Der Begriff Rape Culture lässt sich wörtlich als “Vergewaltigungskultur“ übersetzen. Er bezeichnet eine Gesellschaft oder (Sub-)Kultur, in der Sexualstraftaten – zumindest teilweise – ignoriert, toleriert oder verharmlost werden. Dabei geht es nicht nur um Vergewaltigungen, sondern um jede Form der sexualisierten Gewalt. Es bedeutet jedoch nicht zwingend, dass in dieser Kultur eine Mehrheit der Menschen sexuelle Übergriffe in Ordnung findet, oder dass besonders viele Sexualstraftaten verübt werden. Vielmehr bezeichnet der Ausdruck Rape Culture ein gesellschaftliches Umfeld, das sexualisierte Gewalt herunterspielt: durch Witze, verharmlosende Darstellungen in Filmen, Literatur oder Musik. So entsteht ein kultureller Rahmen, in dem man Verstöße gegen die sexuelle Selbstbestimmung als normal und konsequenzlos wahrnimmt.
Vergangenheit und Gegenwart der Rape Culture
Das 1974 erschienene Buch Rape: The First Sourcebook for Women machte die Bezeichnung Rape Culture bekannt. Neue, sehr breite Popularität erlangte der Begriff dann wieder in den frühen 2010er-Jahren im Kontext von Protesten gegen die immens hohe Anzahl von Sexualdelikten an US-amerikanischen Universitäten. Bei einer Umfrage von 2015 unter dortigen Student*innen, gaben 18,6% der Befragten an, während ihrer Zeit an der Universität Opfer einer Vergewaltigung oder einer versuchten Vergewaltigung geworden zu sein. Täter waren in den meisten Fällen Kommilitonen. Diese blieben in vielen Verhandlungen deutlich unter dem möglichen Strafmaß, um ihnen nicht die Zukunft zu verbauen. Auch diese Argumentation ist Ausdruck einer Logik, nach der Sexualstraftaten für den oder die Täter*in weitestgehend folgenlos bleiben.
Die Schuld des Opfers
Teil der Rape Culture ist auch das Victim blaming. Dabei wälzt man eine Teilverantwortung an der Tat auf das Opfer ab, weil dieses durch das eigene Verhalten zu der Straftat beigetragen habe. So wird Menschen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, häufig vorgeworfen, sie trügen eine Mitschuld daran. Beispielsweise, weil sie freizügig gekleidet oder alkoholisiert waren. Auch wenn etwa durch Flirten, Erwartungen geweckt worden seien, die dann nicht eingehalten wurden, wird dies dem*r Betroffenen zur Last gelegt. Das angeblich provozierende Verhalten der Geschädigten wirkt sich oft strafmildernd bei der Verurteilung der Täter*innen aus. Diese Tatsache ist ein beherrschender Faktor in der öffentlichen Debatte um die Rape Culture. Opfer machen häufig die Erfahrung, dass man ihre Berichte oder Anzeigen nicht ernst nimmt. Dies ist wohl einer der Gründe, warum eine große Zahl von ihnen Sexualstraftaten gar nicht erst anzeigt.
Marion Rave
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