Der Paragraph 218 blickt auf eine lange Geschichte zurück. Bereits 1871 wurde im Strafgesetzbuch festgelegt, dass ein Schwangerschaftsabbruch strafbar ist. Seitdem begann der Kampf von Frauen/FLINTA*, eben diesen Paragraphen wieder zu streichen. Heute, 153 Jahre später, ist der Schwangerschaftsabbruch noch immer im Strafgesetzbuch geregelt. Über die aktuelle Problemlage und mögliche Lösungsvorschläge redet Renate in der neusten Folge von Boom bis Z gemeinsam mit Lena und Merle. Lena engagiert sich beim Feministischen Streik Bremen für eine Abschaffung vom § 218 und Merle gibt uns einen Einblick in den Beratungsalltag von Pro Familia Bremen, denn sie selber führt unter anderem die erforderlichen Schwangerschaftskonfliktberatungen.
Die aktuelle Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland
„Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Handlungen, deren Wirkung vor Abschluß der Einnistung des befruchteten Eies in der Gebärmutter eintritt, gelten nicht als Schwangerschaftsabbruch im Sinne dieses Gesetzes.“ (StGB § 218)
So heißt es im § 218 im Strafgesetzbuch. Es gibt allerdings bestimmte Ausnahmen, unter denen ein Abbruch straffrei bleibt. Alle Ausnahmen sind unter der Fristenregelung geregelt, die besagt, dass ein Schwangerschaftsabbruch nur straffrei bleibt, wenn er bis zur 12. Schwangerschaftswoche durchgeführt wird. Eine Möglichkeit für den straffreien Abbruch ist die Pflichtberatung bei einer Beratungsstelle. Unterzieht sich eine Schwangere dieser Beratung, kann sie nach der dreitägigen verpflichtenden Wartefrist einen Schwangerschaftsabbruch bei einer Gynäkologin durchführen lassen. Neben der Beratungsregelung gibt es noch die medizinische und kriminologische Indikation. Bei der medizinischen Indikation bescheinigt eine Gynäkologin/ein Gynäkologe, dass aufgrund der Schwangerschaft eine Gefahr für die Schwangere entsteht und ein Abbruch gerechtfertigt ist. Dies kann auch im Zusammenhang mit einer Pränatal-Diagnostik geschehen. Ergibt sich bei dieser Diagnostik eine zu erwartende Behinderung des Kindes, kann durch die/den diagnostizierende*n Gynäkolog*in ein Gutachten für einen Abbruch erstellt werden mit der Begründung der starken psychischen Belastung der Schwangeren.
Eine weitere Hürde, die hinzukommt, ist die schwierige Versorgungslage. Es gibt viel zu wenig Gynäkolog*innen, die Abbrüche durchführen. Viele, die jahrelange Erfahrung haben, gehen in Rente und im Curriculum des Medizinstudiums ist das Lernen von Abbrüchen noch immer kein Pflichtthema. Besonders für Menschen, die zum Beispiel auf dem Land wohnen oder sich in prekären Lebenssituationen befinden, gestaltet sich die Versorgungssituation schwierig.
Außerdem ist der Schwangerschaftsabbruch keine reguläre Kassenleistung. Ist das Einkommen niedrig, kann eine Kostenerstattung beantragt werden. Allerdings muss auch das noch vor dem Eingriff passieren und auch hier ist es wieder ein weiterer Antrag.
Die Arbeit von Pro Familia
Eine der Beratungsstellen, die eine wichtige Rolle spielen, ist ProFamilia. Pro Familia ist ein bundesweiter Verein, der bereits 1952 gegründet wurde und es sich zum Ziel gemacht hat für eine selbstbestimmte Sexualität einzustehen. In Bremen hat der Pro Familia Landesverband drei Beratungsstellen. In Bremen Nord, Bremen Mitte und Bremerhaven. Außerdem gibt es ein medizinisches Zentrum, dass unteranderem auch ambulante Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Merle erzählt aber auch, dass das Angebot abseits von Schwangerschaftskonfliktberatungen sehr vielseitig ist. So arbeitet Pro Familia auch zur sexuellen Bildung, macht Sexual- und Beziehungsberatungen und berät Schwangere zu Unterstützungsangebote für werdende Eltern. Auch, wenn die Beratungen Pflicht sind, geben sich die Berater*innen große Mühe eine ergebnisoffene Beratung in einem geschützten, wertfreien Raum zu schaffen, erzählt Merle.
Wie eine Neuregelung aussehen könnte
Der beste Zeitpunkt die Abschaffung von §218 und eine Neuregelung von Schwangerschaftsabbrüchen zu erreichen ist jetzt, sagt Lena. Die Ampelregierung hat sich in den Koalitionsvertrag geschrieben den §218 anzugehen. Dafür haben sie eine Expertenkommission beauftragt, die überwiegend aus Jurist*innen bestand. Diese Kommission hat Anfang des Jahres ihre Ergebnisse bzw. Empfehlungen für eine Neuregelung außerhalb des Strafgesetzbuches veröffentlicht. Lena sagt auch, dass es wichtig ist genau dort nun anzusetzen und Druck zu machen. Denn sonst bleibt es bei einem Versuch und die Empfehlungen verwehen im Wind. Versuche gab es auch schon in der Vergangenheit, doch diese wurden immer wieder durch das Bundesverfassungsgericht eingeschränkt und als verfassungswidrig erklärt. Doch mit den Empfehlungen könnte sich Tatschlich etwas verändern. Wie kann also Druck gemacht werden?
Das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung hat sich 2012 zusammengetan, um gegen den „Marsch für das Leben“ Proteste zu organisieren. Zur kurzen Einordnung: Der „Marsch für das Leben“ fordern die Einschränkung der selbstbestimmten Sexualität und steht für ein totales Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen in ganz Europa. Das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung hat eine Petition veröffentlicht, die eben diese Neuregelung von §218 nach den Empfehlungen der Kommission verlangt. Schwangerschaftsabbrüche: Legal, einfach und fair. Sie fordern neben der Streichung des §218 unteranderem, dass Schwangerschaftsabbrüche eine reguläre Kassenleistung für alle sind. Außerdem soll es ein Beratungsrecht, statt einer Pflicht geben und Beratungen müssen flächendeckend angeboten werden, sowie kulturell und sprachlich sensibel sein.
Vielleicht lässt sich die Stigmatisierung von Schwangerschaftsabbrüchen mit der Regelung im Strafgesetzbuch erklären. Eine selbstbestimmte Entscheidung über den Körper kann nicht funktionieren, solange es Paragraphen wie diesen im Strafgesetzbuch gibt. Viele erzählen, dass das Schlimmste war mit niemanden reden zu können und sich mit der Entscheidung alleine zu fühlen. Auch Merle sagt zum Ende nochmal, dass es wichtig ist Räume zu schaffen in denen wertfrei über Abbrüche gesprochen werden kann. Ich möchte den Artikel mit den Worten von Lena und Merle auf die Frage, was sie dazu motiviert diesen oft sehr Kräfte zehrenden Kampf weiterzuführen, beenden. Es ist wichtig sich auch mal zu erlauben Auszeiten zu nehmen, um neue Kraft zu tanken. Für Lena kommt mit der Wut auch die Kraft. Kraft dafür sich in die Reihe der Frauen zu stellen, die schon ihren Teil geleistet haben etwas zu verändern. Das Thema betrifft so viele. Und Lena kämpft nicht alleine, es ist ein sich gegenseitiges stärken und ein gemeinsamer Kampf.
Wenn auch ihr euren Teil beitragen wollt, unterschreibt die Petition und unterstützt gerne Pro Familia oder den F Streik. Wenn wir zusammen Druck machen, heißt es hoffentlich schon bald Tschau §218! Es war uns keine Freude und wir werden dich nicht vermissen.
Lena L.
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