Die frauenpolitische Broschüre zur Bürgerschaftswahl 2015 gibt es in der ZGF.
Bei der Erwerbstätigenquote sind Frauen in Bremen im Bundesvergleich weit abgeschlagen, im Alter müssen sie mit einer um 60 Prozent geringeren Rente als Männer auskommen: Dies sind nur zwei Beispiele für die Lebenssituation von Frauen im Land Bremen, die auch in der nächsten Legislaturperiode auf die politische Agenda gehören. “Die wachsende Armut und die Bekämpfung ihrer Ursachen müssen Kernthemen der neuen Regierung sein”, sagte Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe am Freitag (27. März 2015) bei der Vorstellung eines Papiers der Gleichstellungsstelle (ZGF), das zur Bürgerschaftswahl am 10. Mai 2015 die drängenden frauenpolitischen Handlungsfelder aufzeigt. Denn: “Frauen sind von Armut häufiger bedroht und betroffen als Männer und das hat strukturelle Ursachen.”
Unter dem Titel “Zum (guten) Leben genug?” sind für die Bremer Bürgerschaftswahl und die Bremerhavener Wahl zur Stadtverordnetenversammlung die Fakten und Forderungen formuliert, die aus Sicht der Frauenbeauftragten in den Feldern Arbeit und Wirtschaft, Bildung, Gewalt und Gesundheit in der kommenden Legislaturperiode verstärkt in den Blick genommen werden müssen. Ulrike Hauffe: “Es geht darum, die Situation von Frauen im Land Bremen zu verbessern und damit die ihrer Kinder und Familien. Damit alle – Frauen wie Männer, Mädchen wie Jungen – zum guten Leben genug haben.”
Fakten und Zahlen zeigen: Es gibt dringenden Handlungsbedarf
Zahlen belegen, dass Frauen einem größeren Armutsrisiko als Männer ausgesetzt sind. Nur 64 Prozent der erwerbsfähigen Frauen im Land Bremen haben einen bezahlten Arbeitsplatz. Sie bekommen im Schnitt 25 Prozent weniger Geld für ihre Arbeit. “Diese Fakten sind leider allesamt nicht neu”, erklärt die Landesfrauenbeauftragte. “Umso mehr gilt es, sie in den Fokus zu nehmen. Tätigkeiten im Dienstleistungs- und Care-Bereich müssen angemessen vergütet werden. Frauen stecken nach wie vor für Familien- und Sorgearbeit beruflich zurück, arbeiten überproportional in befristeten, in Teilzeit- oder Minijobs. Damit ist ihr Armutsrisiko erheblich.” Ein besonderes Augenmerk müssen die politischen Akteurinnen und Akteure laut Hauffe auf die in Bremen besonders große Gruppe der arbeitslosen Alleinerziehenden – mehr als 90 Prozent sind Frauen – legen. Auch Frauen mit Migrationshintergrund haben am Arbeitsmarkt schlechtere Chancen.
Es ist wichtig, die Wege zu existenzsichernder Beschäftigung für Frauen zu flankieren: Auch Frauen brauchen gezielt Zugänge zu hochwertigen Arbeitsplätzen. Beratungs- und Qualifizierungsangebote müssen erhalten und weiterentwickelt werden. Dass Geschlechterrollen nach wie vor bei der Berufswahl eine gewichtige Rolle spielen, haben jüngste Studien wie der OECD-Bildungsbericht 2015 erneut belegt. “Die Berufsorientierung an Schulen und an der neu geschaffenen Jugendberufsagentur muss dies vermehrt in den Blick nehmen und explizit beide Geschlechter auf die ganze Bandbreite aller Berufe orientieren. Die Geschlechterfrage darf hier nicht nebenher laufen.” Die Zugänge von Mädchen und Frauen in die MINT-Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) müssen gestärkt werden.
Auch die Frage der Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsarbeit bleibt eine Herausforderung: Hier gilt es, Kinderbetreuung nicht nur für die Kleinsten, sondern auch für Schulkinder weiter auszubauen und flexibler zu gestalten. Und: “Unternehmen sollen gute Rahmenbedingungen und Beratung finden, wenn sie eine familien- und lebenslauforientierte Personalpolitik etablieren und weiterentwickeln, die eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt schafft.”
Frauenhausfinanzierung auf solide Beine stellen
Als eine weitere wesentliche Aufgabe der kommenden Regierung sieht die Landesfrauenbeauftragte die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Sie trifft Frauen aus allen Schichten. Neben der zu verbessernden strafrechtlichen Verfolgung von Gewalttaten und der langfristigen Sicherung von Beratungs- und Unterstützungsangeboten steht hier die verlässliche Absicherung der Frauenhäuser in Bremen und Bremerhaven ganz oben auf der Agenda. “Eine Umstellung ihrer Finanzierung weg von der Kostenerstattung über Tagessätze bleibt wichtigste Aufgabe”, so Hauffe. Derzeit werden die Frauenhäuser in Bremen über Tagessätze finanziert. Das heißt, sie bekommen fallbezogen Geld, wenn Frauen vor Gewalttätern bei ihnen Schutz suchen. Notwendig und bedarfsgerecht ist eine Förderung, die die Existenz der Frauenhäuser unabhängig von aktuellen Belegungszahlen sichert. Ulrike Hauffe: “In der Tagessatzfinanzierung verbirgt sich eine perfide Logik: Je mehr Gewalt geschieht, je mehr von Gewalt betroffene Frauen Schutz suchen, desto auskömmlicher ist die Finanzierung. Der darin implizierte Umkehrschluss, keine durchgängige Auslastung bedeute keine Gewalt, ist zwar wünschenswert, aber unrealistisch. Die Schutzräume der Frauenhäuser müssen grundsätzlich vorgehalten werden, unabhängig von aktuellen Belegungszahlen. Mit der jetzigen bürokratischen und nicht verlässlichen Finanzierung werden die Strukturen und das Engagement der Mitarbeiterinnen ausgehöhlt.”
Frauenpolitische Baustellen aufzeigen
Die ZGF legt mit der Broschüre “Zum (guten) Leben genug?” erneut frauenpolitische Wahlprüfsteine vor. “Es hat inzwischen Tradition, dass wir vor jeder Wahl in Bremen die frauenpolitischen Baustellen aufzeigen und Handlungsmöglichkeiten aufzeigen”, so Ulrike Hauffe. “Das gehört zu unserem Auftrag: Die Strukturen, die Frauen nach wie vor schlechter stellen, müssen benannt und Lösungsansätze skizziert werden, auch mehr als 65 Jahre nachdem die Gleichberechtigung von Mann und Frau ins Grundgesetz geschrieben worden ist.”
Alle Fakten und frauenpolitischen Forderungen – für Stadt und Land Bremen sowie explizit auch für Bremerhaven – finden Sie auf der Internetseite der ZGF als Kurzversion sowie mit einer ausführlichen Analyse: www.frauen.bremen.de/info/wahl2015
Zudem hat die ZGF die vier Bürgerschaftsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU und Die Linke um ihre Stellungnahme zu den Themen Frauenhausfinanzierung, Berufsorientierung und der Situation Alleinerziehender gebeten.
Diese finden Sie hier: www.frauen.bremen.de/info/fragen_zur_wahl2015
Ronja meint
Ja, Du hast recht, der Mindestlohn – in Bremen 8,80 € – hilft insbesondere den Frauen. Und das ist prima.
Die Minijobs, die in der ZGF-Broschüre beschrieben sind, sind eine bedeutende Falle. Es ist erforscht, dass sie KEIN Weg ins Normalarbeitsverhältnis sind, wie so häufig argumentiert wird. Sondern sie sind eine Falle, in der die Frauen steckenbleiben. Ich finde: Sozialversicherungspflicht ab dem 1. Euro!
Birgit meint
Erschreckend, dass Frauen (immer noch) das ärmere Geschlecht sind, besonders in Bremen. Ich finde es wichtig, zu wählen, nicht nur, weil sonst AFD und Co. so viele Stimmenanteile bekommen. Sondern auch, weil Politik was verändert, auch wenn es mühsam ist. Für Frauen z.B. ist der Mindestlohn ein Gewinn, weil die meisten Menschen, die unter Mindestlohn arbeiten mussten und z.T. ja immer noch müssen, Frauen sind.
Jette meint
Hey, prima! Danke! Hilft mir beim Meinungsbilden!