Schlagwort-Archive: Liebe

Liebe in Zeiten der Besatzung

Randi Crott, Lillian Crott Berthung:
Erzähl es niemandem!

2009 reist Randi Crott nach Nordnorwegen, wie schon oft in ihrem Leben. Diesmal hat sie jedoch etwas Besonderes im Gepäck: die Urne mit der Asche ihres Vaters. Erst als junge Frau hat sie von den jüdischen Wurzeln ihrer Familie erfahren und sich auf Spurensuche begeben.

Das ist der Beginn dieses dokumentarischen Buchs, das im Untertitel heißt: „Die Liebesgeschichte meiner Eltern“. Und diese Geschichte beginnt 1942, mitten im Zweiten Weltkrieg. 1940 hat die deutsche Wehrmacht Norwegen unter Verletzung von dessen Neutralität überfallen, um England am Eingreifen durch See- und Luftstreitkräfte zu hindern. Dennoch werden die deutschen Besatzungstruppen zunächst zwar als ungebetene Eindringlinge, aber nicht als solche brutalen Besatzer wahrgenommen, wie es an der Ostfront der Fall war. So lässt sich vielleicht auch erklären, dass es zu einer Einladung von zwei deutschen Soldaten auf die Hütte der Familie Berthung gekommen ist, Lillians Familie. Weiterlesen

Im Rausch der Warenwelt

Junge Frau mit Sonnenschirm

Skizze von Menzel 1890

Emile Zola, Das Paradies der Damen

Was für eine Geschichte, meine Damen Leserinnen! Ich verwette mein letztes Hemd, dass ihr euch aufs Feinste amüsieren werdet. Denn wo bekommt man eine haarscharfe Kritik des Raubtierkapitalismus, eine amüsante Analyse der feinen Pariser Gesellschaft und eine zuckersüße Soap in einem?! Aber eins nach dem anderen.

Die Lage
Paris gegen Ende des 19. Jahrhunderts: Handel und Gewerbe befinden sich in einem tiefgreifenden Wandel. Der kleine Einzelhandel wird von der Konkurrenz aufstrebender großer Kaufhäuser erdrückt, die als strahlende Paläste das weibliche Publikum in seinen Bann ziehen. Weiterlesen

Ein Junge, seine Mutter und seine drei Väter

Buchcover mit junger Frau die sich kämmtMeir Shalev, Judiths Liebe

Ein Dorf in Israel in den 40er Jahren: Ein Junge wird geboren und erhält von seiner Mutter Judith den Namen Sejde, das bedeutet „Großvater“. „Wenn der Todesengel kommt und ein kleines Kind sieht, das Sejde heißt, merkt er sofort, dass hier ein Irrtum vorliegt, und geht woandershin“, erklärt Judith den befremdlichen Namen. Noch befremdlicher aber ist, dass der Junge drei Väter hat – leibliche Väter wohlgemerkt. Sie haben ihm vielerlei mitgegeben: Vom Bauern Mosche Rabinowitz hat er den Hof und das blonde Haar geerbt, vom Kanarienvogelzüchter Jakob Scheinfeld ein Stadthaus und die hängenden Schultern und vom Viehhändler Globermann einen Batzen Geld und die riesigen Füße. So beginnt die Geschichte, erzählt von Sejde als erwachsenem Mann, und schon werden wir in den Bann  fantastischer Ereignisse gezogen. Weiterlesen

Drei Tage mit dem Tod

Buchcover mit drei gezeichneten schwarz-weiß Figuren

(c) Kiepenheuer Witsch

Thees Uhlmann, Sophia, der Tod und ich

Was für ein intelligentes, witziges, nachdenkliches Buch!
Der Ich-Erzähler ist einer von denen, die man nicht wirklich bemerkt. Er gehört zu den sogenannten „kleinen Leuten“, deren Meinung in Wahrheit nicht interessiert. Er ist 42, arbeitet als Altenpfleger, kommentiert auf schnoddrige Art und Weise, was ihn umgibt, interessiert sich für Fußball, schreibt seinem Sohn, der bei seiner Mutter lebt, jeden Tag eine Karte – er lebt eben so vor sich hin.  Er ist also den meisten von uns sehr nahe, auch darin, dass er nicht über den Tod nachdenkt. Der klingelt aber eines Tages an seiner Tür, gibt ihm noch drei Minuten und will ihn dann mitnehmen. Weiterlesen

Südstaaten Blues

Cover mit einer Hausfassade

(c) Diogenes Verlag

Carson McCullers, Die Ballade vom traurigen Café

„Die Stadt selbst ist trostlos…“ so beginnt die Autorin ihre Erzählung. Eine Kleinstadt im amerikanischen Nirgendwo der 20er oder 30er Jahre. An der verlassenen Hauptstraße steht ein altes windschiefes vernageltes Haus. Es war vor langer Zeit ein Laden und ein Café und gehörte der reichen Miss Amelia, einer eindrucksvollen Frau: unabhängig und stark wie ein Mann, die ausgezeichneten Whisky brannte, handwerklich ebenso geschickt war wie beim Heilen von Krankheiten, der alles gelang – außer gut mit anderen Menschen auszukommen. Sie zog alle übern Tisch und fing wegen Nichtigkeiten Streit an. Kurz, sie war in der ganzen Stadt respektiert und gefürchtet. Weiterlesen

Schwindel im Kreisverkehr

Cover mit Zwei Auto-Lenkrädern

(c) Nagel & Kimchi

Dominique Paravel: Die Schönheit des Kreisverkehrs

Ich gebe es zu: Auf der Suche nach einer schnellen Urlaubslektüre war ich nicht wirklich wählerisch – überschaubar sollte sie sein und irgendwas eher Leichtes. So griff ich in der Bibliothek ein bisschen wahllos in das Regal „Der literarische Tipp“ und dort zu einem Titel, der mich neugierig machte. Die Schönheit des Kreisverkehrs?? So gelangte ich unversehens in eine unterhaltsame und skurrile Erzählung, auf die sicher weder ich noch kaum jemand aus meinem Umkreis gestoßen wäre. Immerhin erinnerte ich mich gleich an die Begeisterung der Franzosen für diese eher nervigen Kreisel, die alle Nase lang den Verkehrsfluss unterbrechen. Dass sie im Mittelpunkt eines Romans stehen könnten, fand ich gewagt. Sie sind es aber tatsächlich. Weiterlesen

Wörter mit Eigenleben

Arabische Muster in Lila

(c) Random House btb

Nava Ebrahimi:  Sechzehn Wörter

Sechzehn Wörter erinnern Mona immer wieder daran, dass die deutsche Sprache, in der sie ihr Leben in Deutschland gestaltet, nicht ihre Muttersprache ist. Sie überfallen die junge Deutsch-Iranerin  hinterrücks, sie ist ihnen ausgeliefert – bis sie anfängt, eins nach dem anderen zu übersetzen und sich damit ihrer Geschichte zu stellen. Und so betrachten wir zu Beginn jedes Kapitels eines dieser eleganten, verschnörkelten und auf uns so geheimnisvoll wirkenden arabischen Zeichen. Darunter eine Darstellung der Wörter in lateinischer Schrift, die jedoch auch zunächst rätselhaft bleiben und die im Laufe des Kapitels und schließlich im Laufe der ganzen Geschichte ihren Zusammenhang enthüllen. Weiterlesen

Heiratsmarkt auf kaukasisch

Zwei Frauen mit Kopftuch schauen auf Frau im Bikini am StrandGanijewa, Alissa: Eine Liebe im Kaukasus

Patja lebt in Dagestan, ist „schon“ 25 und immer noch nicht verheiratet. In der Siedlung, in der ihre Eltern leben, drängen sie alle, sich endlich einen Mann zu suchen: Freundinnen, Nachbarinnen und natürlich ihre Mutter. Nicht anders ergeht es Marat, einem jungen Anwalt in Moskau und ebenfalls aus der Siedlung stammend: Seine Mutter hat eine Liste von Kandidatinnen erstellt, die abgearbeitet werden muss – denn die Eltern haben eigenmächtig schon einen Hochzeitssaal gemietet. Bis die beiden sich über den Weg laufen, wird noch einige Zeit in der Geschichte vergehen. Weiterlesen

Dem Leben ins Herz geguckt

Buchcover in Grautönen

(c) Luchterhand Verlag

Terézia Mora, Die Liebe unter Aliens
Als Terézia Mora in diesem Winter den Bremer Literaturpreis bekam und ich ihre Dankesrede hörte, war ich hingerissen. Statt dieser doch oft etwas abgenutzten artigen Worte las sie – eine Geschichte vor! In der ging es unter anderem um das nicht gerade einfache Leben einer Frau zwischen Schriftstellerin mit klammen Mitteln und gestresster Mutter einer Halbwüchsigen. Das Unverblümte, Ungeglättete und Ehrliche daran gefiel mir auf Anhieb. Wie sie zum Beispiel klarmachte, dass ein solcher Preis auch wegen des Preisgeldes etwas sehr Erstrebenswertes ist.

Also klar: von der wollte ich mehr lesen. Als erstes nahm ich mir „Das Ungeheuer“ vor, der Roman, mit dem Mora 2013 den Deutschen Buchpreis gewonnen hat. Zugegeben: mit diesem Roman kam ich erst mal überhaupt nicht zurecht und brachte ihn nach den ersten 50 Seiten Ratlosigkeit zurück in die Bibliothek. Dann also der von der Bremer Jury erwählte Band „Die Liebe unter Aliens“. Weiterlesen

Liebe auf brüchigem Eis

Buchcover mit Paar und Wellen

(c) Verlag Kiepenheuer & Witsch

Dorit Rabinyan: Wir sehen uns am Meer

Liat stammt aus Tel Aviv, Chilmi aus Ramallah – aber sie wären sich dort, obwohl so nahe beieinander, nicht begegnet. Sie mussten um die halbe Welt, um sich zu treffen. In New York lernen sie sich kennen und verlieben sich Hals über Kopf, fliegen sozusagen auf- und ineinander. Er ist Maler, sie Übersetzerin, beide Mitte/Ende zwanzig. Mitten im eiskalten New Yorker Winter tauchen sie in ihre Liebe ein und sind einander für Wochen genug. Eine intensive Liebesgeschichte, die aber entscheidende Fallstricke aufweist. Eine Israelin und ein Palästinenser, das ist nur möglich um den Preis, den festgefahrenen politischen Hintergrund zwischen Israel und Palästina auszuklammern. Weiterlesen