Sofi Oksanen: Fegefeuer

Cover von Oksanen, Fegefeuer

Oksanen, Fegefeuer Cover

1992 in Estland: Die alte Aliide lebt allein, als sie eines morgens die junge Zara verwahrlost und auf der Flucht vor ihrem Bauernhof findet. Beide Frauen lösen nur ganz allmählich ihr gegenseitiges Misstrauen auf. Zara war Zwangsprostituierte und ist ihren Zuhältern Pascha und Lawrenti entkommen, redet aber nicht darüber; auch Aliide behält ihre Geschichte für sich, lang und eng verwoben mit den politischen Wechselfällen:  Kriegsbeginn, deutsche Besatzung, die anschließende russische Herrschaft und ihre Folgen bis heute.Viele Jahre zuvor: Aliides Schwester Ingel heiratet den pro-deutschen Hans, den Aliide heimlich liebt. Beide Frauen und die Tochter Linda werden von russischen Soldaten vergewaltigt, weil sie Hans nicht verraten wollen, den sie im Haus versteckt haben… Aliide heiratet aus Berechnung den strammen Kommunisten Martin und denunziert Ingel. Diese wird mit Linda deportiert, während Aliide mit Martin und dem versteckten Hans in der vergeblichen Hoffnung lebt , ihn für sich zu gewinnen.

Zara ist nicht zufällig bei ihr gelandet – sie hat ein Foto von ihrer Großmutter Ingel bei sich. Als beide schließlich ahnen, wer die andere ist, tauchen die Verfolger auf und es kommt zum spannenden Showdown.

Der Roman verwebt genial Zeitebenen und Beziehungen und enthüllt nach und nach die Zusammenhänge den Lesenden, nicht aber den Akteurinnen. Es wird kein Bogen um Gemeinheit und Bosheit gemacht, TäterInnen und Opfer vermischen sich im Strom der Geschichte. Krimi-würdige Spannung, Familiendrama und europäische Geschichte in einem, erzählt in einer den Figuren entsprechenden spröden, kargen und doch wortgewaltigen Sprache. Großartig.

München 2012,  400 S. Verlag: btb, 9,99 € als Taschenbuch

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