„Rein darf nur, wer schon 18 ist- oder mit den Eltern kommt“ ( Zitat aus einer SPIEGEL TV Reportage zum Thema Generation Porno)
In einer Dokumentation im Rahmen der Sendung SPIEGEL TV wird das Thema Pornopop thematisiert. Zu Beginn besucht das Kamerateam ein Konzert des Rappers „Frauenarzt“ in Hamburg. Vor den Toren der Halle rund hundert Mädchen und Jungen, die in ausgelassener Stimmung Alkohol konsumieren und die Songs ihres verehrten Idols singen. Über die Texte scheint sich auf den ersten Blick niemand wirklich bewusst zu sein. Auf den zweiten Blick fällt jedoch auf: Sexuelle Praktiken wie zum Beispiel „GangBang“, also Gruppensex, sind ihnen geläufiger als manch Erwachsenem. Dass die Texte des „Frauenarztes“ frauenfeindlich sind, interessiert seine weiblichen Fans nicht. Im Gegenteil; die in der Reportage interviewten jungen Frauen bestärken ihr Idol. Es ist von Schlampen die Rede und von „Mädchen, die Stolz haben und anständig sind“, wie sie.
Worin liegt der Reiz?
Was hier zählt ist das Provokante, einige nennen es Protest, ich nenne es Ausdruck von besonderer Coolness. Die Differenzierung der weiblichen Anhänger des Rappers von eben jenen Damen, die in seinen Songs als Schlampen und Nutten besungen werden, geschieht eher zufällig, als durchdacht, da die Konsument_innen hier nicht von der allgemein zusammengefassten breiten (Frauen-) Masse ausgehen.
Dass die Musikrichtung des Rappers „Frauenarzt“ ein Phänomen der „heutigen“ Zeit ist, sei in Frage gestellt: Bereits in den 80er Jahren sorgen „Die Ärzte“ mit dem Song „Geschwisterliebe“ für große Empörung, das gesamte Album landete schließlich auf dem Index.
Nicht die Thematisierung in der Musik ist neu, sondern das Ausmaß.
Heute, in einer Zeit der Toleranz, toleriert man viel. Einige Songs des Rappers „Frauenarzt“ sind zwar indiziert, aber genau das ist interessant für junge Menschen, die in einer angeblich freien Welt leben, die jedoch eigentlich aus Angst und Unfreiheit besteht.
Viele Sexualwissenschaftler_innen, Sozialarbeiter_innen oder Journalist_innen vertreten außerdem die These, der Konsum eben dieser Musik sei ein Problem der sogenannten Unterschicht, der sozial Benachteiligten oder frühzeitigen Schulabgänger_innen. Dies ist ein ebenso einfacher wie einfältiger Lösungsansatz. Denn nicht nur deutsche Rapper und Rapperinnen widmen ihre Musik dem Geschlechtsverkehr. Nur in ihren Texten, die Kind wie Elternteil versteht, ist es offensichtlich. Eine Mutter untersagt also ihrem dreizehnjährigen Sohn den Genuss der Songs des „Frauenarztes“, während sie in der Küche zu Milows „Ayo Technologie“ die Kartoffeln schält.
Anke Büttgen
Die Autorin, M.A., Kultur- und Sozialwissenschaftlerin, untersucht Konstruktionen von Authentizität und Selbstinszenierungen im Internet. Ihre Forschungsfelder sind u. a. das Phänomen der Amateurpornografie und das Thema Jugend und Pornografie unter Berücksichtigung von Gender-Diskursen. Insbesondere forschte sie zu der Internetplattform Youporn und dem Thema Cybermobbing mit dem speziellen Fokus auf seine Bedeutung für Mädchen. In diesem Zusammenhang war sie als Referentin im Bereich der Kinder- und Jugendprävention tätig.
Schreibe einen Kommentar