Dominique Paravel: Die Schönheit des Kreisverkehrs
Ich gebe es zu: Auf der Suche nach einer schnellen Urlaubslektüre war ich nicht wirklich wählerisch – überschaubar sollte sie sein und irgendwas eher Leichtes. So griff ich in der Bibliothek ein bisschen wahllos in das Regal „Der literarische Tipp“ und dort zu einem Titel, der mich neugierig machte. Die Schönheit des Kreisverkehrs?? So gelangte ich unversehens in eine unterhaltsame und skurrile Erzählung, auf die sicher weder ich noch kaum jemand aus meinem Umkreis gestoßen wäre. Immerhin erinnerte ich mich gleich an die Begeisterung der Franzosen für diese eher nervigen Kreisel, die alle Nase lang den Verkehrsfluss unterbrechen. Dass sie im Mittelpunkt eines Romans stehen könnten, fand ich gewagt. Sie sind es aber tatsächlich.
Ein Road Movie a la Francaise
Ebensolche Kreisel baut die Firma Savinco, und der Landschaftsarchitekt Joaquim ist einer ihrer Angestellten. Für die kleine Gemeinde Le Virote mit zwölfhundert Seelen im Süden Frankreichs soll er einen Kreisverkehr gestalten. Beim Gemeinderat soll er seinen Entwurf vorstellen, und das Projekt liegt ihm sehr am Herzen. Er braucht einen Erfolg, denn Joaquim hat ein Problem: er ist Diabetiker und niemand in der Firma weiß davon. Das ist auch besser so, denn wirtschaftlich gehen die Geschäfte in letzter Zeit nicht besonders gut, da fürchtet so mancher um seinen Arbeitsplatz, insbesondere, wenn eine chronische Krankheit vorliegt.
Zu allem Übel hat sich aus der Firmenzentrale in Paris noch eine unangenehme Begleiterin für seine Fahrt nach Le Virote angesagt: die Marketingberaterin Vivienne – eine fachliche Unterstützung oder eher eine Aufpasserin? Diese Frage stellt sich nicht nur Joaquim, sondern auch wir uns bald beim Lesen.
Doch zunächst heißt es warten, denn diese Vivienne kommt eindeutig zu spät, um Joaquim abzuholen. Schließlich steigt sie aus ihrem alten grünen Mercedes – eine dünne große Frau mit großen Füßen, die „eine eisige mineralische Grazie“ besitzt, wie Joaquim bemerkt. Sie fahren los, Joaquim in wachsender Angst vor Unterzuckerung und Zu-Spät-Kommen, Vivienne wortkarg und offenbar ohne jede Eile. Sie trödelt gnadenlos herum, tourt über die Dörfer, umkreist jeden Kreisverkehr dreimal und bringt Joaquim damit zur Verzweiflung.
Zwischen Tragik und Komik
Auch Vivienne hat einiges zu verheimlichen – ihre Umwege durch die französische Provinz haben einen lange zurückliegenden dunklen Hintergrund. Zwischen den ungleichen Reisenden bahnt sich allmählich eine Nähe an, bei der wenig geredet wird und auch die Gefühle recht sparsam zum Einsatz kommen. Beide sind Gefangene ihrer gescheiterten Träume und ratlos angesichts trister Perspektiven. Joaquim wird schließlich halbbetrunken und zerzaust beim Gemeinderat vorstellig, und allein schon wegen dieser urkomischen Szene lohnt sich die Lektüre. Beim anschließenden Grillabend der Ratsmitglieder und der folgenden Nacht kommen sich Vivuenne und Joaquim unaufhaltsam näher – aber ein Happy End ist mehr als unwahrscheinlich. Neugierig geworden? Jedenfalls die Lektüre dieses kurzweiligen Romans, der eine gute Balance zwischen Tragik und Komik hält, ist empfehlenswert.
Das Buch ist 2017 im Verlag Nagel & Kimche erschienen und hat 173 Seiten.
Dominique Paravel erhielt 2016 in Frankreich für diesen Roman einen Literaturpreis.