Vom 5. Mai bis zum 11. August 2019 präsentieren das Gerhard-Marcks-Haus und die Museen Böttcherstraße die Werke von rund 50 Bildhauerinnen. Gezeigt wird vor allem die meist nicht gewürdigte Fertigkeit der Künstlerinnen aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Denn bis Mitte des 20. Jahrhunderts galt die Bildhauerei als die „unweiblichste aller Künste“. Klar war: Frauen haben in der Bildhauerei nichts zu suchen. Frauen in der Kunst, kombiniert mit körperlich schwerem Handwerk, das geht gar nicht!
Das ließen sich bedeutende Künstlerinnen wie Käthe Kollwitz, Clara Rilke-Westhoff, Lili Gräf, Gerlinde Beck und Renée Sintenis nicht sagen.
„Ich will wirken in dieser Zeit“ – Käthe Kollwitz Tagebuch, 4. Dezember 1922
Ihre und 100 weitere bedeutsame Werke sind in der Ausstellung zu bewundern. Diese sind thematisch unterteilt in Klischees, Hürde und Hindernis. Ich habe die Ausstellung besucht und besonders berührt haben mich die Themen unter dem Titel Mutter und Kind und Ernste Themen. Letzteres behandelt vor allem die Nachkriegszeiten und Kritikausübung an der Politik. Damals wurden Arbeiten wie Portraits, Darstellungen von Tieren, Kindern und Alltäglichem herabgewürdigt und als „niedere“ Arbeit abgewertet. Beschäftigte sich dann aber eine Künstlerin mit politischen Themen, „sprengte“ sie den Rahmen und wurde nicht ernstgenommen. In diesem Bereich hatten Frauen nichts zu suchen. Die Bildhauerei im Ganzen sei ja auch überhaupt nichts für Frauen. Frauen, die künstlerisch und handwerklich unterwegs waren – das soll sich mal einer vorstellen! Wenn schon Bildhauerei, dann doch lieber die Darstellung von Tieren und Kindern, denn das ist das, womit sich Frauen nun mal beschäftigen.
Pest und Cholera
Die Bildhauerinnen des 19. und 20. Jahrhunderts hatten in Bezug auf die Anerkennung ihrer Arbeit, nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. Führten sie ihre handwerkliche Kunst fort und beschäftigten sich dort mit Tieren oder Kindern, wurden sie mit großer Selbstverständlichkeit abgewertet; beschäftigten sie sich jedoch mit heiklen politischen Themen, wurden sie ebenfalls abgewertet, da diese Themen nicht „frauentauglich“ waren – anders als Tiere und Kinder. So oder so – ihre Arbeit wurde nicht gewürdigt.
Die vielfältigen Werke, die in den Ausstellungen zu begutachten sind, sind Schöpfungen mutiger Frauen ihrer Zeit. Trotz Missachtung oder geringer Wertschätzung ihrer Kunst, ließen die Damen sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen, ihr Handwerk auszuüben.
Gut! Denn nun hat das Gerhard-Marks-Haus und die Museen Böttcherstraße gemeinsam knapp 100 Werke, die sie ausstellen und würdigen können. Ein Zeichen: Eure Arbeit wird wertgeschätzt!
Widerspruch, Mitgefühl, Neugier
Ich muss zugeben, dass ich eine Impressionismus-Liebhaberin bin. Kunst muss für mich vor allem gut aussehen, farbenfroh und detailreich sein. Dann liebe ich sie. Von daher betrat ich das Gerhard-Marks-Hauses erstmal skeptisch. Aber alle Skepsis verrauchte augenblicklich. Ich bin beeindruckt, besonders von den kleineren Plastiken von Lili Gräf („Narr und Puppe“) und Dorothea Schaper-Barthels („Vorarbeiter“, siehe Bild). Die dreidimensionalen Werke hautnah vor mir zu sehen, lässt viele Reaktionen in mir hervorrufen, die mir über eine Fotografie der Werke entgangen wäre. Widerspruch, Mitgefühl, Neugier.
Ich habe immer gedacht, mich beeindruckt etwas Farbenfrohes, Großes, Massiges. Diese Ausstellung hat mir das Gegenteil bewiesen!
Hier ist für Kunstliebhaber*innen von realistischen, abstrakten, kleinen bis hin zu übergroßen Werken alles dabei!
Chiara Garbers
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