Wie melde ich mein Kind im Kindergarten an? Wie finde ich eine Hebamme? Gibt es inklusive Beratungsangebote für die Schulferien? Auf diese und noch mehr Fragen versucht das Team vom familiennetz bremen Antworten zu finden – und ist damit erfolgreich. Seit nun 20 Jahren ist das familiennetz Anlaufstelle in Bremen für Belange rund um das Thema Familie.
“Interessensvertretung familiärer Belange”. So beschreibt Anja Lohse, Leiterin des familiennetz bremen, ihre Arbeit in drei Worten – und trifft es damit, meiner Meinung nach, ziemlich gut. Das familiennetz ist eine gemeinnützige Organisation und bietet anonyme und kostenfreie Beratung zu familiären Themen an. Auf der Website sind Angebote von mehr als 1000 Bremer Einrichtungen gebündelt. Als Internetportal vernetzt und berät das familiennetz zudem Fachkräfte. Anfang Juli habe ich das familiennetz in der Doventorstraße 6 besucht.
Von Anfang an
Anja Lohse ist Diplom-Pädagogin mit systemischer Zusatzqualifikation. Vor der Gründung des familiennetz war sie viele Jahre beim Kinderschutzbund. Dort habe sie gemerkt, dass es ausschließlich “Komm-Strukturen” gegeben habe: “Die Leute sind mit bestimmten Anliegen zu uns gekommen”, erzählt Anja Lohse in unserem Gespräch. “Für uns war klar, dass wir mehr präventive Angebote machen wollten”, so Lohse weiter. 1996 gründete sie das bis heute bestehende Grundschulprojekt Kindernot braucht Lösungen. Schulen seien geeignete Orte für die Umsetzung von Präventivmaßnahmen, da dort verschiedene Gruppen zusammentreffen: Eltern, Kinder, Lehrer*innen und andere Fachkräfte. “Unsere Hauptbotschaft war es, zu sagen, dass es im Miteinander und im Zusammenleben Schwierigkeiten gibt. Dann ist es gut, von Unterstützungsmöglichkeiten zu wissen”, erklärt Lohse. Gemeinsam mit der senatorischen Behörde überlegte Anja Lohse, wie der Zugang zu Bildung und Förderung für Familien erleichtert werden kann. Dies war der Weckruf zur Gründung des familiennetzes, welches 2003 als Bundesmodellprojekt an den Start ging.
Unser Auftrag war eine Stelle, die die Familienbildung so koordiniert, dass sie gesellschaftliche Veränderungen berücksichtigt. Durch gesellschaftliche Veränderungen verändern sich auch die Bedarfe von Familien.
Anja Lohse
In den letzten 20 Jahren habe sich viel verändert, sagt Lohse. Der Leistungs- und Organisationsdruck sei für Familien größer geworden. Dadurch, dass es unterschiedliche Lebensentwürfe und Lebensformen gibt, die inzwischen selbstverständlicher geworden sind, habe sich das Leben für Familien allgemein verändert. Umso wichtiger sei daher, dass Menschen nicht nur von den Angeboten wissen, sondern sie bestenfalls auch nutzen.
Ein abwechslungsreicher Arbeitsalltag
Die Tätigkeitsfelder lassen sich in zwei Sparten unterteilen. Zum einen gibt es Aufgaben, die kontinuierlich anstehen, wie der fachliche Austausch in Netzwerken zu bestimmten Themengebieten. Dazu zählen beispielsweise Hilfen für Alleinerziehende, Väterarbeit und Kinderschutz. “Eine breite Palette”, sagt Anja Lohse. Zum Alltagsgeschäft gehören neben der Aktualisierung von Daten auch Erstberatung, Informationsweitergabe und die Betreuung der Social Media Accounts. Zum anderen gibt es temporäre Aufgaben wie zum Beispiel den bremer ferienkompass. Dieser bietet eine Übersicht zu Angeboten für Kinder und Jugendliche während der Schulferien. Außerdem gibt das familiennetz die “Willkommen in der Familie”-Mappe an Eltern von Neugeborenen aus. Darin finden sich Informationen und Flyer zu Einrichtungen, Anlaufstellen und vielem mehr.
Der Familienbegriff hat für uns eine soziale Funktion. Da, wo Menschen für andere Menschen Verantwortung übernehmen, sprechen wir von Familie.
Anja Lohse
Nicht nur Familien gehören zur Zielgruppe vom familiennetz, sondern auch Multiplikator*innen und Fachkräfte. Diese seien oft die Türöffner für Familien, um Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen. Das familiennetz kooperiert sowohl mit Familienbildungsstätten als auch mit Unternehmen und ärztlichen Einrichtungen wie Logopädie- und Ergotherapie-Praxen. Diese sind wichtige Institutionen, die Informationen an Familien weitertragen. Des Weiteren gibt es die Fachbox. Diese richtet sich an Fachkräfte und ist dafür da, den Wissensaustausch und die Vernetzung untereinander zu stärken. Letzteres sei eine wesentliche Aufgabe, so Anja Lohse, da es effizient sei, wenn Expert*innen aus verschiedenen Bereichen miteinander vernetzt sind. Um diese Vernetzung zu stärken, gibt es das Angebot, an Fachkreisen teilzunehmen. “Was ich leidenschaftlich verfolge, ist die Frage danach, wie wir den Dialog zwischen Akteur*innen aus Verwaltung, Politik und Behörden mit den Menschen vor Ort befördern können”, berichtet Anja Lohse. Wichtige Aspekte erfolgreichen Arbeitens seien das Voneinander-Profitieren und das Gut-Verdrahtet-Sein.
Ein Blick in die Zukunft
“Ich wünsche mir grundsätzlich die Aufwertung von Familie und Familienleben”, resümiert Anja Lohse. Dazu gehöre eine Aufwertung von Care-Arbeit, eine Verbesserung von Vereinbarkeit von Beruf und Familie, eine bessere Infrastruktur, eine flexiblere und verlässlichere Kinderbetreuung, verbesserte Bildungssysteme und eine Sicherstellung von Beratungsangeboten. Diese Forderungen seien bekannt, man höre sie schon seit Jahren. Man wisse um die fehlende Geschlechtergerechtigkeit. Es sei jetzt an der Zeit, einfach mal anzufangen. Das heiße aber auch, das Thema Familie auf einen finanziellen Sockel zu stellen.
Gesellschaft ist Familie. Wenn wir nicht anfangen, bessere Voraussetzungen zu schaffen, wenn wir nicht in den hohen Leistungsdruck, unter dem Familien stehen, intervenieren, dann haben wir wirklich ein Problem. Familie ist der Kitt unserer Gesellschaft.
Anja Lohse
Anja Lohse und ihr Team setzen sich als familiennetz seit 2003 für Familien in Bremen ein. Wir stoßen mit ihnen auf das 20-jährige Jubiläum an und wünschen alles Gute für die Zukunft.
Jana Keller
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