Polyamorie ist ein Beziehungsmodell, welches selten in die Medien repräsentiert wird und oft mit Polygamie und einer offenen Beziehung gleichgestellt wird. Und über das viele Vorurteile und falsche Fakten kursieren. In diesem Artikel wird das Beziehungsmodell erklärt, auf die Ursprünge eingegangen, eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Beziehungsmodellen geliefert und auch Hilfestellungen werden aufgezeigt, wie diese Beziehungskonstellationen funktionieren können.
Begriffserklärung
Polyamorie setzt sich aus dem griechischen Wort „polŷs“( viel, mehrere) und dem lateinischen Wort „amor“(Liebe) zusammen. Der Begriff Polyamorie ist eingedeutscht worden.
Mit diesem ist gemeint, dass man eine Liebesbeziehung zu mehr als einer Person zur gleichen Zeit führt. Dies beinhaltet eine romantische Liebe, aber auch eine sexuelle Komponente kann Teil der Beziehung sein, je nach Präferenz der Partner*innen. Im Gegensatz zu dem monogamen Beziehungsmodell werden somit mehrere Beziehungen zur gleichen Zeit geführt.
Das Besondere hierbei ist, dass alle Partner*innen transparent mit den zusätzlichen Partner*innen sind und mit dieser einverstanden sind. Eine tiefe emotionale Verbundenheit und gegenseitige Verantwortung liegt hierbei im Vordergrund. Die Anzahl und das Geschlecht richtet sich hierbei nach den Präferenzen der Beziehungspartner*innen, es gibt keine Norm dafür.
Polyamorie ist ein Oberbegriff, unter dem alle langfristigen Beziehungen zusammen gefasst werden können, die zwischen mehreren Partnern, einvernehmlich und transparent verlaufen.
Formen der Polyamorie
In diesem Modell gibt es verschiedene Formen. Welche Form man wählt, hängt von den einzelnen Präferenzen der Partner*innen ab. Es kann aber auch ein komplett neues Modell entstehen.
Um das Beziehungsmodell zu verstehen, werden die Partner*innen und ihre Stellung zunächst einmal dargestellt.
- Primärbeziehung/Primärpartner*in: Dies beschreibt den Primärpartner*in, diese*r steht von der Priorität her ganz oben. Man plant einen eventuellen Kinderwunsch und gemeinsame Finanzen mit ihr. Oftmalls werden diese Partner*innen auch “Nesting Partner” genannt, damit ist gemeint, dass man dieser Person zusammen lebt und ein Leben aufbaut, ein Nest baut. Durch die Benutzung dieses Begriffs wird der hierachische Aspekt aus dem Beziehungsmodell genommen.
- Sekundärbeziehung/Sekundärpartner*in: Diese Beziehung mit dieser Art von Partner kann ebenfalls auf langfristiger Basis ausgelegt sein. Jedoch hat diese Person nicht denselben Status wie die Primärbeziehung.
- Tertiärbeziehung/Tertiärpartner: Bei diesem Modell gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder ist diese Person jemand, mit dem man eine kurze, leidenschaftliche Affäre hat. Jedoch liegt der Fokus hierbei nicht auf einer langfristigen Basis. Oder aber die Beziehung beruht auf einer innigen Freundschaft, mit der man gelegentlich sexuell aktiv ist. Dies ist jedoch auf einer recht unverbindlichen Basis.
Es gibt verschiedene Konstellationen, in denen diese Partnerschaften und Beziehungen vorkommen können. Die häufigsten lauten wie folgt:
- Es gibt eine*n klar definierte*n Primärpartner*in. Diese Beziehungsform ähnelt der Zweierbeziehung, wie sie allgemein bekannt ist. Die anderen Partner*innen in der Beziehung entsprechen den Sekundär- oder Tertiärbeziehungen.
- Es gibt mehrere Sekundärpartner*innen. Bei dieser Form gibt es mehrere gleichberechtigte Partner*innen. Der Unterschied ist hier, dass es keine „Nummer 1“ gibt, sondern alle Partner*innen in dieser Form gleichberechtigt sind und sich mit all den Partner*innen ein Leben wie mit einem Primärpartner*inn vorgestellt werden kann.
- Es gibt keine*n Primärpartner*in, jedoch mehr als eine*n Sekundärpartner*in. Dieses Modell wird auch als Modell des „Poly-Singles“ bezeichnet, da hierbei keine Beziehungsform entsteht, bei der man sich das Leben wie mit den Primärpartner*innen vorstellen kann.
- Zusätzlich gibt es noch das Primär-Sekundär-Modell, welches ein sehr häufiges Modell der polyamorösen Beziehung ist. Hierbei steht der*die Primärpartner*in deutlich im Vordergrund, eine sekundäre Beziehung ist durchaus erlaubt, jedoch darf diese die Hauptbeziehung nicht gefährden.
Wie deutlich wurde, gibt es keine festen Regeln oder Modelle, wie diese Beziehungsform abläuft. Es wurden hier die häufigsten vorgestellt, jedoch gibt es noch mehr Arten von Beziehungen und Beziehungsformen. Die Personen in der Partnerschaft entscheiden selbst, welche Konstellation am Besten zu ihnen passt.
Geschichte
Polyamorie ist tief in den Wurzeln der Menschen verankert. Das Konzept der monogamen Zweierbeziehung hat sich wahrscheinlich in der Zeit der Entwicklung von Ackerbau und Viehzucht etabliert. Die monogame Beziehungsform war vordergründlich dafür gedacht, Nachkommen und ökologische Sicherheit zu bieten. Erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde der Fokus auf die Liebe gelegt.
Das Wort „Polyamorie“ oder gleichwertige Bezeichnungen waren vor 1960 nicht etabliert. Jedoch gab es schon vorher Personen, die innerhalb dieses Beziehungsmodells lebten, wie Bertolt Brecht, Amelia Earhart oder Marlene Dietrich.
Der Begriff Polyamorie wurde erstmals 1990 gefestigt, in der Veröffentlichung eines Manifests von Morning Glory Zell-Ravenheart. Neben dem Begriff hat sie dort auch die drei Grundregeln der modernen Polyamorie definiert: Einvernehmlichkeit, Transparenz und Verbindlichkeit. Seit 1992 ist der Begriff durch Internetforen popularisiert worden.
Das Wort Polyamorie wurde 2006 ins Oxford Englisch Dictionary aufgenommen und ist ebenfalls im Duden zu finden.
Tipps
Wie in jeder Beziehungsform, ist Kommunikation und Vertrauen ein essentieller Bestandteil der Beziehung. Eifersucht, Vernachlässigung und schlechte Kommunikation sind Gift für sie.
Deswegen gibt es Tipps, welche das Leben in einer Polyamorösen Beziehung vereinfachen beziehungsweise als Hilfestellungen dienen.
- Ehrlichkeit von Anfang an. Alle Beteiligten sollten über diese Beziehungsform informiert sein und dieser zustimmen. Außerdem ist es sehr von Vorteil, wenn die jeweiligen Partner*innen offen kommuniziert werden. Genauso wie das Ausmaß der Beziehung, welche Priorität die jeweilige Person hat und welches Beziehungsmodell angestrebt wird. Dadurch wird die Chance verringert, dass Ungewissheit entsteht. Was wiederrum die Chance für Eifersucht senkt.
- Priorität. Sollte die Beziehung eine*n Primärpartner*inn enthalten, sollten wichtige Entscheidungen stets mit dieser*m abgesprochen werden. Bei den anderen vorgestellten Modellen sollte dies entlang der Priorätisierung der Person innerhalb der Beziehung, ebenfalls stattfinden. So entsteht eine vertrauensvolle Beziehung, in der die Chance, Ungleichheit zu spüren, geringer ist. Außerdem sollten Rituale, welche nur mit einer Person in der Beziehung vollzogen werden, auch weiterhin primär nur mit dieser getan werden.
- Gegenseitige Unterstützung. Polyamoröse Beziehungen bieten viel Raum für Wachstum, aber es ebenso normal, dass Gefühle wie Eifersucht und Angst entstehen können. Diese sollten offen kommuniziert werden und von dem jeweiligen Part in der Beziehung ernst genommen und drauf eingegangen werden.
- Klare Vereinbarungen und Grenzen. Gerade dieser Punkt ist wichtig, damit diese Beziehungsform funktioniert. Die Beteiligten sollten offen ihre Bedürfnisse und Grenzen kommunizieren. Dadurch gibt es weniger Spielraum für Missverständnisse. Je klarer definiert wird, was man in dieser Bezeichnung braucht und was ein No-Go ist, desto zufriedener und reibungsloser läuft diese ab.
- Gesagtes Einhalten. Gerade in einer Beziehungsform mit mehreren Partner*innen ist es wichtig, dass sich auf das Gesagte verlassen werden kann. Denn ansonsten ist sie anfälliger für Eifersucht und Misstrauen.
- Rolle innerhalb der Beziehung. Jeder/m Partner*in sollte bewusst sein, welche Rolle und Stellung man in dieser Beziehungsform innehat. Es sollte klar definiert sein, was innerhalb dieser Rolle für den jeweiligen anderen Part in Ordnung ist. Und was nicht.
- Zeitmanagement. Eine Beziehung mit mehreren Partner*innen zu haben kann sehr zeitintensiv und stressig sein. Es ist deswegen wichtig, dass die Zeit mit den jeweiligen Partner*innen entsprechend des Beziehungsmodells geplant wird und diese Planung transparent und nachvollziehbar für alle ist. Dadurch kann Eifersucht und Vernachlässigung eines*r Partner*in vorgebeugt werden.
Polyamorie, offene Beziehung oder Polygamie?
Die Unterscheidung zwischen Polyamorie, einer offenen Beziehung und Polygamie sorgt oft für Verwirrung. Alle Beziehungsmodelle sind nicht monogam angelegt, mehrere Partner*innen in ihnen vorgesehen. Die Unterscheidung ist jedoch bei der Rolle der jeweiligen Partner*innen eindeutig.
In einer polyamorösen Beziehung liegt der Fokus auf romantischen Beziehungen, die Liebe und Zuneigung zueinander steht im Vordergrund.
Das Beziehungsmodell der Polygamie, auch Vielehe genannt, legt den Fokus auf das Schließen von mehreren Ehen mit unterschiedlichen Personen. Hierzu zählen auch eheähnliche Beziehungen. Oftmals hat in diesem Beziehungsmodell eine Person mehrere Partner*innen. Hierbei ist die Unterscheidung zur Polyamorie, dass die Partnerschaft nicht an die gesellschaftliche Institutionen und Normen wie die Einehe und Vielehe gebunden ist. Außerdem spielt Religiösität oftmalls eine große Rolle in dieser Bezeihungsform.
Bei einer offenen Beziehung, auch oft freie Liebe genannt, liegt der Fokus vordergründig auf einer sexuellen Ebene. Es werden keine festen Beziehungen eingegangen, die romantischen Gefühle sind für den/die Primärpartner*in reserviert. Alle Beziehungsformen erfordern gute Kommunikation und Transparenz. Es kann vorkommen, dass sich bei einer offenen Beziehung romantischen Gefühle entwickeln. Dies wird dann in der Beziehung individuell betrachtet und Lösungen gefunden.
Abschließend kann gesagt werden, dass jedes Beziehungsmodell unterschiedlich ist, den Fokus auf unterschiedliche Dinge legt und andere Schwierigkeiten mit sich bringt. Solange alle Beteiligten in der Partnerschaft zufrieden sind, sich in dieser wohl fühlen und transparent sind, gibt es keinen Grund andere dafür zu verurteilen.
Yvonne Weber
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