Hey, ich bin Lea, 29 Jahre alt und ich werde Bremer Hebamme. Ich bin unglaublich froh darüber eine von zwanzig Hebammenschülerinnen des letzten Ausbildungsjahrgangs an der Hebammenschule Bremerhaven zu sein.
Ihr dürft mich durch die kommenden drei Jahre begleiten. Ich erzähl euch von meinen Höhen und Tiefen, den Highlights und den Herausforderungen, mit denen ich kämpfen werde.
Mein erster Tag als Hebammen-Schülerin
Aktuell drücken wir jeden Tag die Schulbank, 6 Wochen lang, erst dann geht es in die Praxis. Ich habe Glück, ich darf direkt in den Kreißsaal, dafür stehe ich schließlich jeden morgen früh auf und fülle meinen Kopf mit Hebammenwissen.
In einer unseren ersten Stunden haben wir Hebammen-Bilder konstruiert: Was macht für euch eine gute Hebamme aus? Was ist in euren Augen eine schlechte Hebamme?
Puh, erstmal tief atmen. Und nochmal. Eine gute und eine schlechte Hebamme? Gibt es so eine überhaupt? Warum dieser Dualismus? Warum muss denn immer alles gewertet, bewertet, abgeglichen und verglichen werden?
Doch klar, in meinem Kopf gibt es diese Hebammen. Die gute und die schlechte. Ich sehe mich wie ich später gerne wäre und wie ich lieber nicht sein möchte. Dieses Bild haben wir alle, denn Hebamme werden wollen wir aus ganz unterschiedlichen und vielen gleichen Gründen. Wir haben also einfach mal bunt drauf los gesammelt welche Eigenschaften wir einer guten Hebamme und einer schlechten zuschreiben, ganz plakativ. Unsere Lehrerin hat alles gesammelt.
Eine gute Hebamme werden
Eine gute Hebamme: kann mit stressigen Situationen umgehen, sie nimmt die Frauen ernst, ist fürsorglich und aus Überzeugung in ihrem Beruf. Sie ist verantwortungsbewusst, strahlt Selbstsicherheit und Ruhe aus, ist geduldig und emphatisch. Sie ist positiv bestärkend, bleibt dabei objektiv und kommt pünktlich zum Dienst. Sie ist eine Stütze der Frau, einfühlsam freundlich, motivierend, aber auch beschützend. Sie ist kompromissbereit und kritikfähig, weisend und beratend, sie ist organsiert und organisierend auch für andere. Sie nimmt sich Zeit für die Frau und erfüllt ihre Wünsche. Sie fordert aber überfordert nicht, sie ist zugleich leibevoll und professionell. Eine gute Hebamme ist alternativ und achtet auf sich selbst. Sie hat immer alles im Blick. Und das soll alles ich sein? Alles gleichzeitig und immer? Never. Nie und nimmer. Viel davon okay, aber gleich alles?
Ihr seht, die Maßstäbe sind gesetzt. Wir haben eine Über-Hebamme geschaffen. Wir sind alle Super-Woman und Wonderwoman, Alle diese Eigenschaften könnten wir aber auch auf Mütter übertragen, die ja bekanntlich die Heldinnen des Alltags sind.
Das Klischee der schlechten Hebamme
Doch wir haben auch ein Monster geschaffen: Die schlechte Hebamme.
Diese ist, unnahbar, gereizt, funktioniert nur noch wie eine Maschine, achtet nicht auf die Bedürfnisse der Frauen. Sie ist unfreundlich, bevormundend, überfordert, unsicher, unmotiviert, grob und fahrlässig. Die schlechte Hebamme ist interesselos, im Handeln und Denken eingeschränkt. Sie ist gemein, kritikunfähig, grenzüberschreitend, diskriminierend, verurteilend, herabschauend und unselbstständig. Sie ist festgefahren in ihrer eigenen Meinung. Die schlechte Hebamme ist schlecht in ihrem Beruf, weil sie krank ist. Viele dieser Zuschreibungen passen zum Krankheitsbild Burn-Out.
Okay, das will ich nicht sein. Niemals. Die Spannweite zwischen der guten und der schlechten Hebamme ist enorm. Beide Extreme kann und will ich nicht immer dauerhaft erfüllen. Das ist ja Wahnsinn. Wer stellt solche Ansprüche?
Niemand. Denn es handelt sich ja um ein Brainstorming von zwanzig verschiedenen, ganz unterschiedlichen Frauen, die alle ihre eigene Hebamme im Kopf nach ihrem eigenen Bild, nach ihrem Maßstab gespeichert und kreiert haben. Für jede Frau wird es eine Hebamme geben, die zu ihr passt. Die Schwangeren und Gebärenden wünschen sich unterschiedliche Frauen, die sie betreuen, denn sie sind ebenso verschieden wie wir. Jetzt wieder atmen. Puh, alles gar nicht mehr so wild.
Gute Vorsätze
Mitgenommen aus dieser Stunde habe ich: Jede Frau, die ich später eigenständig durch die Schwangerschaft begleite und bei der Geburt unterstütze oder im Wochenbett besuche, werde ich fragen, was sie sich von mir wünscht? Wie ihre ideale Hebamme sein soll? Daran werde ich mich orientieren und mein Bestes geben, um die Frau so zu stärken wie sie es braucht.
Lea Finster
Ulrike Hauffe meint
Gestern Abend noch war ich im NOON, um mit anderen über die wichtigsten Entwicklungen in der Pränataldiagnostik zu sprechen – auf Einladung der Bundestagsabgeordneten Dr. Kirsten Kappert-Gonther. Es waren auch zwei Hebammenschülerinnen anwesend, eine davon warst – nach dem Foto zu urteilen – Du, Lea. Welch engagierte Hebammenschülerinnen wir doch haben! Noch nach einem anstrengenden Tag in Bremerhaven nach Bremen in eine wichtige Veranstaltung zu fahren, deren Inhalt ganz sicher für den Hebammenberuf bedeutungsvoll ist. Toll! Prima, dass ihr dort gewesen seid.