Das TanzKollektivBremen beschäftigt sich im Stück „Dialog der Körper“ mit der Wahrnehmung von Körpern. Das Stück wurde an drei Tagen im Juni 2019, vom 21.6. – 23.6. in der Bremer Schwankhalle aufgeführt.
Die Duette
Im Stück werden mehrere Sequenzen gezeigt. Zwei Duette bilden die Struktur. Im ersten Duett „Pas des deux“ beschäftigen sich Magali Sander Fett und Miroslaw Zydowicz mit dem gleichnamigen Tanz aus dem klassischen Ballett Ende des 19. Jahrhunderts. Die im Tanz vorgegebene Rollenverteilung zwischen Mann und Frau wird von beiden Tänzer*innen aufgebrochen. Hierbei hinterfragen sie die klassischen Ausdrucksformen, indem sie zeitgenössische Tanzelemente radikal über die alten Vorstellungen stülpen. Zwei Menschen auf der Bühne. Sie zeigen uns: Dinge sind anstrengend, aber auch lustig. Sie überzeichnen ihre Bewegungen. Es gibt Phasen von überzeichnetem Tanz sowie Phasen von Ballett. Außerdem entstehen Standbilder, die mit Lautsprecheransagen untermalt sind. Die folgenden Szenen beschäftigen sich mit verschiedenen Fragestellungen. Mal zieht die Tänzerin einen Ballettschuh an und geht in die Interaktion mit ihrem Gegenüber. Aus dem Off kommt die Aufnahme „Stop now, Stop. We have to start all over again.“ Wenige Requisiten kommen zu Tage. In einer Szene entsteht durch Stühle auf der Bühne auch eine sitzende Choreographie.
Wiederholung
Allgemein zeigt der stark wiederholende Charakter der Performance, wie stark die Körper beansprucht werden. Dies passiert sehr intensiv, auch wenn es sitzend vorgetragen ist. Gute Mine zum harten Spiel? Was leicht aussieht, braucht viel Arbeit. Es ist nur der Anschein. Und so berieseln uns wieder harte Tanzansagen. „I see you, but I didn’t see you see him“ oder „Create atmosphere around yourself“. Gleich wechseln wir wieder zu einer neuen Szene. Hier entsteht ein Austausch zwischen dem tanzenden Duo auf einem Fernsehbildschirm und den zwei Tanzenden auf der Bühne. Eine verschobene Gleichzeitigkeit, die fast perfekt ist. Damit sind wir bei einem der tiefen Themen des Stückes „Dialog der Körper“. Das harte Brot der Perfektion. Jenes Brot, das die Tänzer*innen schon in ihrem Werden und in ihrer Ausbildung begleitet und nie aufhört. Damit wären wir in der Geschichts-Sequenz. Tanzgeschichte. Die Tänzer*innen stützen oder tragen sich gegenseitig. Sie spendet Trost, sie trägt ihn. Damit verschwimmen Grenzen. Eine Bewegung entsteht, die wie eine musikalische Fernsteuerung funktioniert. Die Antwort auf das Warum ist nicht einfach. Es entsteht Chaos und tiefe Berührung.
Austausch in minimalem Setting
Im zweiten Teil namens „One“ verbinden sich Shakespeares Liebes-Sonette mit dem Tanz von Miroslaw Zydowicz. Er tanzt mit sich, während rezitierte Sonette eingespielt werden. Diese wurden von dem polnischen Schauspieler Wojciech Królikiewicz eingesprochen. Der Schauspieler ist an Chorea Huntington erkrankt, eine Krankheit, die auch als Veitstanz bezeichnet wird. Eine unheilbare erbliche Erkrankung des Gehirns, die typischerweise durch unwillkürliche, unkoordinierte Bewegungen bei gleichzeitig schlaffem Muskeltonus gekennzeichnet ist. So sind Kontrollverlust und Suche nach Liebe zentrales Thema des Solos.
Ich gehe immer wieder spazieren und merke, wie ich mein inneres Sein verliere und zum gesellschaftlichen Körper werde, nicht länger ich selbst bin. Nora Amin
Das TanzKollektivBremen hat mit „Dialog der Körper“ den Zuschauer*innen über die Motive von Überraschung und Wiederholung vielschichtige Zugänge zur eigenen Körperwahrnehmung angeboten. Ein Stück das nachwirkt.
Über das TanzKollektivBremen
Gegründet im Jahr 2013, versteht sich das Kollektiv als eine Plattform für zeitgenössischen Tanz. Die Gründungsmitglieder sind ehemalige Ensemblemitglieder vom Bremer Tanztheater/Urs Dietrich: Tomas Bünger, Miroslaw Zydonwicz und Magali Sander Fett. Fokus der Arbeit ist es, in Zusammenarbeit mit Künstler*innen anderer Sparten neue performative Formate zu entwickeln, sie gar auch in anderen Räumen auszuloten. Damit möchte das TanzKollektivBremen an die Tradition des Bremer Tanztheaters anknüpfen.
Besetzung
CHOREOGRAPHIE & TANZ Magali Sander Fett, Mirosław Żydowicz
KÜNSTLERISCHE LEITUNG Tomas Bünger
BÜHNENBILD/VIDEO Till Botterweck
PRODUKTION TanzKollektivBremen
Koproduktion: Schwankhalle
Gefördert vom Senator für Kultur Bremen
Renate Strümpel
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