Viel wird dieser Tage berichtet über den Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP. Und verhalten positiv sehen viele Berichte und Kommentare aus. Viele scheinen optimistisch auf den versprochenen Aufbruch zu hoffen. Aber obwohl Frauenpolitik immer eine Querschnittsaufgabe ist und uns alle Politikbereiche betreffen, wird erstaunlich wenig darüber berichtet, was denn über Frauen und Queers Konkretes drinsteht im Vertrag. Oder vielleicht ist es auch gar nicht so erstaunlich…? Wir jedenfalls haben mal reingeschaut in den Koalitionsvertrag und nach für uns relevanten Aspekten gesucht.
Allgemeines
Alle Maßnahmen sollen künftig einem Gleichstellungscheck unterzogen werden, das heißt auf ihre Auswirkungen auf die Geschlechter überprüft werden. Dazu gehört vor allem auch Genderbudgeting. Auch der Gender Data Gap soll geschlossen werden.
Lesbische Mütter sollen ab Geburt des Kindes beide als Mütter eingetragen werden und soziale Eltern sollen das „Kleine Sorgerecht“ bekommen können. Das Transsexuellen-Gesetz soll abgeschafft und durch das Selbstbestimmungsgesetz ersetzt werden.
Es wird ein Rückkehrrecht auf Vollzeit und einen Kündigungsschutz nach der Elternzeit geben.
Finanzielles
Die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro und die Einführung einer Kindergrundsicherung wird sich vor allem für viele Frauen positiv auswirken. Geplant ist auch die Stärkung von Frauen im Handwerk, bei Start-Ups und ein besserer Zugang für Startkapital für Gründerinnen. Außerdem soll das Entgelttransparenzgesetz weiterentwickelt werden.
Schutz vor Gewalt
Die Istanbul-Konvention soll umgesetzt, die Frauenhaus-Finanzierung durch einen Bundeseinheitlichen Rechtsrahmen gesichert, der Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung bekämpft, die ILO-Konvention zur Beseitigung von Belästigung und Gewalt in der Arbeitswelt ratifiziert und ein Schutz vor sexualisierter Gewalt im Sport gewährleistet werden.
Gesundheit
Gendermedizin soll Teil des Medizinstudiums werden. Eine paritätische Beteiligung von Frauen in den Führungsgremien der Kassenärztlichen Vereinigung und den Spitzenverbänden und in den gesetzlichen Krankenkassen soll eingeführt werden. Eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin soll eingesetzt werden.
Eine Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen außerhalb des Strafgesetzbuches (§ 218 StGB) soll geprüft und Schwangerschaftsabbrüche sollen als Teil der Gesundheitsversorgung bei Kostenübernahme gesichert werden. Schwangerschaftsabbrüche sollen Teil der medizinischen Ausbildung werden.
Der § 219 a StGB soll gestrichen werden. Kostenlose Verhütungsmittel für Geringverdienerinnen sollen eingeführt und Forschung für Verhütungsmittel soll gefördert werden. Es soll einen Aktionsplan „Gesund rund um die Geburt“ (Personalschlüssel für eine 1:1-Betreuung durch Hebammen während wesentlicher Phasen der Geburt) geben.
Soweit klingt dieser Koalitionsvertrag also ganz gut.
ABER…
Es wird keine Abschaffung des Ehegatten-Splittings und keine Überführung von Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse geben.
Und was ist mit der Parität, der geschlechtergerechten Verteilung von Ämtern?
Der voraussichtlich nächste Kanzler, Olaf Scholz, hatte versprochen, dass sein Kabinett paritätisch besetzt sein werde. Bei den der FDP zugesagten Ministerien sieht es schon mal schlecht aus: drei Minister und nur eine Ministerin stellt sie auf. Damit ist die Frauen-Quote noch schlechter als die der Abgeordneten im Bundestag…. Bei den Grünen sieht es besser aus: Von fünf Minister*innen werden drei Ministerinnen sein. Dazu kommt noch eine Staatsministerin für Kultur und Medien. Bei der SPD steht die Verteilung zur Zeit noch nicht fest. Aber es scheint sich abzuzeichnen, dass Die Grünen und die SPD die Versäumnisse der FDP in Punkto Gleichstellung ausbügeln müssen. Ob das symptomatisch für die neue Koalition sein wird??
Insgesamt klingt der Koalitionsvertrag mit Abstrichen also ganz gut, aber bisher sind das alles Absichtserklärungen. Es müssen erst noch die entsprechenden Gesetze geschrieben und verabschiedet werden, damit es an die Umsetzung gehen kann…
Irene Meyer-Herbst
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