Lunde, Maja: Die Geschichte der Bienen
England 1852, Ohio, USA 2007, China 2098 – das sind die Schauplätze dieses Romans. Und, wie der Titel naheliegt, geht es in jedem dieser Teile um Bienen und die Menschen, die ohne sie nicht leben können.
Im England des 19 Jahrhunderts versucht William seine enttäuschten wissenschaftlichen Ambitionen zu überwinden. Sein Mentor hat sich auf gehässige Weise von ihm zurückgezogen, er muss seine umfangreiche Familie mit sieben Töchtern und dem schwierigen Sohn Edmund mittels eines Ladens ernähren, seine Ehe mit Thilda ist frustrierend. Einer tiefen Depression entkommt er durch ein Buch über Bienen, das ihn mit neuem wissenschaftlichem Eifer erfüllt. Er will eine neuartige Bienenbehausung konstruieren, die das Arbeiten mit Bienenvölkern einfacher macht.
Der Imker George führt 2007 eine Imkerei auf dem Land, wie sein Vater und Großvater vor ihm, und versucht, sich dem industriellen Imkern zu entziehen. Seine Hoffnung liegt auf seinem Sohn Tom, der jedoch ganz andere Zukunftspläne hat: er ist sprachbegabt und studiert auf dem College, um Journalist zu werden. Bei den seltenen Besuchen auf dem Hof geraten Vater und Sohn mit ihren unterschiedlichen Vorstellungen ständig aneinander.
Knapp hundert Jahre später hat sich die Weltlage dramatisch verschlechtert: Durch den menschlichen Raubbau an der Natur, durch Misswirtschaft und Krisen hatte ein Kollaps dazu geführt, dass alle bestäubenden Insekten ausgestorben sind. Hunger grassiert weltweit, da keine Pflanzen mehr bestäubt werden und kaum etwas wächst. Tao und ihr Mann Kuan und der kleine Sohn Wie Wen leben in China wie alle am Existenzminimum. Die Erwachsenen müssen per Hand die Obstbäume bestäuben, auch Kinder müssen von klein auf hart auf den Plantagen arbeiten.
Diese drei Erzählstränge werden in jeweils kurzen Kapiteln abwechselnd entwickelt. Das Einzige, was sie miteinander verbindet ist die Tatsache, dass alle etwas mit Bienen zu tun haben. Für die Teile in der Vergangenheit hat die Autorin in der Bienenforschung recherchiert, für den zukünftigen ihrer Fantasie freien Lauf gelassen – das gelingt ihr am besten.
Zunächst dümpeln die drei Teile etwas unentschlossen dahin. Der glücklose William und der verständnislose Vater George kommen nicht recht von der Stelle. Die Geschichte nimmt Fahrt auf, als in der dritten Teilgeschichte in China Taos Sohn bei einem Familienausflug verschwindet und kurz danach zusammengebrochen aufgefunden wird. Er wird weggebracht, ohne dass die Eltern ihn begleiten können. Auch in den Wochen danach erhalten Tao und Kuan keinerlei Informationen über ihr Kind – weder über die Ursache der Krankheit noch über Wie Wens Zustand. „Das Komitee“, also eine Art Regierung in China, hüllt sich in geheimnisvolles Schweigen. Bis Tao in der Angst um ihr Kind sich selbst auf die Suche nach ihm macht und abenteuerliche Dinge erlebt.
Die ganze Geschichte wirkt manchmal arg konstruiert, insbesondere bei dem Versuch der Autorin, eine Klammer zwischen den drei Teilen zu finden. Trotzdem habe ich das Buch mit Interesse gelesen. Es liest sich flott und ist eine prima Ferienlektüre. Warum es jedoch ein solches Echo in Norwegen erzeugt hat – es war dort wochenlang Bestseller und hat einen Literaturpreis gewonnen – ist mir nicht ganz erklärlich. Die Autorin kommt vom Kinder- und Jugendbuch her und das merkt man diesem – ihrem ersten – Roman für Erwachsene noch an. Darum ist es auch für ältere Kinder und Jugendliche, die Interesse an Naturthemen haben, sicher ein gutes Geburtstagsgeschenk.
Maja Lunde wurde 1975 in Oslo geboren, wo sie auch heute noch mit ihrer Familie lebt. Sie ist eine bekannte Drehbuch- sowie Kinder- und Jugendbuchautorin. Das Buch ist 2015 im Verlag btb erschienen, hat 508 Seiten und kostet 20 €.