Im Theater Bremen läuft aktuell eine postkoloniale Adaption von Georg Büchners Drama “Dantons Tod”. Eine Besetzung von verschiedenen Akteur*innen unterschiedlicher Sprachen inszenieren das Drama der französischen Revolution neu und geben ihm einen besonderen Hintergrund. Zentrales Thema der Inszenierung ist nämlich der Kolonialismus. Warum ist dieses Stück so gelungen und was hat Büchner mit Kolonialismus zu tun?
Georg Büchners Stück
Das Stück von Büchner spielt im Original während der französischen Revolution. Es stehen die verschiedenen Parteien der Revolution im Konflikt: Robespierre, der historische Revolutionär, ist Teil derer, die die Not des Volkes sehen und handeln wollen. Die Revolution wollen sie durchsetzen, mit aller Gewalt. Danton hingegen plagen Gewissensbisse aufgrund seiner eigenen Vergangenheit: Er will die Revolution in gelenkten und sicheren Ansätzen leiten. Das Stück erforscht die Grenzen der Moral, den menschlichen Charakter und die Frage nach Skrupel und dem Mittel zum Zweck. Die Vermischung von geschichtlich akkuraten Details, wie dem Charakter des Robespierre, und Büchners eigener Interpretation und Geschichte sind die Stärke des Dramas.
Was heißt “postkoloniale Adaption” überhaupt?
Das Schlüsselwort dieser Inszenierung ist die postkoloniale Adaption. Ganz grob erklärt: Der Postkolonialismus behandelt die Zeitperiode nach dem Kolonialismus. Diese Erklärung ist aber schon wieder schwierig, da der Kolonialismus, so die Postkolonialisten, noch nicht vorbei ist. Die Machtstrukturen des Kolonialismus sind noch heute am Werk. Dies erklärt beispielsweise, warum viele afrikanische Länder in der Entwicklung hinter europäischen Ländern “zurückliegen”. Sie sind immer noch in Abhängigkeit von dem ehemaligen Besetzern und können sich nicht richtig und unabhängig entwickeln. Auch die Tatsache, dass viele der Lehren von europäischem und amerikanischem Kanon der Literatur bestimmt sind, zählt mit zu diesen Abhängigkeiten. Postkolonialismus umfasst noch viel mehr, eine ausführlichere Erklärung würde hier aber den Rahmen sprengen. Wer sich für das Thema mehr interessiert, sollte sich die Werke von Bill Ashcroft einmal ansehen!
Die Inszenierung
Die Inszenierung hat, zugegebenermaßen, auf den ersten Blick nur noch wenig mit Büchners Drama zu tun. Es vermischen sich ein Vortrag über die Kolonialgeschichte Haitis und Frankreich mit einer Tanzinszenierung, dramatische Elemente mit abstrakter Darstellung. Gewählte Szenen des Dramas werden nachgespielt, jedoch mit einem besonderen Twist, der dem postkolonialen Charakter des Stückes entspricht. Zu viel soll hier dazu aber nicht verraten werden. Die Aufführung ist anders, aber toll. Beim ersten Ansehen wirkt die Inszenierung fremdartig und verrückt, je länger man aber darüber nachdenkt, desto mehr weiß man die Facetten der Aufführung zu schätzen. Vorkenntnisse zu Büchner oder gar zum Postkolonialismus sind hilfreich, aber vielleicht gar nicht nötig. Aus der Inszenierung nimmt man daher deutlich mehr mit als nur eine neue Lesart eines Klassikers.
Bei wem wir Interesse geweckt haben, der*die sollte sich beeilen, denn nur noch am 10. und 25. Februar führt das Theater Bremen dieses spannende Projekt auf!
Kim Hofschröer
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