Ein Kunststück, wer mit dieser Grundeinstellung im Alltag bestehen will. Trotz ALG-II ist es möglich, sich von Fair-Trade-Lebensmitteln zu ernähren.
Jenny K.* lebt alleinerziehend mit ihrem Sohn in Bremen. 2009 hat sie sich im Zusammenhang verschiedener Krankheiten, auch bei ihrem Sohn, vermehrt mit ihrer Ernährung auseinandergesetzt: „Was soll in meinen Körper hinein und wie viel Gift ist dabei? Welche Ernährung kann unser beider Gesundheitszustand verbessern?“
Je mehr Bio, desto besser
Sehr schnell hat sie sich von herkömmlichen Lebensmitteln aus Supermärkten, wie zum Beispiel Tiefkühlkost oder Konserven verabschiedet, denn sie stellte fest, dass die Krankheiten mit Bio-Nahrungsmittel zurückgingen. „Je mehr Bio, desto besser, frisch gemahlenes Mehl, geschrotetes Getreide, Bio-Milch, frisches hiesiges Obst und Gemüse gehören jetzt selbstverständlich und elementar zu meinem Leben.“ Jenny K. schloss sich einer Food-Coop an. Hier kommen Menschen zusammen, die bevorzugt von regionalen ErzeugerInnen Bio-Lebensmittel beziehen. Nicht regionale Produkte werden nach Möglichkeit „Fair Trade“ bestellt.
Lügen auf Verpackungen
Im Moment lebt K. von ALG-II. Jetzt muss sie mit einem sehr viel geringeren Geldbetrag sich und ihren Sohn versorgen. Sie spürt, dass ALG-II und Bio-Essen sowie fair gehandelte Produkte nicht wirklich vereinbar sind: „Doch ich würde es nicht riskieren, dass sich unser jeweiliger Gesundheitszustand wieder verschlechtern würde. Außerdem würde ich gegen mein Weltbild, gegen mein politisches Selbstverständnis handeln. Inzwischen finde ich mich in den Supermärkten auch nicht mehr zurecht. Ich will die Lügen, die auf den Verpackungen draufstehen nicht mehr lesen. Ich werde wütend, dass mein Kind angefixt wird, eine bestimmte Süßigkeit zu kaufen, um Punkte zu sammeln und dafür dann ein Käppi bekommt. In der Food-Coop habe ich mit dieser Art Konsum nichts zu tun, hier fühle ich mich selbstbestimmter.“
Bio-Würstchen zum Geburtstag
Jenny K. hatte beim Jobcenter einen Mehrbetrag wegen ‚aufwändiger Ernährung aus gesundheitlichen Gründen‘ beantragt. Dies wurde abgelehnt, ebenso der Widerspruch mit der Begründung, dass Bio-Ernährung im Regelsatz enthalten ist. „Jetzt zahle ich jeden Monat einen Betrag vom ersparten Geld dazu, das ich auch für eine Ausbildung nutze.“
Selbstverständlich würde sie auch Kinderbekleidung aus zweiter Hand kaufen oder ihre Kleidung im Umsonst-Laden besorgen. Sie hat kein Auto, erledigt alles mit dem Fahrrad, und macht viele Sachen selbst. Denn „der Hauptteil des Geldes vom Jobcenter geht für gesundes Essen weg. Dabei lebe ich noch nicht einmal vegetarisch, wobei ich es toll finde, wenn Menschen konsequent vegan leben. Ab und an gönne ich es meinem Kind und mir Fleisch zu essen, zum Beispiel eine Bolognese mit Bio-Heidschnucken-Hackfleisch vom regionalen Erzeuger. Und wenn mein Sohn es sich zum Geburtstag wünscht, gibt es auch Bio-Würstchen. Er darf, weil es in der Klasse gerade ‚in‘ ist, auch Dinge aus dem Supermarkt essen. Genauso freut er sich aber auch über Tomaten, bei deren Setzaktion er auf dem Bauernhof dabei war. – Dies ist mein Lebenshintergrund, mit dem ich sehr zufrieden bin.“
* Name geändert
Angelika Behnk
Markus meint
Viele meiner Freunde meinen, faire und biologische Produkte würden das vielfache von herkömmlich produzierten Produkten kosten (was nicht stimmt). Keiner denkt aber soweit, einfach weniger Konsumgüter zu kaufen. Ich persönlich kaufe beispielsweise auch nicht nur Fairtrade Kleidung. Nachhaltigkeit unterstütze ich auch mit dem Kauf beim Second-Hand Laden.