Die Universität Bremen lädt im Zuge des alljährlichen Equal Care Day zu einem Podiumsgespräch ein. Die Open Space Veranstaltung möchte auf geschlechtsspezifische Verteilungsmuster von Sorgearbeit, von bezahlter und unbezahlter Arbeit, aber auch auf die Auswirkungen dieser Verteilung aufmerksam machen.
Studierende und Hochschuldozent*innen werden gemeinsam mit forschenden Expert*innen und Praxiserfahrenen zum Thema ‚We Care!‘ diskutieren.
Unter den Diskutierenden auf dem Podium ist Andrea Quick von der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau, ZGF Bremen. Wir haben sie vorab zum Thema befragt.
frauenseiten: Als Fachfrau für den Bereich Frauen und Arbeitsmarkt werden Sie bei We Care! mit von der Diskussionspartie sein. Arbeitsmarkt und Care-Arbeit, wie passt das zusammen?
Andrea Quick: Nur ein partnerschaftliches Erwerb- und Sorge-Arrangement sichert gleichberechtigte Erwerbschancen für Frauen und Männer. Die Diskussion um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist nicht neu. Wer arbeitet und „trotzdem“ Kinder und eine zufriedenstellende Life-Work-Balance haben möchte, muss auch die Möglichkeit haben, ohne Nachteile in der beruflichen Karriere und ohne sich total aufzureiben zwischen Job und Familie temporär aus- und dann wieder einzusteigen. Grundsätzlich muss es so sein, dass Sorgearbeit in der Erwerbsarbeit mitgedacht wird. Aktuell bekommen Menschen, die unbezahlte Sorgearbeit leisten, keinen finanziellen Ausgleich, weder für die aktuelle Situation, noch für die wirtschaftliche Sicherung im Alter.
frauenseiten: Aus gleichberechtigten Beziehungen hört frau immer wieder, dass das Verhandeln um die Care-Arbeit doch oft noch ein Verhandeln ist und das tatsächliche gleichberechtigte „Machen“ kein ungeschriebenes Gesetz ist. Sind wir noch am Anfang? Wie hat sich der Diskurs um das Thema Care-Arbeit verändert?
Andrea Quick: Die jüngeren Generationen, die jetzt auf den Arbeitsmarkt kommen, bringen eines mit: Sie wollen sich nicht mehr in einem 40-Stunden-Arbeitsverhältnis verhaften lassen, sondern legen mehr Wert auf die Vereinbarkeit zwischen Job und Privatleben/Freizeit. Dies ändert nicht automatisch etwas an der häuslichen Verteilung der CARE-Arbeit. Dieser Diskurs hat sich vor allem in den Medien verändert. Sorgearbeit wird als „Arbeit“ wahrgenommen, das ist neu. Allerdings wird dies noch nicht damit verknüpft, dass sie Geld wert ist. Noch immer hat die Person, die beruflich kürzer tritt, beim Wiedereinstieg Nachteile, was Bezahlung und Beförderung angeht. Da hilft auch Homeoffice nicht immer weiter. Vielleicht als Übergangslösung: Studien haben ergeben, dass die „typische“ weibliche Homeoffice-Angestellte die Arbeit von zu Hause aus mit Hausarbeit und Kinderbetreuung/Pflege verbindet, während der typisch männliche Homeoffice-Angestelle IT- oder Unternehmensberater ist und die Arbeit im häuslichen Umfeld nutzt, um nachts und am Wochenende virtuelle Präsenz und Leistungsbereitschaft zu signalisieren.
Die aktuelle Shell-Studie hat gezeigt, dass wir von einer Auflösung der traditionellen Rollenmuster weit entfernt sind. Solange junge Frauen sich als „Zuverdienerin“ begreifen und auf das Ernährermodell setzen, werden wir aus meiner Sicht keine bahnbrechenden Veränderungen bei der Aufteilung von Haus- und Sorgearbeit erleben.
frauenseiten: In einem Artikel schreibt Teresa Bücker: „Die erste Beziehungskrise verhindert die Spülmaschine, die zweite die Putzkraft. Während Männerkarrieren zunächst von Ehefrauen ermöglicht wurden, sind dies für Frauen heute Haushaltshilfen, Babysitter*innen und der Lieferdienst.“ Nicht jede Frau ist finanziell in der Lage die Care-Arbeit so zu verlagern. Wo sehen Sie Alternativen?
Andrea Quick: Aus meiner Sicht ist nichts dagegen einzuwenden, sich Hilfe zu organisieren für Hausarbeit, wenn diese vernünftig bezahlt wird. Von daher plädiere ich sehr für die Professionalisierung von haushaltsnahen Dienstleistungen. Wenn man sich diese Hilfe nicht leisten kann oder mag, liegt die Alternative in einer gleichberechtigten Partnerschaft auf Augenhöhe. Die kann man aber nicht verordnen, das geht nur über ein gesellschaftliches Umdenken. Frauen müssen sich noch viel mehr emanzipieren von den traditionellen Rollenmustern. Da zeichnet sich gerade eine Tendenz zum Rollback ab. Viele junge Frauen von heute haben erlebt, dass ihre Mütter sich aufgerieben haben für den Job und für das häusliche Familienmanagement. Das hat für einige abschreckende Wirkung, und sie entscheiden sich dann eher für das traditionelle Modell. Aus meiner Sicht wäre ein Ansatz, Arbeitszeiten zu verändern. Maximal 30-35 Stunden für alle, Arbeitszeitkonten, problemloser Wechsel von Vollzeit in Teilzeit und umgekehrt, keine Nachteile bei temporären Ausstiegen, flächendeckende, flexible Kinderbetreuung. Auch die Abschaffung des Ehegattensplittings ist längst überfällig Die Frage, ob ein/e Partner*in beruflich kürzer tritt, darf keine finanzielle sein! Für diejenigen, die nicht in einer Partnerschaft leben und Kind(er), Beruf und Haushalt unter einen Hut bekommen müssen, ist es natürlich schwieriger. Für Alleinerziehende könnte man über ein Gutscheinmodell für haushaltsnahe Dienstleistungen nachdenken, als Unterstützung für den Berufseinstieg zum Beispiel. Last but not least möchte ich auch an die Eltern, die heute Kinder erziehen, appellieren. Letztendlich sind sie es, die die Rollenmuster weitergeben. Ein junger Mann, der gelernt hat, zu kochen, das Klo zu putzen und auch mal auf Kinder aufzupassen, wird weniger Schwierigkeiten haben, ein gleichberechtigtes Modell zu leben als derjenige, der von CARE-Arbeit komplett verschont wurde.
Termin auf einen Blick
We Care! Für Wertschätzung und eine faire Aufteilung von Sorgearbeit.
Podiumsdiskussion mit: Andrea Quick (ZGF Bremen), Thomas Schwarzer (Arbeitnehmerkammer), Dr. Ruth Abramowski (SOCIUM), Dr. Christoph Fantini (Universität Bremen), Dr. Janina Glaeser (Referentin für Frauenpolitik der GEW) sowie Caterina Bonora (Frauen*streik Bremen).
Es soll gemeinsam diskutiert und weitergedacht werden.
Freitag, 21. Februar 2020
10:00 -14:00 Uhr
Ort: Universität Bremen, Mehrzweck-hochhaus (MZH), Ebene 1, Raum 1090
Um Anmeldung wird gebeten (sbastin@uni-bremen.de)
Hintergrund
Der Equal Care Day findet am 29. Februar statt und existiert seit 2016. Care-Arbeit ist oft wenig sichtbar. Der Tag selbst wird außerhalb der Schaltjahre am 1. März begangen. Care-Arbeit wird laut den Initiator*innen zu 80% von Frauen übernommen. So beschreibt das Datum auch die häufig fehlende Wahrnehmung in unserer Gesellschaft. Almut Schnerring und Sascha Verlan haben diesen Tag im Jahr 2016 ins Leben gerufen, seit 2018 wird er vom gemeinnützigen Verein klische*esc e.V. organisiert.
Renate Strümpel
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