In seiner Solo-Performance Solotus-Lotus Fight Club setzt sich der malaysische Choreograf Raymond Liew Jin Pin mit Themen wie Heimat, queeren Identitäten und deren Kriminalisierung auseinander.
Die Performance ist im Kontext des SOLO Festivals in der Schwankhalle zu sehen. Mehr dazu findet ihr in unserem Veranstaltungsreihe Kalender und im Artikel: „Fat fucks“- verletzlich, kämpferisch und verbindend!

SOLO Festival
Eine tänzerische Choreografie des Widerstands
Das Stück vereint politische Schärfe mit tänzerischer Sinnlichkeit. In einem rituellen Spiel zwischen Peitsche und Band, Schmerz und Vergnügen, verwandelt Raymond den Raum in eine kraftvolle Choreografie des Widerstands.
Kolonialer Exkurs: Das britische Sodomiegesetz in Malaysia
Im Zentrum von Solotus steht ein Gesetz aus der britischen Kolonialzeit, das bis heute in Malaysia Anwendung findet: Artikel 377 des Strafgesetzbuchs, auch bekannt als das sogenannte Sodomiegesetz. Es kriminalisiert sexuelle Handlungen „gegen die Ordnung der Natur“, eine Formulierung, die in der Praxis vor allem auf homosexuelle Beziehungen zielt. Verurteilten drohen dabei nicht nur bis zu 20 Jahre Haft, sondern auch körperliche Züchtigung durch Auspeitschen. Das Gesetz wurde ursprünglich von der britischen Kolonialbesetzung eingeführt und ist ein Beispiel dafür, wie koloniale Rechtsordnungen bis heute queere Körper kontrollieren und disziplinieren, auch nach der Unabhängigkeit.
Der Körper als Widerstand
Raymond Liew Jin Pin konfrontiert diese Gewalt mit einer eigenen, körperlichen Antwort: In Solotus werden traditionelle chinesische Elemente wie der Bändertanz zitiert, aber neu aufgeladen. Die Bänder werden zu Peitschen, die Bewegung wird zur Botschaft. Es wird ein Raum eröffnet, in dem queere Verletzlichkeit nicht länger versteckt, sondern sichtbar und selbstermächtigend wird. Solotus ist mehr als eine Performance: Es ist eine tänzerische Auseinandersetzung mit kulturellen Zuschreibungen, Zensur und Verdrängung, aus der Perspektive eines schwulen Immigranten in Deutschland.

SOLO Festival
Artikel 377 – Ein Gesetz der Gewalt
Noch immer sind Gesetze wie Artikel 377 nicht nur ein juristisches Relikt, sondern ein aktives Mittel zur Repression queerer Menschen in Malaysia. Sie fördern gesellschaftliche Stigmatisierung, rechtfertigen polizeiliche Gewalt und verhindern offene Aufklärung. Besonders betroffen sind junge queere Menschen, die häufig Ausgrenzung, Diskriminierung und psychische Belastungen erfahren. Solotus stellt sich gegen dieses Schweigen und findet in Tanz, Ritual und Intimität eine Form der Antwort.
Bewegung als diasporische Erinnerung
Raymond Liew Jin Pins Arbeit ist dabei auch Ausdruck einer suchenden, diasporischen Identität. Mit einem breiten tänzerischen Repertoire, vom traditionellen über den zeitgenössischen Tanz bis hin zu queeren Körperpraktiken, fragt er: Wie bewegt sich ein queerer südostasiatischer Körper im Westen? Wie lässt sich Erinnerung verkörpern und in Bewegung verwandeln? Mit Solotus gelingt ihm eine eindringliche, poetische und politische Geste, die nicht nur ein Gesetz hinterfragt, sondern ein ganzes System von Gewalt und Schweigen.
Termine:
Solidarisches Preissystem:
8 / 12 / 18 € (frei wählbar)
Bremen Pass: 3 €
Kinder und Jugendliche 5-17 Jahre: 5 €
Kultursemesterticket: kostenlos
Latisha
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