Ab und zu tauchen im feministischen Diskurs Begriffe auf, die vielen von uns neu sind. Eine Zeit lang bin ich immer wieder über den Ausdruck toxische Männlichkeit, beziehungsweise Maskulinität, gestolpert und habe mich gefragt…was genau ist das eigentlich?
Maskulinität und Femininität
Fangen wir erst einmal einfacher an. Was verstehen wir unter Maskulinität? Maskulinität beschreibt eine Reihe von Verhaltensweisen, Gepflogenheiten und Einstellungen, die in unserer Kultur typischerweise mit Männern und Mann-Sein in Verbindung gebracht werden. Das Gegenteil, Femininität, bezeichnet demnach Eigenschaften, die meist Frauen zugeschrieben werden. Jeder Mensch verfügt aber in gewissem Maße über maskuline und feminine Merkmale.
Anerzogene Verhaltensmuster
An sich ist Maskulinität nicht problematisch. Wenn bestimmte ‚maskuline‘ Verhaltensweisen aber Menschen Schaden zufügen, werden sie als toxisch bezeichnet. Dominanz, Aggressivität, Einschüchterung, Kontrolle, emotionale Distanziertheit – das sind einige Beispiele. Auch die Sexualisierung von Frauen, sowie jegliche Formen von Gewalt zählen dazu. Oftmals wird toxisch-maskulines Verhalten mit Männlichkeit gleichgesetzt und somit als natürlich wahrgenommen. Es ist wichtig zu verstehen, dass es hier aber um anerzogene Verhaltensmuster geht, mit denen Jungs nicht geboren werden.
Menschen, die toxische Maskulinität praktizieren, definieren diese immer als der Femininität überlegen. Eigenschaften wie Mitgefühl, Fürsorge oder Emotionalität werden als schwach dargestellt, während gegensätzliches Verhalten als stark empfunden wird. Daraus folgt, dass Menschen, die sich eher durch feminine Eigenschaften auszeichnen, suggeriert wird, anderen unterlegen zu sein. Das kann Personen aller Geschlechter betreffen. Auch kann jede*r toxisch-maskulines Verhalten ausüben oder fördern, wie beispielweise eine Mutter, die ihrem Sohn beibringt: „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“.
Die Angst vor ‚Entmannung‘
Toxische Maskulinität geht Hand in Hand mit Sexismus und Homophobie. In unserer patriarchalen Gesellschaft zählen Männer oftmals nicht als ‚wahre Männer‘, wenn sie in ihrer Beziehung nicht das Sagen haben. Die Anliegen der Partnerin zu respektieren gilt als Schwäche oder Unfähigkeit, sich durchzusetzen. Auch die Angst, Zuneigung für andere Männer zu zeigen, äußert sich in toxischer Maskulinität. Denn unsere Gesellschaft ist heteronormativ konzipiert. Dementsprechend wird die Liebe zu Männern allein von Frauen erwartet. Wenn aber Männer sich gegenseitig Zuneigung bekunden, wird dieses Verhalten als frauentypisch und somit schwach verstanden. Daraus resultiert häufig eine emotionale Verschlossenheit von Jungen und Männern. Sie schämen sich, Zuneigung zu zeigen, aus Angst sich zu entmannen. Wer kennt nicht das anscheinend obligatorische „no homo“, das jugendliche Jungs jedem Kompliment anhängen, das sie einander machen.
Zu guter Letzt…
Was wir uns vor Augen führen sollten ist, dass das Zeigen von Emotionen keine Schwäche ist. Im Gegenteil: wir profitieren davon, offen und ehrlich miteinander umzugehen. Jeder Mensch verspürt Mitgefühl und Zuneigung und niemand sollte sich dafür schämen. Auch sollten wir klarstellen, dass schädliches und respektloses Verhalten nicht als männlich getarnt und als naturgegeben entschuldigt werden kann. Es macht das Mann-Sein nicht aus, genauso wenig, wie eine Frau auf ihre Emotionen reduziert werden kann. Die Bezeichnung toxische Maskulinität dient also nicht der Verurteilung von Männern im Allgemeinen. Sie prangert Verhaltensmuster an, die respektlos und gewaltsam sind und sich dabei fälschlicherweise als überlegen verstehen.
Katharina Marks
Rivr meint
Das toxische Maskulinität (womit traditionelle gemeint ist belevolenter wie hostiler sexismus) angeblich anerzogen sei ist eine These…
Der ich immer skeptischer entgegen stehe.
Wie bei Resilienz sind es doch mehr biologische/genetische Gegebenheiten, die veranlassen das Jungs sich in einer bereits misogynen Kultur und Welt traditionellen oder mal ethischeren Wegen gehen.
Der Sozialwissenschaftler Jonathan Haidt befasste sich indirekt politisch auch damit, indem er sich auf konservative und progressive Orientierung fokussierte.
Artikel dazu sind bereits erschienen einfach mal unter „von Natur aus konservativ Jonathan Haidt“ suchen.
Ausserdem ist der Weltartikel „Warum fast jeder ein hoffnungsloser Optimist ist“ (besonders auf das generischen Maskulinum achten) interessant.
Ps: Erklärungsversuche bezüglich der Natürlichkeit männlicher Unart(en) bzw. dem Mannsgewaltverhalten sind nicht als Rechtfertigungsversuche gemeint und sollten auch nicht derart missbraucht werden. Nur weil was natürlich oder normal ist heißt das noch lange nicht es ist ethisch akzeptabel.
Grüße