„Catcalling“ bezeichnet das englische Wort für Belästigung einer Frau im öffentlichen Raum. „Street Harassment“ ist mit „Straßen Belästigung“ zu übersetzen.
Welche Frau kennt es nicht? Sie möchte eigentlich nur noch schnell zum Laden an der Ecke oder zum Späti für ein Feierabendbier. Doch während dieses kurzen Aufenthalts in der Öffentlichkeit wird die Außenwelt dafür sorgen, dass frau sich sehr schnell der Machtgefälle bewusst wird.
Ein von der anderen Straßenseite herüber schallender Spruch von wegen „Hey, guck doch mal her, ich habe dich bemerkt und du gefällst mir“, meist in viel polemischerer Weise. Ein unterschwelliges, aber für die empfangende Person sehr eindeutiges Schnalzen mit der Zunge, wenn frau vorbeiläuft. Das alles suggeriert: Diese Straßen gehören nicht dir. Hier bist du nicht sicher.
Was zurückbleibt
Lediglich auf ihren Körper bzw. ihr Äußeres reduziert zu werden, tut weh und es macht was mit einer über die Jahre. Jedes Mal zu überlegen, wie frau sich für den Anlass kleidet, sei es nur das sonntägliche Brötchenholen. Es ist anstrengend. Es kostet Zeit. Zeit, die frau erstens nicht unbedingt hat oder dafür investieren möchte, möglichst nicht sexueller Belästigung ausgesetzt zu sein. Und zweitens Zeit und Kraft, die frau für so viel sinnvollere Dinge nutzen könnte, wie zum Beispiel, naja, eigentlich alles, wenn eine die Außenwelt nur nicht wie ein Stück Fleisch wahrnehmen würde.
Und vor allem macht es mich inzwischen wütend. Neulich fuhr ich an einem sommerlichen Nachmittag mit einer Freundin durch die Stadt mit dem Fahrrad. Ein Grund für manche, ihre „Männlichkeit“ unter Beweis zu stellen. Das dachten sich wahrscheinlich viele der Männer, die uns im Wechsel aus dem vorbeifahrenden Auto hinterherriefen, wir sollten doch bitte einsteigen oder mit aufgerissenen Augen Kussgeräusche imitierten. Wie wir uns dabei fühlten oder unsere Reaktion ausfallen würde, ist selbstverständlich egal. Hier geht es um Macht, und vor allem wer sie (vermeintlich) nicht hat.
Kein Einzelfall
Eine Studie aus dem Jahr 2018 besagt, dass 60% der befragten Frauen angeben, dass sexuelle Belästigung von Frauen in Deutschland sehr weit oder zumindest weit verbreitet ist. Dies lässt auf die düster gelebte Realität vieler Frauen schließen. Dabei werden sie auf unterschiedliche Art diskriminiert und oftmals überschneiden sich Diskriminierungsformen (Stichwort Intersektionalität).
Und jetzt?
Die Antwort auf die Frage, wie mit dem Thema umgegangen wird, ist natürlich erstmal individuell zu beantworten. Es gibt Betroffene, die Belästigung lieber ignorieren, und das ist auch okay. Ich selber wurde zu Vorsicht und Zurückhaltung erzogen. Doch ein entscheidender Punkt, den viele nicht mitdenken: Es geht nicht darum, die Täter zu erziehen und sie zum Weiterdenken und Reflektieren ihres demütigenden Verhalten zu animieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass jenes passiert, geht mit hoher Sicherheit sowieso gegen null. Nein, die Frage ist vielmehr, was es mit mir macht, wenn ich passiv bin und derartige Übergriffigkeit geschehen lasse. Hier ist es wichtig zu erwähnen, dass es keinesfalls um „victim blaming“ geht. Jede Person ist in der Lage einzuschätzen, wie der persönliche Umgang mit Belästigung am sinnvollsten ist. Aber die Möglichkeit, sich zu wehren, kann auch ermutigend sein. Man nimmt dem Täter damit etwas. Die Machtdemonstration ist gescheitert. Und es fühlt sich verdammt gut an, in die aktive Rolle zu treten und eine Grenze aufzuzeigen. Andererseits gibt es Situationen, in denen der eigenen Sicherheit zuliebe Zurückhaltung die bessere Option ist.
Sich zur Wehr zu setzen wenn man Belästigung erfährt oder mitbekommt, wird diese nicht beenden. Leider. Aber es gibt den Betroffenen ein Stück zurück vom öffentlichen Raum, der ihnen verwehrt bleiben soll. Und das kann zwangsläufig etwas verändern, nämlich wie Übergriffigkeit wahrgenommen wird und wer aufgrund dieser geschützt und wer Ausschluss erfährt, weil es gesellschaftlich nicht (mehr) akzeptiert wird.
Sarah A.
Schreibe einen Kommentar