Schlagwort-Archive: landleben

Wo sich Eisbär und Grönlandhai guten Tag sagen

Cover mit Landschaft und HausJoachim B. Schmidt, Kalmann

Kalmann ist 33 und lebt in Raufarhöfn, einem Nest auf Island, zu dem man „am Ende der Welt links abbiegen“ muss, wie es seine Mutter beschreibt. Sie ist die zweitwichtigste Person in seinem Leben, aber die allerwichtigste ist der Großvater, von dem Kalmann alles gelernt hat, was ihm wichtig ist: Schneehühner und Polarfüchse jagen, Grönlandhaie fangen und zu Gammelhai zu verarbeiten. Vor allem hat ihm der Großvater erklärt, dass er zwar etwas zurückgeblieben ist, aber dass das eigentlich egal ist. Er lebt inzwischen allein, kommt mit allen gut aus und macht sich über alles in der Welt so seine eigenen Gedanken. Wenn er mal gehänselt wird, dass er den IQ eines Schafs habe, beunruhigt ihn das kein bisschen: Schafe können ja gar keinen IQ-Test machen!

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Landleben im Niedergang

Buchcover, Bauer zieht ein Rind hintersich her

Cover (c) Penguin Verlag

Dörte Hansen, Mittagsstunde

Gerade habe ich bemerkt, dass ich zum ersten Mal von einer Autorin ein zweites Buch vorstelle. Und das ist natürlich kein Zufall. Der neue Roman von Dörte Hansen knüpft an ihr erfolgreiches Buch „Altes Land“ an  – und doch wieder nicht. Wie gut sie schreiben kann, wussten wir ja bereits von ihrem ersten Roman , wo sie in wunderbar leichtem spöttischen Ton erzählt, wie alle ihr Fett wegkriegen, Städter wie Landvolk, wo die jeweiligen Mythen mit viel Witz zerstört werden. Und wo doch eine freundliche Färbung auf allem liegt. Aber wer gedacht hat, Hansen würde da einfach in Neuauflage weiter erzählen, der hat sich geirrt. Diesmal kriegen wir ein härteres Kaliber der norddeutschen Tiefebene zu spüren, wo die tröstlichen Momente ziemlich rar sind. Eine tiefe Melancholie durchweht hier das friesische Land, das von Wind und Wetter geschliffen und gebeugt wird. Und wo der Mensch selten die Hauptrolle spielt. Weiterlesen

Landleben als grüne Hölle

Alina Herbing: Niemand ist bei den Kälbern

grüne Gummistiefel

Umschlaggestaltung: Büro Jorge Schmidt, München/Umschlagmotiv: © Simon Belcher/Getty Images

Christin ist Anfang zwanzig und wohnt irgendwo im Niemandsland in Meck-Pomm. Sie ist zu ihrem Freund Jan gezogen, und viele Alternativen hatte sie auch nicht: keine Ausbildung, Vater Alkoholiker, Mutter abgehauen. Eigentlich will sie ja auch mit Jan zusammen sein, aber nicht mit allem, was an ihm dranhängt: ein Milchviehbetrieb in ständiger Finanznot, Jans autoritärer Vater, der nichts von ihr hält und sie herumkommandiert, dessen blasse schwangere Lebensgefährtin; der Stallgeruch, der kaputte Trecker und das ewige Melken zu nachtschlafender Zeit. Kirschlikör, kleiner Feigling und anderer Schnaps dieser Sorte sind Christins verlässliche Begleiter. Sie mogelt sich mit kleinen oder auch dicken Lügen durch den Alltag. Die Dorffeste mit den herumhängenden Jugendlichen machen die Tristesse auch nicht besser, es wird gesoffen, gekokst und ´ne schnelle Nummer geschoben, so war es bisher auch bei Christin: Niemand kommt raus, nichts ändert sich für sie, weder mit noch ohne Jan. Weiterlesen