Dorit Rabinyan: Wir sehen uns am Meer
Liat stammt aus Tel Aviv, Chilmi aus Ramallah – aber sie wären sich dort, obwohl so nahe beieinander, nicht begegnet. Sie mussten um die halbe Welt, um sich zu treffen. In New York lernen sie sich kennen und verlieben sich Hals über Kopf, fliegen sozusagen auf- und ineinander. Er ist Maler, sie Übersetzerin, beide Mitte/Ende zwanzig. Mitten im eiskalten New Yorker Winter tauchen sie in ihre Liebe ein und sind einander für Wochen genug. Eine intensive Liebesgeschichte, die aber entscheidende Fallstricke aufweist. Eine Israelin und ein Palästinenser, das ist nur möglich um den Preis, den festgefahrenen politischen Hintergrund zwischen Israel und Palästina auszuklammern.Und das gelingt unterschiedlich gut. Das Damoklesschwert, das von Beginn an über den Liebenden hängt: Liat wird im Frühjahr nach Israel zurückkehren, und dies wird das definitive Ende ihrer Beziehung sein. Liat verheimlicht Chilmi konsequent vor ihren Eltern in Israel, nur ihre Schwester erfährt davon, nicht ohne Missbilligung. Chilmis Familie hat zwar nichts gegen Liat, jedoch geht sein Bruder Wassim beim Besuch in NY heftig und agressiv mit Liat ins Gericht.
Tanz über dem Graben
Eine Romeo-und-Julia-Situation, jedoch geht der Riss nicht nur durch Landes- und soziale Grenzen sondern mitten durch ihre Köpfe. Sie streiten miteinander bis zur Erschöpfung über die politische Lage und Perspektive, natürlich ohne den Graben überwinden zu können, aber sie lieben sich unvermindert und intensiv auf diesem schwankenden Boden. Was sie vereint, ist auch ihre Sehnsucht nach Wärme, Licht und vertrauter Umgebung – kurz nach Heimat. In New York können sie zusammen sein, aber sie frieren ohne Ende, zu Hause wartet die politische Kälte. Die Trennung rückt näher, und als Liat abreist, beschließt Chilmi, für einige Monate ebenfalls nach Hause zurückzukehren. Bevor sie versuchen können, sich doch dort zu treffen, nimmt alles eine dramatische Wendung.
Ein leidenschaftlicher Roman, der die Liebe in Zeiten von Zäunen und Mauern spannend und berührend darstellt. Die Autorin schafft es, die Frage wer Schuld an dem Konflikt ist, stehen zu lassen, ohne etwas zu verharmlosen. Sie interessiert sich für die Auswirkungen auf die menschlichen Beziehungen. Sehr lesenswert!
Dorit Rabinyan ist eine deutsch-israelischen Autorin, stammt von jüdischen Flüchtlingen aus dem Iran ab und lebt in Jerusalem. Das Buch löste heftige Diskussionen aus und wurde in Israel zum Bestseller. Die israelische Erziehungsministerin lehnte es ab, den Roman auf die Lektüreliste für die Oberstufe zusetzen.
Der Roman ist erschienen im Verlag Kiepenheuer und Witsch, hat 379 Seiten und kostet 19,99 €. Es ist auch in der Bremer Stadtbibliothek ausleihbar.
Ich habe mir das Buch zu Weihnachten gewünscht, habs bekommen und sofort durchgelesen. So schön geschrieben, ich war direkt in der Liat-Chilmi-Welt gefangen.
Tausend Dank für den Buchtipp! Hat sich wirklich gelohnt:)
Liebe Tabea, das freut mich! Und wenn es dich interessiert: Dorit Rabinyan hat noch zwei Bücher geschrieben:
„Unsere Hochzeiten“ (hat mir auch gut gefallen) und „Die Mandelbaumgasse“ (das will ich auch unbedingt lesen, ist nur leider dauernd in der Bibliothel ausgeliehen…)
Weiterhin viel Spaß am lesen 🙂 !