Dieser Satz zieht sich durch Margot Friedländers Leben. Es ist die letzte Botschaft ihrer Mutter an sie. Und nicht nur durch ihr Leben, sondern auch durch die Lesung, die sie im Hermann-Böse-Gymnasium am letzten Donnerstag gehalten hat. Ihr Roman, der 2008 erschienen ist, trägt das Zitat als Titel: „Versuche, dein Leben zu machen“: Als Jüdin versteckt in Berlin.
Was dieser Satz eigentlich bedeutet, erfahre ich erst im Laufe der Lesung. Friedländer beginnt damit von den Ereignissen am 20. Januar 1943 zu erzählen. Eigentlich will sich die 21-jährige an diesem Tag mit ihrer Mutter und ihrem Bruder treffen, um zu fliehen und Berlin zu verlassen. Denn sie ist Jüdin. Aber alles läuft schief und die Gestapo verhaftet ihren Bruder. Friedländer kommt später in die Wohnung zurück. Sie erfährt von einer Nachbarin, dass ihr Bruder verhaftet worden ist und ihre Mutter zu Freunden gegangen ist. Die junge Frau geht zu diesen und erfährt, dass sie ihre Mutter und ihren Bruder nicht wiedersehen wird. Denn diese hat sich entschieden ihrem Bruder zu folgen und sich zu stellen. Das einzige, was bleibt, sind ihre Bernsteinhalskette, ihre Handtasche und ein altes zerfleddertes Notizbuch. Und eine mündliche Nachricht, die die befreundete Frau ausrichtet: „Versuche, dein Leben zu machen.“
Ab da beginnt ein Alptraum für die junge Frau. Sie lebt ein Jahr und drei Monate im Berliner Untergrund, bei 16 verschiedenen HelferInnen, bis sie verhaftet wird und ins KZ Theresienstadt gebracht wird. Sie sieht nur eine Familie, die ihr in dieser Zeit geholfen hat, jemals wieder. Sie überlebt, heiratet ihren Mann und wandert mit diesem 1946 nach Amerika aus. Und immer verfolgt sie die Frage nach der Schuld. Warum habe nur ich überlebt? Warum hat meine Mutter mich zurückgelassen? Hätte ich mich dafür entscheiden sollen, mich selbst zu stellen?
Heute ist sie 94 Jahre alt und wohnt wieder in Berlin. Nach der Lesung gibt es noch die Möglichkeit ihr Fragen zu stellen und die sind ganz schön zahlreich. Wie Friedländer dazu gekommen ist, ihre Geschichte aufzuschreiben, erklärt sie folgendermaßen: „Eigentlich wollte ich nie schreiben. Aber bei einem Schreibkurs in New York habe ich gemerkt, dass ich etwas zu sagen habe!“ Seit dem das Buch erschienen ist, gibt sie in ganz Deutschland Lesungen. Den Grund dafür nennt sie am Ende selbst. „Ich habe das Gefühl, dass ich gegen das Vergessen spreche. Bald gibt es keine Zeitzeugen mehr, dann müssen die Zeitzeugen werden, die von meiner Geschichte gehört haben.“ Ihrer Meinung nach müssen die Menschen davon erfahren und alles dafür tun, dass so etwas nicht wieder passiert.
Ihr Roman ist im Rowohlt Verlag erschienen und kostet 19,90 Euro als gebundene Ausgabe.
Mariell Begemann
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