Seit Dezember 2021 ist Annalena Baerbock deutsche Außenministerin. Seitdem taucht in Zeitungen, im Fernsehen und in den sozialen Medien oft das Wort feministische Außenpolitik auf. Am 1. März 2023 veröffentlichte das Auswärtige Amt seine Leitlinien für eine feministische Außenpolitik. Was verstehen wir eigentlich unter feministischer Außenpolitik? Welche Maßnahmen und Ziele stecken dahinter?
Worum geht’s?
Ausgangspunkt feministischer Außenpolitik ist die Tatsache, dass Frauen gegenüber Männern weltweit immer noch strukturell benachteiligt sind. Ein Beispiel dafür sind die ungleichen Bildungschancen von Mädchen und Jungen. In manchen Ländern können Mädchen keine Schule besuchen. Des Weiteren gelten für Frauen und Männer nicht die gleichen Gesetze und Regelungen. So dürfen Frauen in manchen Ländern ohne Zustimmung ihres Ehemannes weder Auto fahren, noch arbeiten gehen. Ziel feministischer Außenpolitik ist es, alle Menschen in politische Entscheidungen mit einzubeziehen. Dabei spielen Gender, Hautfarbe, sexuelle Orientierung, Behinderung, Religion und Klassenzugehörigkeit keine Rolle. Der Mensch als Individuum steht im Vordergrund. Es geht um das Herstellen von Gerechtigkeit und das Aufbrechen patriarchaler, kolonialer und rassistischer Machtstrukturen.
Ein Blick zurück
Der Ursprung des Konzepts feministischer Außenpolitik liegt im Internationalen Frauenfriedenskongress, welcher erstmals 1915 in Den Haag stattfand. Die Kernforderungen beinhalteten die Beendigung des Ersten Weltkrieges und die Einführung des Frauenwahlrechts. Dieses trat schließlich 1918 in Deutschland in Kraft. Auf den ersten Kongress folge ein zweiter, der 1919 in Zürich abgehalten wurde. Diese beiden führten zur Gründung der Women’s International League for Peace and Freedom (WILPF; deutsch.: Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit). WILPF ist die älteste internationale nicht-staatliche Frauen-Friedensorganisation der Welt. Schweden galt lange Zeit als Vorreiter in Sachen feministischer Außenpolitik. Die damals zuständige Ministerin Margot Wallström legte bereits 2014 das Konzept für einen feministischen, außenpolitischen Ansatz fest. Sie rückte die Rechte von Frauen und Mädchen in den Vordergrund. Die 2022 neu gewählte, rechtsgerichtete Regierung kippte diesen Ansatz jedoch.
Warum feministische Außenpolitik?
Ein großer Zuständigkeitsbereich des Auswärtigen Amtes ist die globale Friedens- und Sicherheitswahrung. Laut einer Studie des International Peace Institute erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer zwei Jahre andauernden Friedenssicherung um 20 Prozent, wenn Frauen bei den Verhandlungen aktiv beteiligt waren. Eine feministische Außenpolitik verdeutlicht, dass dazu auch gesundheits- und klimapolitische Aspekte und eine stabile Entwicklungszusammenarbeit zählen. Menschen sind auf der Welt unterschiedlich von Krisen und Kriegen betroffen. So ist der Globale Süden beispielsweise deutlich stärker von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen als die westliche Welt. Dies hängt mit der Ungleichverteilung wirtschaftlicher Ressourcen zusammen. Schwellen- und Entwicklungsländer verfügen über weniger finanzielle Mittel, um den Folgen des Klimawandels vorzubeugen oder diese abzufedern als westliche Industrieländer. Darüber hinaus sind Frauen und Männer in unterschiedlicher Art und Weise von Krisen betroffen. Laut UN Women leiden Frauen und Mädchen besonders stark an den Folgen von Naturkatastrophen. Sie machen einen Anteil von 80 Prozent aller Menschen aus, die weltweit aufgrund von Klimakatastrophen auf der Flucht sind. Besonders in Ländern des Globalen Südens haben solche Katastrophen Konsequenzen wie Dürre, Wassermangel und Waldsterben. Das hat zur Folge, dass Frauen und Mädchen größere Strecken zur Wasser- oder Brennholzbeschaffung zurücklegen müssen. Dies wiederum erhöht die Wahrscheinlichkeit, sexualisierter Gewalt wie Missbrauch und Vergewaltigung ausgesetzt zu sein. Umso wichtiger ist es also, bei dem Beschluss klimapolitischer Maßnahmen geschlechtsspezifische Unterschiede zu berücksichtigen. Frauen müssen besser geschützt werden.
Feministische Außenpolitik ist keine Außenpolitik für Frauen, sondern für alle Mitglieder einer Gesellschaft. Sie schließt ein und nicht aus.
Annalena Baerbock in Feministische Außenpolitik gestalten – Leitlinien des Auswärtigen Amtes
Dieses Ungleichgewicht zu bekämpfen ist Teil von Deutschlands außenpolitischen Aufgaben. Im Fokus steht die Gewährleistung der Einhaltung der Menschenrechte und das Aussprechen schärferer Sanktionen gegen Staaten, die diese nicht einhalten. Angestrebt wird ein sogenannter “positiver Frieden”. Armut, Hunger, strukturelle Gewalt und Ungleichheit sollen überwunden werden. Die Hauptforderungen feministischer Außenpolitik fasst man unter drei “R”s zusammen: Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen. Frauenrechte sollen weltweit gestärkt werden. Dafür braucht es finanzielle Mittel, mit denen man Maßnahmen umsetzt und Organisationen unterstützt. Zudem soll die Repräsentanz von Frauen in außenpolitischen Entscheidungspositionen und Verhandlungen erhöht werden. Ein Kritikpunkt dieser Herangehensweise ist die binäre Ausrichtung Frau-Mann. Um die ganze Gesellschaft, also auch non-binäre Menschen zu berücksichtigen, plant Deutschland diese Aufzählung um ein “D” zu erweitern: D wie Diversität.
10 Leitlinien – kurz zusammengefasst
Zur Ausgestaltung einer feministischen Außenpolitik präsentiert das Auswärtige Amt zehn Leitlinien. Diese beinhalten sowohl Maßnahmen für die eigene Arbeitsweise als auch für außenpolitisches Handeln. Im Vordergrund steht dabei die Achtung und Förderung der Rechte von Frauen und der LGBTQIA+ Community. So sollen humanitäre Hilfen gendergerecht umgesetzt werden. Das bedeutet eine auf Frauen und andere marginalisierte Gruppen zugeschnittene Krisenprävention und Krisenbewältigungsstrategie. Dafür sollen die Betroffenen aktiv in die Planung mit einbezogen werden. Des Weiteren wird die Bekämpfung sexualisierter Gewalt vorangetrieben. So spricht sich das Papier für einen EU-Beitritt zur Istanbul-Konvention aus. Diese beinhaltet die Unterbindung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Ein weiterer Punkt ist die Sichtbarmachung von Frauen und anderen marginalisierten Gruppen. Zum einen meint dies die Repräsentation in allen gesellschaftlichen und beruflichen Kontexten wie Kunst, Kultur, Wissenschaft und Medien. Zum anderen bedeutet das, mehr Diversität und Inklusion in den eigenen Reihen zu schaffen. Mithilfe abgestimmter Personalplanungen und Schulungen zum Thema Gendersensibilität soll dies im Auswärtigen Amt umgesetzt werden. Auch in politischen Führungsetagen und in wirtschaftlichen Netzwerken soll der Anteil an Frauen steigen. Die Initiative Women in Economic Policy soll zu einem besseren Austausch und Vernetzen unter Frauen beitragen.
Das ist eine Auswahl an Punkten, die in den Leitlinien vorkommen. Die vollständige Fassung gibt es als pdf-Datei. Für mehr Infos und Details zum Thema feministische Außenpolitik empfehle ich das Buch “Die Zukunft der Außenpolitik ist feministisch” von Kristina Lunz. Eine Buchrezension dazu gibt es auf unserem Blog.
Jana Keller
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