Jessica Mann. Miriam Haley. Annabella Sciorra. Diese drei Frauen haben gegen Hollywood-Mogul und Vergewaltiger Harvey Weinstein ausgesagt. Somit trugen sie, gemeinsam mit vielen anderen Menschen weltweit, zu seinem einzigartigen Urteil bei.
Wirbel um den Weinstein-Prozess
Seit dem 25.02.2020 ist es offiziell. In zwei von fünf Anklagepunkten, nämlich Criminal sexual act in the first degree (Sexueller Missbrauch) sowie Rape in the third degree (Vergewaltigung) haben zwölf Geschworene Weinstein für schuldig befunden.
Aber warum nur in zwei von fünf Punkten? Was bedeutet dieses Urteil für die MeToo-Bewegung? Inwiefern ist dieser Schuldspruch so historisch einmalig? Um in dem ganzen medialen Wirbel, von Weinsteins Verteidigern abfällig als „Zirkus“ bezeichnet, den Überblick zu behalten, müssen Antworten auf all diese Fragen gegeben werden.
Die fünf Anklagepunkte
Obgleich es auf den ersten Blick ernüchternd klingt, dass Weinstein nur in zwei von fünf Anklagepunkten für schuldig befunden wurde, ist dies dennoch unter Anbetracht von ein paar Aspekten ein immenser Erfolg.
Beim Durchsehen der Anklageschrift wird schnell klar, dass Weinstein überhaupt nicht für alle fünf Punkte verurteilt hätte werden können. Zwei Anklagepunkte beliefen sich auf Predatory sexual assault, ein weiterer auf Criminal sexual act in the first degree, außerdem Rape in the first degree und Rape in the third degree.
Verknüpfungen
Manche Übergriffe auf dieselbe Frau sind hierbei mehrfach in unterschiedlichen Anklagepunkten genannt, wobei die Jury sich entscheiden musste, welcher Art von sexualisierter Gewalt sie die Übergriffe zuordnen konnte. Außerdem beeinflussen sich die Anklagepunkte untereinander. Hätten die Geschworenen Weinstein beispielsweise in beiden Fälle wegen des Predatory sexual assault schuldig gesprochen, so wären automatisch die einzelnen Vergewaltigungs- und Missbrauchsvorwürfe fallen gelassen worden.
Weinstein als Raubtier?
Predatory sexual assault, was bedeutet das eigentlich? Es handelt sich um einen nur schwer ins Deutsche zu übersetzenden, in unserem Gesetzbuch gar nicht vertretenen Straftatbestand. Er beschreibt in Weinsteins Fall nicht einzelne sexuelle Übergriffe, sondern ein Verhaltensmuster des Angeklagten, laut dem er über einen längeren Zeitraum hinweg mehrere Frauen belästigt haben soll und somit ein raubtierhaftes Verhalten an den Tag gelegt hätte. Aus diesem Grund hat Annabella Sciorra ausgesagt, obgleich ihre Vergewaltigung durch Weinstein bereits verjährt ist. Durch ihre Aussage sollte ihm die Systematik und Kontinuität seiner Handlungen nachgewiesen werden. Der Predatory sexual assault war der schwerwiegendste Anklagepunkt, Weinstein hätte dafür lebenslängliche Haft bekommen können.
„My body just shut down. It was just so disgusting that my body started to shake.“
~ Annabella Sciorra
Aussage gegen Aussage
Trotz dessen sieht die MeToo-Bewegung auch schon die Schuldsprüche bezüglich der Vergewaltigung und des sexuellen Missbrauchs als großen Triumph. Immerhin handelte es sich um einen reinen Aussagenprozess ohne greifbare Beweise wie DNA-Spuren oder Videomaterial.
Dennoch wurde den Opfern Glauben geschenkt und ein deutliches Zeichen gegen sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch gesetzt.
Ein historisches Urteil
Obgleich Weinstein also in den drastischsten Anklagepunkten freigesprochen wurde und die Vergewaltigung Jessica Manns lediglich als Rape of third degree, nicht Rape of first degree anerkannt wurde, ist das Urteil dennoch ein großer Schritt in die richtige Richtung.
„Our fight is far from over (…) we refuse to be silenced and will continue to speak out until this (…) abuser is brought to justice.
~ Statement der MeToo-Bewegung „Silence Breakers“
Jessica Mann, Annabella Sciorra, Miriam Haley und unendlich viele weitere tapfere Menschen haben ihr Schweigen gebrochen. Erinnern wir uns an sie, nicht nur an Weinstein.
Der Kampf um Gerechtigkeit und Wahrheit ist noch lange nicht vorbei. Doch Dank dieser mutigen Menschen hört man endlich unsere Stimmen.
Franka Billen
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