Dies ist das zweite Interview in unserer Reihe zum Thema „Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der Praxis“. Zu diesem Thema wollen wir mehrere Frauen in verschiedenen Altersgruppen und aus verschiedenen Arbeitsgebieten befragen, wie sie Arbeit und Kinder unter einen Hut gebracht haben oder bringen. Interview #1 könnt ihr hier auch nachlesen.
Unsere zweite Interviewpartnerin ist Renate. Nach einer Ausbildung und einem Studium im Bereich „Öffentliches Management“ in Osnabrück machte sie ihre Diplomarbeit in Köln und arbeitete anschließend in einem privatwirtschaftlichen Unternehmen in Nürnberg. Sie zog zurück nach Köln und wechselte in eine Bundesbehörde. Renate, heute 34, ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann und ihrem dreieinhalbjährigen Sohn in Bonn.
Was, beziehungsweise auch wer, hat geholfen, die Vereinbarkeit umzusetzen?
Mein Partner, der Arbeitgeber, aber auch das Glück überhaupt einen KiTa-Platz zu bekommen. Viele der Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel die Zusage für einen KiTa-Platz, Anspruch auf Teilzeitarbeit, Kernarbeitszeiten, Anspruch auf Home Office-Arbeitsplatz und Anzahl der Home Office-Tage, standen schon früh fest, sodass mein Partner und ich bereits im Vorfeld die Betreuungszeiten abstimmen konnten. Auch mein Mann hat Vorkehrungen im Beruf, wie zum Beispiel einen Home Office-Arbeitsplatz, getroffen, damit wir mehr Flexibilität haben. Mein Mann bringt unseren Sohn zum Kindergarten, so habe ich die Möglichkeit bereits um 06:00 Uhr morgens meinen Arbeitstag zu beginnen und meinen Sohn nachmittags abzuholen und zu betreuen.
Was war die Reaktion von Partner, Freunden und Kollegen?
Dass ich nach einer einjährigen Elternzeit wieder zurückkehre, stand für mich von Anfang an fest. Zu dem Zeitpunkt wusste ich allerdings noch nicht, dass die KiTas analog zu den Schulzeiten die Kinder aufnehmen. Für uns bedeutete es, die Elternzeit um weitere sechs Monate zu verlängern. Nichtsdestotrotz war ich eine der wenigen Mütter der KiTa-Gruppe, die wieder berufstätig war und das in diesem hohen Umfang von 77%. Vom Arbeitgeber, Kollegen, Freunden und Familie ernteten wir positive Reaktionen und sogar Bewunderung für unseren so gut koordinierten Alltag. Selbstverständlich bekommt man, gerade von anderen Müttern neben der Bewunderung auch latente Vorwürfe, sein Kind schon so früh fremdbetreuen zu lassen.
Was müsste auf staatlicher Basis oder in Unternehmen geändert werden, damit die Vereinbarkeit noch leichter umsetzbar wird?
Gerade private Unternehmen müssen flexiblere Arbeitsmodelle für Mütter, aber auch insbesondere für Väter anbieten! Instrumente wie Elternzeit, Teilzeitarbeit und Home Office sollten gleichberechtigt auch Vätern – ohne daraus resultierende Nachteile! – ermöglicht werden. Grundsätzlich muss der Staat ein höheres Anerkennungssignal der familiären Leistung senden, denn schließlich leisten berufstätige Eltern einen Beitrag zum Generationenvertrag. Der Staat könnte noch viel mehr tun, um Familien mit Kindern steuerlich zu entlasten. Die Betreuung von Kindern kostet nun mal – aufgrund der heute fehlenden Betreuung durch Großeltern – sehr viel. Für eine Frau muss die Berufstätigkeit sich gegenüber den Betreuungskosten finanziell lohnen. Grundsätzlich sollten Eltern mit betreuungsbedürftigen Kindern eine obligatorische Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit, zum Beispiel um eine bis zwei Stunden, bei gleichbleibendem Gehalt erhalten. Mehr gemeinsame Familienzeit führt zu einer höheren Zufriedenheit, was auch dem Arbeitgeber zugutekommt.
Was für Erfahrungen hast Du daraus mitgenommen? Was für Ratschläge könntest Du anderen Frauen geben?
Die Erwartungen an sich selbst sind sicherlich sehr subjektiv. Trotzdem sehe ich in meinem Umfeld und auch bei mir, dass berufstätige Mütter sehr hohe Ansprüche an sich stellen: Ambitionierte und flexible Arbeitnehmerin, engagierte und liebevolle Mutter, perfekte Haushälterin, engagiertes Vereinsmitglied, und, und, und. Die unterschiedlichen Rollen einer Mutter können nie zu 100 % perfekt ausgeführt werden, ohne die eigene Person komplett in den Hintergrund zu stellen oder womöglich die Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Dies sollten sich Frauen immer wieder vor Augen führen, öfters den Fuß vom Gaspedal nehmen und überlegen, was wirklich im Leben wichtig ist!
Kim-Nicola Hofschröer
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