Body Neutrality bedeutet, dem eigenen Körper gegenüber neutral zu sein. Ihn nicht positiv oder negativ zu bewerten. Sondern ihn einfach als Hülle oder Werkzeug, das einem das Leben ermöglicht, zu sehen. Den Körper also vor allem in seiner Funktion wertzuschätzen.
Für viele ist dies ein Schritt nach vorne, ein Stück Heilung. Die negative Einstellung – den scharfen Blick für jede Unreinheit, jedes Röllchen, jede Unebenheit oder jedes Härchen – entwickeln viele weiblich sozialisierte Menschen schon früh. Vor allem, da die damit verbundene Suche nach Produkten, die versprechen, diese Problemzonen zu beheben, eine Goldgrube für den Kapitalismus ist. Werbung zeigt uns unrealistische Perfektion, die unsere Körper zu einem Minenfeld von immer neuen Problemzonen macht und uns die Lösung gleich mitliefert. Das ist profitabel. In Deutschland wird alleine mit Kosmetik- und Körperpflegeprodukten 14,9 Milliarden Euro pro Jahr verdient.
Das Ziel von Body Neutrality ist, den Körper nicht zu bewerten, also seinen Wert nicht an sich immer verändernde diskriminierende und teils unerreichbare Schönheitsideale zu knüpfen. In einer Gesellschaft, die dafür ausgelegt ist, dass wir unsicher sind und immer neue Makel an uns finden, ist diese Neutralität fast schon radikal.
Um dieses Ziel zu erreichen helfen Affirmationen, wie ich im Folgenden aufgelistet habe.
Affirmationen
Ich bin meinem Körper dankbar, dass er mich durchs Leben trägt.
Mein Wert hängt nicht davon ab wie mein Körper aussieht.
Ich und mein Körper sind keine Deko.
Mein Körper muss nicht schön sein.
Ich bin mehr als mein Körper.
Mein Körper ist der uninteressanteste Teil von mir.
Ich muss nicht meinen Körper verändern, um ein wertvoller Mensch zu sein.
Geschichte
Der Begriff der Body Neutrality kommt aus der Body Positivity Bewegung. Body positive zu sein bedeutet den eigenen Körper positiv zu betrachten. Unabhängig davon wie er aussieht. Der Begriff und die Bewegung Body Positivity entstand in den 70ern in der Fat Acceptance und Fat Liberation Bewegung der USA. Populär machten ihn zwei Aktivistinnen namens Connie Sobczak und Elizabeth Scott mit Bezügen zur Behandlung von Essstörungen in den 90er Jahre. Diese Wurzeln sind der Bewegung bis heute noch anzumerken. Seit 2014 ist das Thema im Mainstream angekommen.
Heute sind die Kernthemen oft in verdünnter Form (sowohl inhaltlich ausgedünnt, als auch äußerlich dünner) in der Werbung von gerade denjenigen Firmen zu finden, die von unseren Unsicherheiten profitieren. So erreichen dünne und normschöne Menschen, im Zusammenhang mit dem Hashtag #bodypositive auf Instagram die größte Sichtbarkeit. Während zum Beispiel dicke Menschen viele negative Reaktionen ernten, wenn sie den Hashtag benutzen. Trotzdem hat die Bewegung das Spektrum von „akzeptablen“ Körpern in den Medien sichtbar vergrößert.
Aus dieser Bewegung entstand der Begriff Body Neutrality. Im Vergleich zu Body Positivity wird weniger Bezug auf Schönheit an sich genommen und der empfundene Druck, sich jetzt auch noch schön zu finden, wird durch Neutralität ersetzt.
Kritikpunkte
Bevor ich Kritik äußere, möchte ich anmerken, dass Body Neutrality ein loseres Konzept ist als Body Positivity: Es gibt nicht wirklich eine Bewegung dahinter. Es ist eher eine Einstellung oder ein Ziel und deswegen für jede Person, die es anwendet, etwas anderes.
Trotzdem wirft der Fokus auf die Funktionalität des Körpers und des Dankbarseins für diese für mich einige Fragen auf: Hauptsächlich wie Body Neutrality für Menschen mit Behinderung, kranke Menschen und chronisch kranke Menschen aussehen kann.
Außerdem ist Body Neutrality eine individualistische Lösung für ein systematisches und gesellschaftliches Problem.
Auch ist es gewissermaßen ein Luxus, mich damit auseinanderzusetzten, wie ich meinen eigenen Körper sehe. Während Menschen, die aufgrund ihres Körpers diskriminiert werden, nicht damit beschäftigt sind wie sie ihren Körper sehen, sondern damit, dass andere Menschen ihnen aufgrund ihres Körpers ein Existenzrecht absprechen. Zum Beispiel trans* Menschen, disabled Menschen, rassifizierte Menschen, dicke Menschen…
Diesen Menschen hilft es nicht, an der eigenen Einstellung zu arbeiten, sie brauchen echten gesellschaftlichen und sozialen Wandel.
Body Neutrality ist also keine Lösung, aber kann für einzelne Personen ein heilsamer Schritt in die richtige Richtung sein.
Maria Slüter
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