Eine junge Frau gegen Rassismus

Buchcover mit Streifen

(c) Fischer Verlag

Chimamanda Ngozi Adichie: Americanah

Ifemelu aus Nigeria, die in den 1990er Jahren in die USA ausgewandert ist, hat nach einigen Jahren beschlossen, in ihre Heimat zurückzukehren. Um diesen Beschluss und seine Ursachen im alltäglichen Rassismus in den USA dreht sich das Buch. In vielen Rückblenden erzählt Ifemelu ihre Lebensgeschichte, ihre Jugend in Nigerias unterer Mittelschicht, ihre erste und große Liebe zu Obinze und ihren Wunsch nach einem Leben ohne Armut. Denn in Nigeria lebt ihre Familie zwar nicht am Existenzminimum, aber die Verhältnisse und damit die Chancen auf eine Zukunft verschlechtern sich immer mehr, die Korruption nimmt zu und ohne Protektion und Beziehungen kommt niemand zu etwas. Das hat ihre Tante schmerzlich erfahren, die sich von einem hochrangigen Militär als Zweitfrau versorgen lässt und nach seinem Tod völlig verarmt dasteht.

USA – kein Land der Träume

Ihr folgt Ifemelu in die USA. Doch ihre Träume nach einem Studium und einem selbstbestimmten Leben erweisen sich als Seifenblasen. Nachdem sie sich einmal völlig mittellos prostituieren muss – ein Schlüsselerlebnis des Romans – bricht sie voller Scham und Verzweiflung ihre Beziehung zu Obinze ab. Aus ihrer tiefen Depression helfen ihr eine nigerianische Freundin und die Tante mit ihrem Sohn, sie findet Arbeit, studiert und beginnt Beziehungen zu einem Weißen und einem Afroamerikaner. Mit scharfem Blick für die Realität der „afrikanischen Amerikaner“ – im Unterschied zu den Afroamerikanern der Sklavennachfahren, die schon mehrere Generationen im Land sind – beschreibt sie den subtilen Rassismus, der ihr auch in der liberalen weißen Mittelschicht begegnet. Sie lebt damit, indem sie diesen Rassismus in einem Blog verarbeitet, der äußerst erfolgreich ist und ihr sogar den Lebensunterhalt verschafft. Aber Akzeptanz und Respekt oder emotionale Bindung, geschweige denn wirkliche Heimat, findet sie kaum. Schwarze Frauen müssen Afrika ablegen, sich die Haare glätten und den fast unsichtbaren, aber immer präsenten Rassismus herunterschlucken. „Ich kam aus einem Land, wo Rasse keine Bedeutung hatte. Ich hatte mich selbst nie als Schwarze wahrgenommen. Zu einer Schwarzen wurde ich erst, als ich nach Amerika kam.“

Neuer Blick auf die alte Heimat

Schließlich beschließt sie, sich von ihrem Freund zu trennen, ihren Blog zu schließen und nach Nigeria zurückzukehren. Eine Rolle spielt dabei auch ihre verschüttete Beziehung zu Obinze, zu dem sie all die Jahre den Kontakt beharrlich verweigert hat, der aber aus ihrem Kopf nicht verschwunden ist. Auch sein Leben schildert Adichie schonungslos: seinen erfolglosen Versuch der Auswanderung und später seine Ehe und Karriere als erfolgreicher Geschäftsmann in zweifelhaften Immobiliengeschäften im korrupten und auseinanderdriftenden Nigeria.

Ifemelus Rückkehr ist brüchig, aber unumkehrbar; ihre Wiederbegegnung mit Obinze zeigt, dass ihre Liebe auch nach all den Jahren noch besteht.

Das Buch beschreibt sehr anschaulich das Leben in beiden Ländern, ist interessant zu lesen und nie langweilig. Allerdings manchmal bekommt Adichies mit ihrer Sozialkritik einen Tunnelblick und ihre in langen Passagen zitierten analytischen Blogeinträge sind ab und zu etwas plakativ.

Portrait C. Adichie

(c) Nwabu2010 / Quelle: Wikimedia

Trotzdem: Ein großartiges Buch mit seiner scharfen, trockenen Sprache und seiner zu Herzen gehenden Darstellung der schwarzen Wirklichkeit.

Das Buch ist auf deutsch 2014 im Fischer Verlag erschienen und hat 608 Seiten. Gibt es in der Bremer Stadtbibliothek.

Chimamanda Ngozi Adichie, die bereits zuvor mit angesehenen Literaturpreisen ausgezeichnet worden war, erhielt für ihren dritten Roman den National Book Critics Circle Award des Jahres 2013 und war für den Baileys Women’s Prize for Fiction des Jahres 2014 nominiert. Von den Kritikern des New York Times Book Review wurde Americanah zu einem der besten zehn Romanen des Jahres 2013 gewählt. 2015 wurde dieser Roman von der BBC-Auswahl der besten 20 Romane von 2000 bis 2014 zu einem der bislang bedeutendsten Werke dieses Jahrhunderts gewählt.