„Gonna start calling all boy bands ‚male-fronted‘ to see how they like it“ oder: “ Ich werde von nun an alle Jungsbands ‚male fronted‘ nennen um zu sehen, wie sie das finden“, schreiben Bloxx auf Twitter. Das ist der Kern der Frauenbandfrage; wenn sich eine auf die Suche nach dem Begriff Frauenband macht.
Frauenband/ Mädchenband, Männerband
Eine Frauenband ist also eine Band, die nur aus Frauen besteht.
Eine Band ist allerdings einfach eine Band und darf gemischt sein oder nur mit Männern besetzt sein. Hier sind wir wieder beim Sprachproblem. Die ‚generische‘ Band meint männlich gelesene Personen. All-female Besetzungen werden besonders bezeichnet. Eine sprachliche Tücke, die impliziert, dass eine Band, bestehend aus männlich gelesenen Personen oder männlich und weiblich gelesenen Personen, gängig ist und eine Frauenband eben selten vertreten. Daraufhin kommt häufig das Argument, dass es eben so sei: Bands sind nun einmal oft nicht ausschließlich mit Frauen besetzt. Außerdem haben sie weniger Öffentlichkeit. Hier kommt eine näher an den strukturellen Kern dieser Bezeichnungen. Was meint hier struktureller Kern, fragen sich wieder andere. Aktuell ist in der Wahrnehmung auf Festivalbühnen, Podien und Streaminglisten ein Ungleichgewicht zu Gunsten von Männerbands auszumachen. Das heißt, die Öffentlichkeit sieht in den meisten Fällen mehr Bands mit männlicher Beteiligung als gemischte Formationen oder reine Frauenbands. Die so genannte Frauenband ist damit ein Exot. Der Begriff unterstreicht den Sonderstatus und verfestigt damit das Ungleichgewicht.
Wird der Begriff denn überhaupt noch genutzt? Eine Nachfrage bei einer Expertin.
Andrea Rothaug, Leiterin von Rockcity Hamburg und Beauftragte für Popkultur bei der Senatorin für Wirtschaft Arbeit und Europa findet, der Begriff habe einen 80er Touch und wirke rückwärtsgewandt:
„Spannenderweise macht diese Bezeichnung die Band weder besser noch schlechter. Klassisch versteht man darunter eine all-female Band. Beginnend mit den 60er/70er Jahren. Ich benutze den Begriff gar nicht mehr. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass dieser Begriff in Zeiten von Feminismus 5.0 noch so verwendet wird, zumal er einschränkt, indem er von binären Positionen ausgeht. Es sagt ja auch niemand mehr D-Jane. Wir sagen weiblich gelesene Bands.“
Warum denn nur?
Wenn es also den Begriff Frauenband gibt, sollte es auch den Begriff Männerband geben? Klingt nach einem starren, binären Verständnis. Und: „Männerband“ wird nicht, oder kaum genutzt. Das Nichtvorhandenseins des Begriffs zeigt, wie deutlich patriarchal die gesellschaftlichen Annahmen zum Musik machen sind. Es wird angenommen, dass Rede- oder Musizierzeit auf der Bühne eben von Cis-Männern übernommen werden. Die Frau ist die Ausnahme. Eine einzelne Frau in der Band ist nicht ungewöhnlich. Und wird doch häufig auch als „hübsches Anhängsel“ der Band genutzt. Dann ist die Band noch als Band zu bezeichnen. Eine Gruppe von Musizierenden, die nur aus Frauen besteht, scheint selten. Eine Gruppe von Musizierenden, die in nicht binäre Kategorien einschließt, scheint sprachlich selten sichtbar zu sein.
Lux, DJ und Journalistin aus Leipzig bringt gerade diese Perspektive in meiner Definitionsfrage auf den Punkt:
„Der Begriff ‚Frauenband‘ kennzeichnet eine Abweichung von der vermeintlichen Regel ‚(Männer-)Band‘. Muss das sein? Nein. Denn damit steht er quer zu der Annahme, dass es normal ist, dass alle Geschlechter in Bands spielen, neben Männern und Frauen auch trans, inter und nichtbinäre Personen. Und viel wichtiger als die Information, welches Geschlecht die Bandmitglieder haben, ist doch das Genre!“
Die Bremer Band Spröde Lippen erlebt den „Sonderstatus“ in einem Interview mit uns: „Egal, was für eine Atmosphäre wir auf der Bühne erzeugt haben, kriegten wir gespiegelt, dass es süß sei. Überhaupt als „Mädchen-Band“ verhandelt zu werden mit der impliziten Verniedlichung, die dabei ist. Also das werden wir glücklicherweise schon länger nicht mehr, aber wurden wir schon in den Anfängen. Geschweige denn über so etwas wie Geschlecht definiert zu werden, ohne dass es darum ging, was machen wir eigentlich musikalisch.“
Neues Denken und neue Begriffe
Im Fall Frauenband spiegelt sich das strukturelle Machtverhältnis wider.
Eine Strategie kann sein: bewusst den Begriff Männerband zu etablieren und lediglich gemischte Formationen Band zu nennen. Klingt nach einer sehr binären Denke, oder? Sollte das im Jahr 2021 verfolgt werden?
Eine weitere Strategie kann sein, ganz auf derartige Attribute zu verzichten. Erstens aus Solidarität zu den verschiedenen existierenden und auch benennbaren Identitäten von Personen. Sagten wir Trans*-Band? Non-Binary-Band? Zweitens, um ganz klar eine soziale Kategorie vom Thema Musik abzutrennen. Welche Geschlechtsidentität die musizierende Person hat, steht in keinem Verhältnis zur Qualität der Musik. Der Beigeschmack eines Attributs verschwindet.
Das bedeutet nicht, dass mit dem Bewusstmachen des Begriffs jetzt alle Machtverhältnisse von null auf einhundert verschwinden. Die Bemühungen für mehr Sichtbarkeit von Musikerinnen sind weiterhin aktuell. Ob „Keychange„, „Women in Music“, „Bechdel Sound Test“ oder Ähnliches: wir sind noch am Anfang der Veränderung.
Für alle Musikerinnen und Interessierten sind die Beschreibungen in Büchern wie „Rocken in Hosen“, „Girl in a band“, „A Typical Girl“, „Superbusen“ wichtige Anhaltspunkte, zu sehen, wie starr Vorannahmen für all-female Bands sich beispielsweise im Touralltag niederschlagen. Da wird mangelndes Technikverständnis unterstellt, besonders auf musikalisches Können geschaut oder mögliche Fehler oder ganz einfach im Namen des Lookismus nur auf Äußerlichkeiten geschaut.
„Mir wurden, ohne zu fragen, ob ich es gerade überhaupt hören möchte, beziehungsweise was meine Motivation beim Schlagzeugspielen ist, sämtliche Sachen erklärt. (…) Mischer, die gedacht haben, sie wissen gerade besser, wie alles funktioniert und uns dann teilweise auch rein gegriffen haben in unsere Instrumente.“ Spröde Lippen
Also: Tschüssi staubiger Begriff Frauenband. Bitte kümmert euch alle um mehr Sichtbarkeit in Lineups von Festivals.
Renate Strümpel
Stefanie P. meint
Eine Band aus reinen Jungs heißt Boyband (Alt. Boygroup) und eine aus reinen Mädels Girlband (Alt. Girlgroup). Jede gemischte Band heißt Band oder wird bei dem Namen der Band genannt. Aber klar, man kann alles zerreden und Probleme künstlich schaffen.