Es fällt mir schwer, mich als dünn zu bezeichnen. Auch wenn ich es objektiv bin. Trotzdem habe ich Thin Privilege. In unserer Gesellschaft wird Dünn als erstrebenswert, als moralisch besser und schöner gesehen. Dünne, normschöne Menschen werden bevorzugt und besser behandelt. Menschen, die dick sind, haben kein Thin Privilege und werden schlechter behandelt. Übergewicht ist der häufigste Grund für Mobbing von Kindern. Dickenfeindlichkeit ist tief in unserer Gesellschaft verankert. Dünne Menschen haben das Privileg, nicht direkt davon betroffen zu sein. Trotzdem ist diese internalisierte Angst vor dem Dicksein Grund für Unsicherheiten bis hin zu Essstörungen.
Von klein auf wird uns eingetrichtert, wie wichtig es ist, dünn zu sein, und dass wir den Fettröllchen und der Cellulite schon früh den Kampf ansagen müssen. Das erzeugt eine Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper, die es schwierig macht, ihn objektiv zu betrachten. Wir fühlen uns also selten ‚dünn genug‘. Doch der Unterschied zwischen sich nicht ‚dünn genug‘ fühlen und der Gesellschaft nicht dünn genug sein ist groß. Solange die Gesellschaft dich als dünn liest, hast du Thin Privilege.
Das heißt nicht, dass Menschen mit Thin Privilege mit ihrem Körper zufrieden sind, oder sich uneingeschränkt wohl fühlen mit ihm. Ähnlich wie White Privilege ist Thin Privilege die Abwesenheit von bestimmten Hindernissen und Diskriminierungsformen.
Für das bessere Verständnis habe ich ein paar Erkennungsmerkmale zusammengetragen.
Erkennungsmerkmale für Thin Privilege:
Ich kann in jeden Klamotten-Laden gehen und viele Optionen in meiner Größe finden.
Ich kann die Öffentlichen Verkehrsmittel nutzen, ohne dass Menschen, neben die ich mich setzte, genervt von mir sind, weil ich zu viel Raum einnehme.
Ärzt*innen nehmen mich ernst und schieben nicht alle meine gesundheitlichen Probleme auf mein Gewicht. Oder sagen mir, ich müsse abnehmen, bevor sie mich behandeln können.
Mir wird nicht routinemäßig in meinem Alltag gesagt, dass ich meinen Körper ändern muss. Mir werden zum Beispiel nicht einfach so Abnehmtipps gegeben.
In den Medien wird sich nicht über Menschen, die ähnlich viel wiegen wie ich, lustig gemacht. (Ausgenommen mal die Klatsch-Presse)
Menschen mit Körpern wie meinem werden in Filmen und Serien positiv repräsentiert.
Mein Körper wird nicht als Teil einer Pandemie bezeichnet.
Ich kann in der Öffentlichkeit essen oder Fotos online von meinem Essen posten, ohne negative Reaktionen zu bekommen.
Ja, auch wenn du mit deinem Körper struggelst kannst du Thin Privilege haben.
Auch dünne und normschöne Menschen haben Unsicherheiten, können sich nicht schön fühlen, unwohl fühlen und von anderen nervige Kommentare bekommen. Aber gesellschaftlich gesehen werden sie nicht wegen ihres Körpergewichts diskriminiert und ihnen werden meist keine negativen Eigenschaften aufgrund ihres Gewichts zugeschrieben.
Wichtig zu wissen ist, dass alle Menschen, die aus dem gesellschaftlich konstruierten Schönheitsideal fallen, Diskriminierung erfahren. Das gilt für People of Color, dicke Menschen, ‚zu dünne‘ Menschen, Menschen mit sichtbaren Behinderungen, nicht normschöne Menschen (Lookismus) und bestimmt noch viele mehr. Da das gängige Schönheitsmerkmal heutzutage eher dünn ist, werden diese Menschen nicht diskriminiert und haben dadurch Privilegien. Das ist Thin Privilege.
Zur weiteren Information über Thin Privilege empfehle ich euch diese Podcastfolge (die ich als Primärquelle genutzt habe), auf Instagram diesen Account und speziell diesen Post (von dem die Erkennungsmerkmale inspiriert sind).
Weiterführende Informationsquellen sind „What we don’t talk about when we talk about fat“ von Aubrey Gordon und ihr Instagram Account, sowie Podcast.
Maria Slüter
Schreibe einen Kommentar