Archiv der Kategorie: Biografie

Liebe in Zeiten der Besatzung

Randi Crott, Lillian Crott Berthung:
Erzähl es niemandem!

2009 reist Randi Crott nach Nordnorwegen, wie schon oft in ihrem Leben. Diesmal hat sie jedoch etwas Besonderes im Gepäck: die Urne mit der Asche ihres Vaters. Erst als junge Frau hat sie von den jüdischen Wurzeln ihrer Familie erfahren und sich auf Spurensuche begeben.

Das ist der Beginn dieses dokumentarischen Buchs, das im Untertitel heißt: „Die Liebesgeschichte meiner Eltern“. Und diese Geschichte beginnt 1942, mitten im Zweiten Weltkrieg. 1940 hat die deutsche Wehrmacht Norwegen unter Verletzung von dessen Neutralität überfallen, um England am Eingreifen durch See- und Luftstreitkräfte zu hindern. Dennoch werden die deutschen Besatzungstruppen zunächst zwar als ungebetene Eindringlinge, aber nicht als solche brutalen Besatzer wahrgenommen, wie es an der Ostfront der Fall war. So lässt sich vielleicht auch erklären, dass es zu einer Einladung von zwei deutschen Soldaten auf die Hütte der Familie Berthung gekommen ist, Lillians Familie. Weiterlesen

Zwei Künstlerbiografien

Buchcover, gemaltes Frauenportrait

(c) Penguin Verlag

David Foenkinos, Charlotte
Hans Joachim Schädlich, Felix und Felka

Nein, eine amüsante und entspannende Lektüre versprechen die Bücher nicht, weder das eine noch das andere. Von allem Anfang ist klar, dass sie nicht gut ausgehen, auch nicht ein bisschen, ihr Ende ist Auschwitz.

Aber es gibt noch anderes, das die Bücher verbindet: Bei beiden ist die Hauptfigur ein*e Künstler*in, es handelt sich um eine Form der Künstlerbiografie. Weiterlesen

Kakophonie

Buchcover mit Mann mit Aktentasche

(c) Kiepenheuer und Witsch

Julian Barnes, Der Lärm der Zeit

Wie eine Partitur blättert Barnes das Leben des Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch (1906-1975) auf, vom jungen Mann, der „Auf der Treppe“ steht, zu dem erfolgreichen Vertreter seines Staates „Im Flugzeug“ bis zu dem alten Mann „Im Auto“.

Als er „Auf der Treppe“ steht, ist Schostakowitsch schon ein erfolgreicher Komponist, dessen Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ im In- und Ausland bejubelt wird. 1936, in einem Schaltjahr, besucht Stalin die Oper, zusammen mit Molotow,Mikojan und Schdanow. Stalin verbirgt sein Gesicht hinter einem Vorhang, die Regierungsloge liegt über dem Schlagzeug und den Blechbläsern, und die sind die Anführer einer infernalisch lauten Musik. Stalin verlässt die Oper. Am übernächsten Tag erscheint in der Prawda der Artikel „Chaos statt Musik“, er wird Stalin zugeschrieben. In dem Artikel wird die Musik scharf abgelehnt, vor allem aber wird sie dem „Formalismus“ und „Linksabweichlertum“ zugerechnet. Das sowjetische Publikum erwarte eine melodiöse, romantische Musik. Schostakowitsch wird aus dem Komponistenverband ausgeschlossen, seine Oper darf nicht mehr gespielt werden, Weiterlesen

Familiengeschichten

 Adriana Altaras, Titos Brille. Die Geschichte meiner strapaziösen Familie

 Adriana_Altaras_Titos_BrilleTrug Marschall Tito – ja, um den handelt es sich – überhaupt eine Brille? Jedenfalls hat der Vater sie ihm repariert und Anlass für ihr Erzählen ist der Tod ihrer Eltern. Sie ist mit der Nachlassverwaltung betraut, eine Mammutaufgabe, da die Eltern seit ungefähr 40 Jahren kein Zettelchen weggeworfen haben. Für Altaras Zeit zum Sinnieren, für Wutausbrüche, für Tränen, zum Selbstmitleid und zum Aufblühen ihrer Stauballergie. Weiterlesen