Seiten beglückwünscht und in ihrer Entscheidung unterstützt – und das nicht nur von der eigenen Fraktion. Lediglich vonseiten der AfD-Fraktion kamen keine Reaktionen, weder positiv noch negativ.
Das stark umstrittene Transsexuellengesetz
Der zweite Grund, warum Tessa Ganserer sich nicht früher outete, ist das sogenannte Transsexuellengesetz. Dieses trat im Jahr 1980 in Kraft. Bis 2011 führte das Gesetz eine Sterilisierung als Bedingung für eine Personenstandsänderung bei trans Menschen an. Hätte Tessa Ganserer vor dem Jahr 2011 ihren Namen und ihr Geschlecht auf dem Papier ändern lassen wollen, wären ihre beiden Söhne heute also nicht auf der Welt, wie sie dem Spiegel berichtet. Und auch heute sieht sie es nicht ein, ihren Vornamen unter diesem Gesetz offiziell zu Tessa ändern zu lassen. Denn dafür müssten zwei verschiedene Ärzt*innen Tessas Geschlechtsidentität zuerst bestätigen. Diese Gutachten müssen zudem von den Betroffenen selbst bezahlt werden. Statt dieses Verfahrens setzt sich Ganserer dafür ein, dass die Personenstandsänderung unkompliziert vom Standesamt durchgeführt wird. So müssten sich Betroffene nicht von verschiedenen fremden Menschen über persönlichste Angelegenheiten ausfragen lassen.
Ganserers Politik heute
Tessa Ganserers bisherige politische Themenschwerpunkte lagen in den Bereichen Umwelt und Mobilität. Zusätzlich dazu setzt sich die diplomierte Wald- und Forstwirtin heutzutage verstärkt für die Rechte von Menschen der LGBTQIA+ Community ein. Insbesondere die Rechte von trans Personen sind ihr dabei wichtig. So stellte sie als queerpolitische Sprecherin der Grünen im bayerischen Landtag zum Beispiel im Juni 2020 eine Studie über das Leben von queeren Menschen in Bayern vor. Außerdem weist sie auf Bayerns Rückstand in der politischen Unterstützung von queeren Menschen hin. Bayern ist bisher das einzige Bundesland ohne einen Aktionsplan gegen Homophobie und Transphobie. Tessa Ganserers Einstellung hierzu: „Geschlechtsidentität ist ein Menschenrecht“.
Mehr über Tessa Ganserer und aktuelle Informationen zu ihrer politischen Arbeit findet ihr hier.
Sarah-Lisa Walz
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