Auf dem Kanal 99 zu Eins ist über den letzten Zeitraum eine Reihe zum Thema Queerfeminismus entstanden. Ziel ist, mit verschiedensten Perspektiven auf die Theorie des Queerfeminismus zu schauen und sie zu prüfen, zu kritisieren oder auch zu verteidigen. Unsere Empfehlung dieses Wochenende ist die letzte Folge „Warum Queerfeminismus? Eine Verteidigung mit Ole Liebl“.
Es lohnt sich sehr, auch die vorangegangen Folgen zu gucken, denn Ole Liebl kritisiert vor allem diese beiden Videos: „Kritik des Queerfeminismus“ und „Queerfeminismus oder Frauenrevolution“ und deren Kritiken an Queerfeminismus. Es ist eine interessante Debatte, anscheinend brandaktuell. Nicht nur der linke YouTube-Kanal „99 zu Eins“ befasst sich derzeit ausführlich mit den verschiedenen Feminismustheorien. Auch „Analyse und Kritik“, eine linke Zeitung hat als großen Artikel ein Plädoyer für das Zusammendenken von Materialismus und Queerfeminismus.
Ich finde es persönlich sehr spannend und eine wichtige Debatte. Vor allem die Frage danach, wie geschlechtsspezifische Unterdrückung entsteht, scheint hier prägend zu sein. Als Autor*innen zum Weiterdenken empfehlen wir Monique Wittig und Judith Butler.
Laut Ole ist Queerfeminismus durch folgendes charakterisiert:
Im Zentrum der Theorie stehen die Dimensionen Geschlecht und Begehren, dessen Kritik richtet sich gegen Zwangsheterosexualität, strenge Geschlechterbinarität und die bürgerliche Kleinfamilie. Queerfeminismus orientiert sich außerdem an den Lebensweisen von Queers und stellt Diskriminierungserfahrungen und Betroffenheitsperspektiven ins Zentrum der Analyse.
„Biologisches Geschlecht ist konstruiert“
Was bedeutet dieser Satz? Er kommt von Judith Butler – doch das hilft nicht unbedingt weiter, um den Satz zu verstehen. Ich muss zugeben, dass ich selbst auch ein wenig ratlos bin, doch Ole erklärt es recht verständlich. Denn er steigt ein mit einer Kritik an Sophie Fischer, die im letzten Video, seiner Meinung nach, falsche Ableitungen gebildet hat. Dafür erkläre ich erst einmal die Herleitung von Sophie Fischer.
Sie leitet Frauenunterdrückung durch ihre Biologie ab. Also durch das Schwanger Sein kann frau nicht als Arbeiterin zur Verfügung stehen und hat dem Mann gegenüber einen Nachteil. Ihr wird eine Doppelrolle zuteil. Arbeiterin am Kapital und Mutter in der Reproduktion. Diese Rollen stehen teilweise in einem Widerspruch zueinander. Beide Rollen werden vom Staat gefördert, gewollt, erwartet, doch sie sind unmöglich zeitgleich zu erfüllen.
Soweit stimmt ihr Ole Liebl zu. Er sieht ebenfalls, dass Frauenunterdrückung im Kapitalismus verwurzelt ist und sich ebenso herleiten lässt. Nun geht Sophie Fischer weiter: Durch die Aussage, biologisches Geschlecht sei konstruiert, würde die Unterdrückung der Frau und ihre Ursachen verschleiert werden. Ole Liebl sieht hier einen Widerspruch. Die Aussage, dass biologisches Geschlecht konstruiert sei, bedeute eben nicht, dass es nicht real existiert und Grundlage für Unterdrückung sein kann.
Laut Ole Liebl ist es eben nicht die Unsichtbarmachung des biologischen Geschlechts. Es ist ein Erweitern. Anstatt seine Geschlechtsidentität nur noch von biologischen Merkmalen abzuleiten, kann man entscheiden: „Diesen Aspekt von mir möchte ich nicht in meine Geschlechtsidentität integrieren, denn das fühlt sich nicht richtig an.“
In den vorherigen Folgen wurde kritisiert, dass Begriffe im Queerfeminismus zu schwammig seien. Hier geht Ole Liebl teilweise mit. Vor allem bei dem Begriff FLINTA* (Frauen, Lesben, Inter, Nichtbinär, Trans, Agender). Hierfür verweisen wir mal auf unseren Artikel zu genau diesem Thema und genau der Kritik.
Revolutionäres Potenzial
Boom! Queerfeminismus ist nicht revolutionär. Er beschäftigt sich nur mit Identitäten und Individuen. Got You!
Na ja oder auch nicht, denn Queerfeminismus hat nicht den Anspruch, ein revolutionäres Potenzial zu haben. Es wäre überhaupt keine massenfähige revolutionäre Strömung. Es sind nun mal nicht so unendlich viele Menschen queer. Es geht dem Queerfeminismus um Subversion, während es dem Marxismus um Revolution geht. Laut Ole Liebl können Subversion und Revolution aber auch Hand in Hand gehen. Viel wichtiger ist dennoch: Den Anspruch gibt es nicht.
Widersprüche und Trans Sein
Transmenschen werden bei der Kritik am Queerfeminismus, die durchaus berechtigt ist, oft geleugnet, übergangen und nicht mitgedacht. Wenn man als materialistische Feministin ein biologistisches Verständnis von Geschlecht hast, also Uterus = Frau und kein Uterus = Mann, warum will man dann beispielsweise Trans Frauen auf einer Demo für Frauen da haben, aber Trans Männer nicht. Oft gibt es Verwirrung, auf welche Ebene von Geschlecht sich bezogen wird und somit kann man sich in Widersprüche verwickeln.
Ole Liebl sagt noch einmal, warum er findet, dass Transmenschen genannt und mitgedacht werden müssen. Nicht aus einem bürgerlichen Inklusionsgedanken heraus, sondern weil vieles über Geschlecht sichtbar wird bei der gelebten Realität von Transmenschen.
Ich zitiere: “ Wenn man sich mit Transperspektiven beschäftigt, kann man viel tiefer verstehen, was es mit dem Konzept Geschlecht auf sich hat.“
Hannah P.
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