Nach einer Produktion des Deutschlandradios Kultur lief an einem Samstag Ende Juni die Ursendung der Autorin Mechthild Müser. In dem Feature „Jede Nacht haben sie Andere geholt“ ging es um die Frage, ob Vergewaltig von Frauen eine effektive Kriegswaffe ist.
In Bosnien wurden während der Kriegszeit rund 25 000 muslimische Frauen systematisch vergewaltigt. Bei den Massenvergewaltigungen spielte das Alter der Opfer keine Rolle. Sowohl Mädchen von zwölf Jahren, Studentinnen, Mütter, als auch Rentnerinnen erfuhren die sexualisierte Gewalt und Macht der patriarchalischen Gesellschaft am eigenen Leibe. Vergewaltigung zu Kriegszeiten hat wenig mit Sex zu tun, es dreht sich vielmehr um Macht. Es ist das älteste, aber zugleich das noch immer am wenigsten bestrafte Verbrechen während des Krieges.
Die Zahlen der vergewaltigten Opfer bleiben in den meisten Fällen unbekannt. Oft sind Vergewaltigungen ein offenes Geheimnis. Die Bevölkerung weiß über die Schandtaten Bescheid, aber niemand spricht aus Angst oder Demütigung darüber.
Doch warum wird vergewaltigt, wenn es viele andere Formen der Gewalt im Krieg gibt?
Im Beispiel des Bosnienkonflikts ging es besonders um die Demütigung der Ethnie, Vertreibung und ethnische Säuberung der muslimischen Bosnier. Es wurde angenommen, die Ethnie durch Vergewaltigungen “säubern” zu können: wird eine muslimisch-bosnische Frau durch einen Serben vergewaltigt, so wird das daraus hervorgehende Kind serbisch.
Viele Soldaten vergewaltigten, da dies ihre Kampfmoral steigert. In der Theorie überträgt sich die Verantwortung des Einzelnen durch ein gemeinsames Vergewaltigen auf die gesamte Gruppe. Die Gemeinschaft wird gestärkt. Oft vergewaltigten mehrere Soldaten eine einzige Frau mehrmals am Abend. Die Frauen waren nicht immer bei Bewusstsein und überlebten diesen Übergriff selten. Vergewaltigung ist demnach kein isoliertes Ereignis, es ist geplant und ein sexueller Ausdruck von Repression. Die systematischen und öffentlichen Massenvergewaltigungen bewirkten Angst und Gefahr für den Frieden und die eigene Sicherheit der ethnischen Minderheit. Viele Menschen versuchten zu fliehen. Die serbische Kriegsstrategie der Vertreibung und ethnischen Säuberung durch Vergewaltigung ist aufgegangen.
Doch eine Vergewaltigung endet nicht mit dem Vollzug der Schandtat. Neben Krankheiten wie Gebärmutterhalskrebs, sind manche Frauen sogar gebärungsunfähig. Nicht nur physisch wurden Frauen zerstört, die psychischen Folgen waren und sind oft gravierender. Die Demütigung und das Trauma tragen sich durch das ganze Leben. Familien und ganze Dorfgemeinschaften wurden zerstört. Viele Männer ließen sich aus Demütigung scheiden, wodurch Frauen tagtäglich um ihre finanzielle Existent kämpfen mussten.
Erst seit dem Bosnienkrieg stehen Kriegsvergewaltigungen unter Strafe. Die Strafen rechtfertigen oftmals nicht das Leiden der Opfer. Nur wenige Täter werden verurteilt, viele bereuen noch nicht einmal ihre Taten. Bis heute, 20 Jahre nach dem Krieg, trauen sich viele betroffene Frauen nicht in ihre Heimat zurück. Unterstützungsgelder für die Rückkehrer*Innen sind daher sinnlos. Niemand will Nachbar*In seiner Täter sein.
Das Feature vom 27.06.15 18.05 Uhr ist in der Mediathek des Deutschlandradios Kultur unter „Jede Nacht haben sie andere geholt“ nachzuhören.
Laura Frey
Lotta meint
Ich habe die Sendung auch gehört. Beeindruckend! Und so schrecklich nah – bei den derzeitigen kriegerischen Auseinandersetzungen!