Blackfishing ist ein Begriff, der in letzter Zeit immer häufiger auftaucht. Verschiedenen weißen Künstler*Innen oder Influencer*Innen, wie zum Beispiel Shirin David, Emma Hallberg oder Ariana Grande, wird das rassistische Blackfishing vorgeworfen.
Der Ursprung des Begriffes liegt in der US-amerikanischen Realityshow „Catfish“. In der Sendung geht es um Menschen, die sich online als eine andere Person ausgegeben. Beim Blackfishing passiert etwas Ähnliches.
Was genau ist Blackfishing?
Beim Blackfishing geht es im Grunde um das Prinzip der kulturellen Aneignung. Weiße Künstler*Innen aus der Popkultur eignen sich nicht-weiße Attribute an und inszenieren sich mittels äußerer Merkmale als Schwarze Frauen. Weiße Künstler*Innen picken sich bestimmte Attribute heraus und nutzen diese für kommerzielle Zwecke. Sie schminken sich zum Beispiel eine dunklere Hautfarbe, bedienen sich afroamerikanischer Kleidungsstile und lassen nicht-weiß-gelesene Eigenschaften in ihre Bühnenshow, Musik oder Instagram-Performance einfließen. Sie präsentieren sich der Öffentlichkeit so, als seien sie Schwarzer Herkunft, obwohl dies nicht der Fall ist.
Warum tun weiße Künstler*innen überhaupt so als wären sie Schwarz?
Noch hat keine Person, der das Blackfishing vorgeworfen wurde, zugegeben, dass sie sich absichtlich als Woman of Color inszeniert. Doch es liegt nahe, dass das Blackfishing vor allem aus strategischen und kommerziellen Gründen genutzt wird. Schwarzsein wird instrumentalisiert, da ihm gerade in der Hip-Hop-Szene von weißen Künstler*Innen ein gewisser Coolness-Faktor zugeschrieben wird. Es geht beim Blackfishing also hauptsächlich darum erfolgreicher zu werden, Aufmerksamkeit und Reichweite für die eigenen Zwecke zu erhöhen. Das mag vielleicht zuerst wie eine unproblematische Marketingstrategie klingen, jedoch ist nichts an dieser Strategie unproblematisch.
Ich für den @zuendfunk über #Blackfishing berichtet: Weiße Influencerinnen die sich als Schwarze ausgeben und somit deren Beauty-Markt einnehmen.https://t.co/ISYy1Q6aUC pic.twitter.com/pLZfqT9GBD
— Malcolm Ohanwe (@MalcolmOhanwe) November 20, 2018
Blackfishing als eine modernere Form des Blackfacings?
Blackfacing sollte allen ein Begriff sein und es sollte auch klar sein, dass es ein absolutes Tabu ist. Beim Blackfishing findet eine subtilere Form der kulturellen Aneignung statt, die jedoch genauso kritisch zu betrachten ist. Denn wenn Ariana Grande oder Shirin David sich als Schwarze Frauen inszenieren, tun sie dies freiwillig und ganz bewusst. Sie nutzen die positiven Zuschreibungen und Attribute für ihre eigenen Zwecke, lassen aber die realen Problematiken, wie zum Beispiel den Alltagsrassismus und die systematische Diskriminierung, völlig außer Acht. Klar, denn für sie ist Hautfarbe in diesem Fall nur ein Kostüm, beziehungsweise Mittel zum Zweck. Aber: Hautfarbe ist kein Kostüm! Genauso wie sie auch kein Trend ist. Eine Schwarze Frau kann niemals ihre Hautfarbe und all die Erfahrungen, die sie gemacht hat, ablegen und sich von beispielsweise rassistischen Anfeindungen mal eine kurze Pause gönnen.
Ausbeuterische Verhältnisse werden auf kultureller Ebene weitergeführt und verstärkt
Schwarzsein bedeutet eben nicht nur ein bestimmtes Aussehen zu haben, sondern ist unweigerlich in dieser Welt mit Diskriminierung und Rassismus verbunden. Wenn weiße Künstler*Innen sich also zwei oder drei für sie interessante, oberflächliche Zuschreibungen Schwarzer Menschen rauspicken, negieren und verspotten sie die Lebensrealitäten von BIPoC, die täglich mit den Bedingungen einer rassistisch sozialisierten Gesellschaft zu kämpfen haben. Sie ignorieren auch die jahrhundertelange Diskriminierung, die aufgrund der Merkmale, die als Schwarz gelesen werden, mit einherging und immer noch geht. Zusätzlich werden Schwarze Menschen auf ihr Äußeres reduziert und es werden nichts als Stereotype bedient und weitergeführt.
Die Aktivistin Rebekah Hutson schreibt auf ihrem Blog „OnlyBlackGirl“:
„Es geht nicht darum, dass wir unsere Kultur für uns selbst horten wollen, sondern es geht darum, dass Weiße sich jene Teile des Schwarzseins aneignen, die sie mögen, während sie Schwarze gleichzeitig ausgrenzen. Das Gleiche gilt für jede andere ethnische Gruppe, die ihr euch so gern zu eigen macht. Es ist kultureller Genozid.”
Umgekehrt, also wenn eine Schwarze Frau sich die Haare heller färbt oder glättet, ist es nicht problematisch
Wenn einer Person Blackfishing vorgeworfen wird, lautet ein Gegenargument gerne, dass Schwarze Frauen sich auch weißer Attributen bedienen und dass das genauso problematisch zu bewerten sei. Das ist Quatsch! Solche Vorwürfe verharmlosen wieder einmal die Lebensrealität Schwarzer Frauen. Denn der historische Kontext ist in diesem Fall immens wichtig. Malcolm Ohanwe, ein deutscher Journalist und Autor, schreibt dazu:
„Schwarze Frauen haben historisch nicht aus Lust und Laune ihre Haare geglättet oder Perücken aufgesetzt: Sie wurden gesellschaftlich unter Druck gesetzt, weil ihr natürliches afrikanisch-texturiertes krauses Haar verachtet wurde. Dunkelhäutige Frauen haben ihre Haare glatt getragen, um gesellschaftlich zu überleben, weiße tragen ihre Haare nach afrikanischem Vorbild um trendy zu sein.“
Seit Jahrhunderten wurde Schwarzen Frauen immer vermittelt, dass ihr Aussehen im Vergleich zu weißen Frauen minderwertig sei.
„Ich bin mit dem Gefühl aufgewachsen, unbeschreiblich hässlich zu sein. Ich dachte, mein Hintern und meine Oberschenkel seien fett, geradezu monströs. Ich schämte mich zutiefst für mein Haar und hatte permanente Zweifel wegen meiner Lippen und Hautfarbe“,
schreibt Emma Dabiri auf Vice über ihr Selbstbild, welches ihr stetig von der Außenwelt so vermittelt wurde.
Kann Blackfishing nicht auch als Kompliment an die Schwarze Kultur verstanden werden?
Blackfishing ist nicht als eine besondere Form der Wertschätzung Schwarzer Kultur zu verstehen. Vielmehr beschreiben Betroffene, dass sie das Gefühl haben, weiße Künstler*Innen verhöhnen sie. Denn während sie sich an Schwarzen Attributen wie an Accessoires bedienen und dafür mit Erfolg, Reichweite und Aufmerksamkeit belohnt werden, bleiben viele Schwarze Künstler*Innen unterrepräsentiert. Ihnen werden Möglichkeiten, zum Beispiel die der Vermarktung von Produkten für Women of Color, weggenommen und die systematische Ungleichheit wird nur weiter verstärkt. Wenn Schwarze Frauen bestimmte Klamotten oder Frisuren tragen, werden sie oft als unprofessionell oder ungepflegt beschimpft. Ihr natürliches Haar wurde lange (und wird es oftmals immer noch) stigmatisiert, da es als wild und außer Kontrolle betitelt wird. Während Braids zum Beispiel bei Schwarzen Frauen als „ghetto“ betrachtet werden, können die Kardashians diesen Stil die Haare zu flechten, nachahmen und werden für „ihren“ vermeintlichen Look als trendy und modebewusst gefeiert . Während sich weiße Künstler*Innen also Attribute und Errungenschaften von Kulturen von Minderheiten aneignen und damit tonnenweise Geld verdienen, kommt davon und von dem Prestige bei den eigentlichen Urheber*Innen wenig bis nichts an.
Wichtig bei solchen Diskussionen ist es, auf die Stimmen der Betroffenen zu hören
Nun ist es so, dass viele Schwarze Frauen das Blackfishing als rassistisch und diskriminierend empfinden, also sollte mensch auch darauf hören. Schwarze Menschen werden in der Gesellschaft nicht gleichbehandelt und Weiße müssen sich ihrer Machtposition und Privilegien bewusst sein, wenn sie Teile einer Kultur übernehmen wollen. Bis jetzt geschieht diese Übernahme meist ausbeuterisch, oberflächlich und völlig unreflektiert. Vielleicht ist es irgendwann nicht mehr problematisch, wenn Ariana Grande sich gerne als Schwarz präsentieren möchte. Bis dahin muss jedoch dafür gesorgt werden, dass BIPoC nicht mehr aufgrund ihrer Kultur, ihres Aussehens oder anderer Merkmalen diskriminiert werden. Sie müssen die gleichen Chancen, Rechte und Möglichkeiten bekommen. Bis das nicht geschehen ist, müssen die Stimmen der Unterdrückten und weniger Privilegierten gehört werden.
Dass ich Blackfishing in diesem Artikel thematisieren und kritisch hinterfragen kann, liegt (leider) nicht daran, dass ich selber auf diesen „Trend“ gestoßen bin und die rassistischen Hintergründe sofort erkannt habe. Wieder einmal waren es Schwarze Frauen, die die weiße Dominanzgesellschaft und mich als weiße Person auf diese rassistische Praxis des Blackfishings aufmerksam machen und so Arbeit leisten mussten, die eigentlich ich – als weiße Person – selber hätte tun müssen.
Ambra Lunemann
Zum Schluss noch eine Hörempfehlung zu dem Thema:
Belo Horizonte meint
Zufällig drauf gestoßen, aber ist das ernst gemeint?
Lukas Sikina meint
Laut Autorin soll die Gesellschaft anhand der Hautfarbe darüber entscheiden was frau tun darf und was nicht, und wozu sie sich äussern darf und wozu nicht. Das ist die Definition von Rassimus.
Es ist egal unter welchen Vorzeichen das abläuft. Es ist egal ob „PoC“ Dinge dürfen, die „Weissen“ nicht nicht zustehen, oder ob andersrum „Weissen“ Dinge zugestanden werden, die „PoC“ nicht dürfen.
Es sei in Ordnung, wenn sich „PoC“ die Haut bleichen oder die Haare glätten, aber „Weisse“ sollen nicht auf die Sonnenbank oder Zöpfchen flechten dürfen. Ist die Frisurenfrage etwa der Kern des Problems? Oder wird da die soziale Schere mit der Schere im Kopf bekämpft?
Wer mit prekären Arbeitsverhältnissen kämpft, wird gerne von der Autorin lernen, dass sich ihre Situation verbessert, sobald sich Frau Kardashian eine andere Frisur oder eine anderes Make Up zulegt.
Eine rückwärtsgewandte Sichtweise (Kolonialismus) und das Narrativ Opfer zu sein sind das Gegenteil dessen, was in den 60ern die Black Panther, Martin Luther King und Malcom X bewegte und die Bürgerrechtsbewegung voran brachte.
Auffällig auch, dass die Klagen über Mikroaggressionen meist von Upper-Class Angehörigen kommen (Meghan Markle, Oprah Winfrey). George Floyd hat ein anderes Thema angesprochen, er konnte nicht atmen.
Wording (im Rahmen der Gesetze), Frisuren & Make Up als Rassismuss zu bezeichnen verharmlost echten Rassismus.
„PoC“ aus der Oberschicht stellen sich gerne als Opfer hin und reklamieren Aufmerksamkeit für sich und ihre Wording-Probleme. Damit lenken sie von echtem Rassismus (Gewalt, Bildung, Jobaussichten) ab. Das ist nicht besonders solidarisch.