Hitzewallungen, Schlaf- und Blutungsstörungen, Stimmungsschwankungen oder Energielosigkeit – die Wechseljahre können ganz schön undankbar sein. Gehört hat wohl fast jede*rschon mal von ihnen. Was aber passiert im Körper einer menstruierenden Person im Prozess der Wechseljahre? Welchen Einfluss kann der Hormonumschwung auf den Alltag haben? Und warum muss es endlich offenere Diskurse darüber geben? Reden wir drüber!
Die verschiedenen Phasen der Wechseljahre
Auch bekannt als Menopause oder Klimakterium beschreiben die Wechseljahre den Prozess im Körper, in dem die fruchtbare Lebensphase einer menstruierenden Person endet. In welchem Alter die Wechseljahre eintreten, ist unterschiedlich, oft beginnt die erste Phase im Alter von Mitte 40.
Auch wenn die Wechseljahre sehr individuell erlebt werden, lassen sie sich in verschiedene Phasen aufteilen. In der Prämenopause beginnt sich die Hormonproduktion der Eierstöcke leicht zu verändern und der Progesteron-Gehalt fortan kontinuierlich abzufallen. Darauf folgt die Perimenopause, also die Phase kurz vor dem Ausbleiben der Menstruation. Nun fällt auch der Östrogen-Gehalt im Körper ab, im Gegensatz zum Progesteron-Gehalt aber mit deutlich steilerem Gefälle. Anschließend folgt die eigentliche Menopause, also der Zeitpunkt der letzten Menstruation. Schließlich, in der sogenannten Postmenopause, hat die Hormonproduktion in den Eierstöcken ihren Tiefpunkt erreicht und Östrogen- und Progesteron-Gehalt bleiben auf etwa einem Level.
(c) Helena Bizarmanis
Auch wenn viele menstruierende Personen die Phasen beschwerdefrei durchleben, leiden bis zu einem Drittel an starken bis hin zu sehr starken Auswirkungen. Je nach Phase der Wechseljahre können die Veränderungen des Hormonhaushaltes Schlafstörungen, Hitzewallungen, Trockenheit der Scheide und Blutungsstörungen auslösen. Auch langanhaltende Beschwerden wie Gewichtszunahme, Haarausfall, eine verlängerte Periode sowie psychische Auswirkungen können den Wechseljahren geschuldet sein.Oftmals wird die hormonelle Veränderung als ein “Umbruch” wahrgenommen, ähnlich wie beim Eintritt der ersten Periode. Sie kann Unwohlsein und ein verringertes Selbstwertgefühl auslösen, in manchen Fällen aber auch langfristig das Risiko für Erkrankungen wie Osteoporose und Depressionen erhöhen.
Wechseljahre im Berufsleben – klarer Verbesserungsbedarf!
Werfen wir einen Blick in die Vergangenheit, so mag auffallen, dass die Vernachlässigung gesundheitlicher Belange von Frauen nicht gerade etwas Neues ist. Auch hier beim gesellschaftlichen Umgang mit den Wechseljahren spüren Betroffene Auswirkungen des Patriarchats. Sie gelten noch heute als das erotische Aus einer Frau, es finden kaum offene Diskurse über das Thema statt und Initiativen gegen die Stigmatisierung gibt es vergleichbar wenige – trotz der hohen Betroffenenzahl. Während Betroffene mitten im Berufsleben stehen, kann die hormonelle Umstellung in den Wechseljahren starke Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit hervorrufen. Oftmals stehen sie einer Arbeitswelt gegenüber, die kaum für ihre Bedürfnisse in dieser Lebensphase sensibilisiert ist. Es fehlen Ansprechstellen, Respekt sowie Akzeptanz bei Belastungsminderung durch anfallende Symptome. Nicht selten treten Betroffene beruflich kürzer oder wechseln ihren Job – und das mit finanziellen Folgen.
„Unternehmen müssen lernen mit der Lebensrealität von Frauen umzugehen“ – Ferda Ataman, Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung. Im Diskurs um die Alltagsdiskriminierung von Frauen.
Im Forschungsprojekt „Menosupport“ der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin wurden Daten zum Erleben der Wechseljahre im Berufsfeld erfasst und mögliche Unterstützungsmaßnahmen entwickelt. Diese sollen Unternehmen helfen, passende Angebote in ihr Gesundheitsmanagement zu integrieren, um Betroffene in den Wechseljahren zu unterstützen. Menosupport empfiehlt Unternehmen, eine ausführliche Wechseljahres-Strategie einzuführen, welche unter anderem die Sensibilisierung und Schulung von Führungskräften, Bedürfnisermittlung Betroffener durch Workshops und Gespräche sowie eine arbeitsplatzspezifische Maßnahmenentwicklung beinhaltet. Ihrer Evaluation lassen sich verschiedene Ansätze für Unternehmen entnehmen, den betrieblichen Rahmen für Betroffene zu verbessern: von flexibleren Arbeitszeitmodellen und angepassten Sportangeboten über psychologische- oder betriebsärztliche Betreuung bis hin zur Optimierung der Arbeitsbelastung und finanzieller Nachteilsausgleiche. Weiteres zur Evaluation findet ihr hier.
Wo es bei der Gesundheitsaufklärung hapert
(c) Helena Bizarmanis
Kaum zu glauben, aber wahr: Im Curriculum des Grundstudiums der Medizin werden die Wechseljahre nicht einmal thematisiert. Und auch von der Bundesregierung gibt es aktuell keine geförderten Initiativen oder Programme, welche Menstruierende bei der Bewältigung ihrer Symptome unterstützen. Weitere Informationen zur Politik der Bundesregierung hinsichtlich der Wechseljahre lassen sich einer Bestandsaufnahme entnehmen.
Neben der Verwechslungsgefahr mancher Symptome mit Krankheiten stehen viele Betroffene, die unter starken Beschwerden leiden, vor der Frage: hormonelle oder nicht hormonelle Behandlung. Während die einen auf Pflanzenpräparate wie Mönchspfeffer, Rotklee oder Yamswurzel zählen, berichten die anderen von erfolgreichen Hormonersatztherapien. Zusammengefasst können wir festhalten: Die Studienlage zur Wirksamkeit von Hormontherapien ist umstritten, die einen verweisen auf ihre Unbedenklichkeit, die anderen führen Studien zu erhöhtem Risiko von bestimmten Krebssorten und Herzkreislauferkrankungen an. Obwohl für eine risikoarme und wirksame Therapie eine Leitlinie existiert, fehlt zum Teil das Wissen bei Ärzt*innen und jenen, die starke Beschwerden haben. Für die meisten sind die Wechseljahre jedoch eine ganz normale Lebensphase, die ohne Medikamente und Therapien durchlebt werden kann.
Als sei das nicht genug Durcheinander, mangelt es zudem an Beratungsangeboten. Der von Gynäkolog*innen, Ärzt*innen, Berater*innen, Aktivist*innen und weiteren Betroffenen gegründete Verbund „Wir sind neun Millionen“ fasst in seinen Forderungen gut zusammen, dass Gynäkolog*innen die Beratung zum Umgang mit Wechseljahren nicht gesondert honoriert wird. Sie erhalten in einem Quartal lediglich eine Pauschale von circa 16 Euro pro Patient*in für alle Beratungsanliegen, weshalb eine gründlichere Behandlung ganz einfach als wirtschaftlich uninteressant gilt. Zudem offenbart eine Studie der Cambridge University, dass in Deutschland circa sieben Minuten Beratungszeit pro Patient*in bei Ärzt*innen vorgesehen ist – ganz schön knapp, oder?
Wird das Suchfeld nun auf private Beratungsangebote erweitert, stoßen Betroffene schnell auf einen neuen Hype der, wohl angemerkt hochpreisigen, „Hormonsprechstunden“. Auch Populärliteratur, wie beispielsweise der kontroverse Ratgeber „Woman on Fire“, geschrieben von der Gynäkologin Sheila de Liz, scheint allem Anschein nach seine Zielgruppe zu erreichen. Demnach müsste mit einem Cremchen hier und einem Pillchen dort, doch eine faltenfreie und ewige jugendliche Frische garantiert sein.
(c) Helena Bizarmanis
„Um der eigenen […] Gesundheit willen, aber auch für ein in Zukunft erfülltes Sexleben und die Partnerschaftshygiene würde ich nicht nur sagen, man kann etwas tun, sondern man muss etwas tun.“ So empfiehlt sie eine Hormonsalbe bei vaginaler Atrophie auch schon „bevor die Beschwerden beginnen“ anzuwenden. Sie hat wohl auch „Patienten die sich Östriolcreme unter die Augen schmieren, um Falten zu bekämpfen, und sie sehen phantastisch aus!“ Das dürfe sie als Ärztin aber nicht empfehlen, so falle es „unter die Rubrik Off-Label-Use“
– Sheila de Liz, im Kapitel „Behandlung und Vorbeugung der vulvovaginalen Atrophie“.
Klar, es gibt verschiedene Meinungen. Aber gerade weil die Studienlage zu Hormontherapien so unzureichend ist, sollte dringend beachtet werden, dass nicht alle Probleme immer durch die Einnahme von Hormonen gelöst werden. Viel wichtiger ist einzuordnen: Die Wechseljahre müssen thematisiert werden, es muss offenere Diskurse und endlich eine faktenbasierte Forschung geben.
“Sprechen wir drüber! – Eine feministische Perspektive auf die Wechseljahre”
Am 18.Oktober 2024 findet eine von der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) organisierte Veranstaltung zum Thema Wechseljahre statt. Schaut gerne vorbei, um mehr über die Veränderungen im Körper und die aktuelle Studienlage zu Risiken von Hormontherapien zu erfahren, sowie über politische Forderungen zur besseren Versorgung der Wechseljahre zu diskutieren. Weitere Informationen zur Veranstaltung findet ihr in unserem Kalender.
Weitere, von der Bundesregierung bereitgestellte Aufklärungsmaterialien zum Thema Wechseljahre und Wechseljahresbeschwerden findet ihr hier.
Schreibt uns gerne eure Erfahrungen, Meinungen & Anregungen in die Kommentare, um einen offenen Diskurs zu normalisieren.
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