Wir sind gut erholt zurück aus der Sommerpause und haben auch während der Ferien genderpolitische Nachrichten für euch gesammelt. Mit einem randvollen Presse-Pott starten wir in die zweite Jahreshälfte…
Wird Kamala Harris die 1. US-Präsidentin?
Wir hoffen es: Sie wäre die erste Frau als Oberhaupt der USA. Das ZDF berichtet kurz über sie und ARTE bietet eine Dokumentation über ihre Karriere und ihren Lebensweg. Viel wichtiger jedoch ist die Frage, was passieren wird, falls Donald Trump Präsident wird. Er selbst hat seinen Anhänger*innen versprochen, dass sie „nie wieder wählen gehen müssen„. Eine Trumpnahe Stiftung The Heritage Foundation hat sein Programm veröffentlicht – und es sieht besonders schlecht aus für Frauen. Das 2025 Presidential Transition Project will die Gewaltenteilung im Staat aufheben und alle Macht beim Präsidenten verankern. Es befasst sich zudem sehr stark mit einem Verbot der Pornografie; darunter fallen zum Beispiel die Rechte von allen LGBTQI+ Personen sowie alle Rechte von Frauen bezüglich ihrer körperlichen und sexuellen Selbstbestimmung. Mehr zu Project 2025
Zauberflöte gegendert
Frauenrollen in klassischen Opern sind aus heutiger Sicht oft sexistisch, ihre Redeanteile geringer als die der Männerfiguren, auch Rassismus findet sich in den Texten. Bei einer Aufführung von Mozarts „Zauberflöte“ reagierte das Publikum an einer sexistischen Stelle peinlich berührt, was dem Intendanten auffiel. Daher gründete Berthold Schneider die Initiative Critical Classics, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, diskriminierende Sprache umzutexten. So wird zum Beispiel aus „Weib“ das Wort „Frau“ und ganze Passagen sind verändert worden. Die aktualisierte Fassung ist inzwischen online erhältlich.
Die Alte
Eine Frau beantragt ihre Rente – ja, die kommt nicht von allein, die muss frau*man beantragen – und macht sich Gedanken. Was nun? Sie ist jetzt eine „Alte“, wie fast ein Drittel aller Frauen in Deutschland. Sie fragt sich, wie wir neue Bilder von alten Frauen erschaffen können. Über den neuen Lebensabschnitt und die Lage der alten Frau in der Gesellschaft Näheres hier.
Paragraf 218
Der Deutsche Frauenrat hat sich für eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs und eine Fristenlösung außerhalb des Strafgesetzbuchs ausgesprochen, um die Versorgung von ungewollt Schwangeren sicherzustellen und zu verbessern. Das beschloss die Mitgliedersammlung des Dachverbands von rund 60 gleichstellungspolitischen Organisationen, die vom 22. – 23. Juni in Berlin tagte. Ein abweichendes Votum formulierten die Arbeitsgemeinschaft katholische Frauenverbände und -gruppen und die Frauen Union der CDU Deutschlands. „Der Beschluss zu Paragraf 218 ist historisch. Der DF ist Dachverband von rund 60 gleichstellungspolitischen Organisationen und damit die starke Stimme für Frauen. Er bildet die ganze Breite des frauenpolitischen zivilgesellschaftlichen Engagements in Deutschland ab. Respektvolle Diskussionen und wertschätzender Umgang haben den Weg zu diesem Konsens geebnet. Das ist ein gutes Beispiel für gelebte Demokratie – jetzt ist die Bundespolitik gefragt, eine Neuregelung anzustoßen,“ sagte Dr. Beate von Miquel, die Vorsitzende des Deutschen Frauenrats.
Auch die SPD-Fraktion im Bundestag hat vor der Sommerpause einen Beschluss zur Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen gefasst, der von den Grünen unterstützt wird. Jetzt kommt es darauf an, ob die FDP ihre Blockadehaltung aufgibt. Zum Positionspapier der SPD-Bundesfraktion geht es hier.
Verbot von Gehsteigbelästigungen
Während wir immer noch auf die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen warten, hat der Bundestag zumindest beschlossen, dass zukünftig Gehsteigbelästigungen vor Beratungsstellen verboten sind. Sogenannte „Lebensschützer“, die ungewollt Schwangeren und Mitarbeiter*innen von Beratungsstellen einen Spießrutenlauf bereiteten, müssen nun Abstand halten. Gesetzentwurf der Bundesregierung mit Stellungnahme von profamilia.
Gebärfähigkeit verlängern – Alterungsprozesse verlangsamen
Immer mehr Frauen bis 35 Jahren melden sich jetzt an zur Forschungsstudie „Validating Benefits of Rapamycin for Reproductive Aging Treatment (Vibrant)“. Die Gebärfähigkeit könnte um bis zu 5 Jahre verlängert werden und die wöchentliche Einnahme einer Tablette in jungen Jahren könnte die Gesundheit im Alter signifikant verbessern. „Das Altern der Eierstöcke ist bei Frauen die treibende Kraft hinter dem Alterungsprozess überhaupt“ sagte eine Forscherin der Vibrant-Gruppe an der Universität von Columbia. Hier eine (ältere) Studie auf deutsch.
Abtreibungsverbot führt zu mehr Säuglingssterblichkeit
Nachdem das Oberste Gericht der USA das Recht auf Schwangerschaftsabbruch aufhob, trat am 1. September 2021 im Bundesstaat Texas das strikteste Abtreibungsverbot der USA in Kraft. Seither hat dort die Säuglingssterblichkeit um fast 13 Prozent zugenommen, wie eine Studie zeigt. Häufigste Todesursache waren angeborene Anomalien. Expert*innen gehen davon aus, dass einige Mütter dazu gezwungen waren, eine Schwangerschaft auszutragen, obwohl sie wussten, dass ihre Babys nur geringe oder keine Überlebenschancen haben würden.
Die Pille danach…
…darf nicht mehr aus Gewissensgründen verweigert werden. Die Apothekerkammer Berlin hatte ein berufsgerichtliches Verfahren gegen einen Apotheker eingeleitet, weil er wiederholt die Abgabe der Pille danach verweigerte und sie in seiner Apotheke nicht auf Vorrat hielt. Der Apotheker berief sich auf sein Gewissen. Das Berufsobergericht für Heilberufe hat am 26. Juni 2024 (OVG 90 H 1/20) entschieden, dass ein selbstständiger Apotheker mit seiner Apotheke dem gesetzlichen Versorgungsauftrag mit Arzneimitteln genügen müsse. Die „Pille danach“ sei ein apothekenpflichtiges Arzneimittel, dessen Abgabe er nicht aus Gewissensgründen verweigern dürfe.
Nachtrennungsgewalt und institutionelle Gewalt
Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes hat erstmals eine bundesweite Studie zu Nachtrennungsgewalt und institutioneller Gewalt durchgeführt, deren Ergebnisse jetzt vorliegen. Bisher gab es keine belastbaren Daten zu den Erfahrungen gewaltbetroffener Mütter. Es bestätigte sich, dass die Gewalt auch nach der Trennung vom Partner häufig weitergeht und die überwiegende Mehrheit der befragten Frauen im Kontakt mit Behörden und Gerichten keinen angemessenen Gewaltschutz erhielten. Zum Download der Studie geht es hier.
Kampagne der Autonomen Frauenhäuser
Die Autonomen Frauenhäuser haben eine Kampagne zur Umsetzung eines Gewalthilfegesetzes durch die Bundesregierung gestartet. Sie fordern SPD, Grüne und FDP auf, Verantwortung im Gewaltschutz für Frauen zu übernehmen und das geplante Gewalthilfegesetz mit ausreichend Bundesmitteln auszustatten. Denn jeden Tag bleibt gewaltbetroffenen Frauen und ihren Kindern der Zugang zu Schutz und Unterstützung verwehrt – entweder weil es keine Frauenhausplätze gibt oder weil sie den Frauenhausaufenthalt nicht bezahlen können. Ihr könnt die Kampagne mit eurer Unterschrift unterstützen. Die Petition soll am 25.11.2024 übergeben werden. Hier könnt ihr unterschreiben.
Kampf gegen Gewalt wird Priorität
Die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen (GgFM) wird nach dem Regierungswechsel in Großbritannien zur Chefsache erklärt. Die Polizei hat GgFM zum „Nationalen Notstand“ erklärt und die zuständige Ministerin Jess Phillips stellt sie jetzt auf die gleiche Stufe wie Terrorismusbekämpfung. Die Labour-Regierung zielt auf eine Halbierung des Vorkommens von GgFM innerhalb von 10 Jahren.
Neue WDR-Intendanz ist Katrin Vernau
Nach rbb, Radio Bremen und BR folgt jetzt auch der WDR und besetzt diese wichtige Führungsposition weiblich. Damit werden ab kommendem Jahr vier von neun ARD-Anstalten von einer Frau geführt. Pro Quote Medien feiert die Entscheidung.
Elchtest für Algorithmen
Guardian Australia testete die Algorithmen von Facebook und Instagram, indem sie Blankokonten von erfundenen jungen Männern auf neue Smartphones mit Verbindung zu neuen unbenutzten Emailkonten einrichteten. Drei Monate später waren die fb- und Insta-Accounts — ohne Input von eigenen Inhalten – brechend voll mit frauenfeindlichen und sexistischen Posts. Mehr solcher Forschung!
„Tapfere LGBTQI+“ begnadigt
Von 1951 bis 2013 stand gleichgeschlechtlicher Sex für Militärangehörige der USA unter Strafe. Sie wurden aus dem Militär entlassen und verloren Gehalt und weitere Leistungen. Präsident Biden begnadigte nun die „tapferen LGBTQI+-Soldaten“. Anlässlich des Pride Month machte er von von seinem Begnadigungsrecht Gebrauch. Damit wolle er „historisches Unrecht wiedergutmachen“.
Die Erste
Cordula Pflaum ist die erste Ausbildungspilotin der Lufthansa und hat ihre eigene Ausbildung vor 30 Jahren an der Verkehrsfliegerschule in Bremen absolviert. Sie ist eine von nur vier Ausbildungspilotinnen und hat immer noch mit Vorurteilen und Klischees zu tun. Nur sechs Prozent der Pilot*innen sind weiblich. „Es gibt keinen Flug, der vergeht, wo es nicht auf das Thema kommt: Frauen im Cockpit“, sagt sie.
Nur 969
Seit 2018 gibt es Deutschland die Möglichkeit, die Option „divers“ als Geschlechtseintrag zu wählen. Laut Zensus 2022 lebten zum Stichtag im Mai 2022 nur 969 Menschen in Deutschland, die sich als divers bezeichneten – also nur 0,001171 Prozent. Näheres hier.
54 Kinder
… werden laut Kriminalstatistik jeden Tag in Deutschland Opfer von sexualisierter Gewalt – und das sind nur die Fälle, die bekannt werden. Das Dunkelfeld ist sehr viel größer. Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, spricht im Interview über ihre Arbeit, persönliche Betroffenheit und unser aller Verantwortung: „Wer etwas sieht oder hört, was ihr oder ihm komisch vorkommt, ist in der Verantwortung, zu handeln. Niemand muss Kinderschutzexperte sein, aber wir alle müssen wissen, wen wir ansprechen und was wir tun können.“
Mehr als 1.000.000
… Menschen schauten zu bei der CSD-Parade in Köln am 21. Juli, 90 Wagen, 250 Gruppen und 60.000 Teilnehmende – sowie erstmals auch die Katholische Kirche (!) waren dabei.
Liebe Mamma: Ein Transmann und seine Mutter
Bremen News
Wir waren in der Sommerpause? Nicht ganz! Im Juli haben wir zwei weiteren Folgen unseres Podcasts „Von Boom bis Z“ herausgebracht. Wer engagiert sich bei frauenseiten.bremen? In der Folge Teamvorstellung mit Svenja erfahren wir, wie eine Millennial dazu kommt, aus der Ferne für uns zu schreiben. Und in einem längeren Gespräch mit Fußballfan und ehemaliger Landesfrauenbeauftragten Ulrike Hauffe erfahren wir alles über den Fußball der Frauen. Und als Auftakt nach der Pause gibt es brandneu die Folge Freund*innenschaften – Happy listening!
Uns Anja wird Staatssekretärin: Die ehemalige Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport der Freien Hansestadt Bremen, Anja Stahmann, war zwölf Jahre im Amt – und damit die dienstälteste Sozialministerin der Bundesrepublik. Nun wird sie die Nachfolgerin von Margit Gottstein als Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. 👏👏👏
Land Bremen: Wir sind mehr als gedacht. Die Ergebnisse des Zensus 2022 stehen fest. Demnach lebten am Stichtag, dem 15. Mai 2022, im Land Bremen 693.204 Menschen. Im Vergleich zur bisherigen Zählung bedeutet das einen um 13.111 Einwohnende beziehungsweise 1,9 Prozent höheren Bevölkerungsstand. Wie bisher lebten mehr Frauen (50,7 Prozent) als Männer (49,3 Prozent) im Land. 48,7 Prozent der Haushalte waren Singlehaushalte. Damit liegt das Land Bremen deutlich über dem Wert für Deutschland insgesamt (43,4 Prozent). Paare ohne Kind stellten 22,2 Prozent der Haushalte, Paare mit Kind(ern) 17,6 Prozent, der Anteil alleinerziehender Elternteile belief sich auf 7,9 Prozent aller Haushalte. Die Bevölkerungszahl ist Grundlage wichtiger politischer Entscheidungen, zum Beispiel basieren der Länderfinanzausgleich oder die Anzahl der Stimmen im Bundesrat darauf.
Wir haben auch mehr Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte – 84 Frauen haben im Land Bremen ihr Amt angetreten und rund 50 von ihnen trafen sich zum Austausch- und Vernetzungstreffen in der Zentralstelle der Landesfrauenbeauftragten (ZGF). Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte werden für 4 Jahre gewählt und amtieren nicht nur in vielen Dienststellen der Kernverwaltung, sondern auch an den Universitäten und Hochschulen in Bremen und Bremerhaven, dem Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven, den Volkshochschulen im Land Bremen, bei der AOK Bremen und der Brepark, am Theater Bremen, am Stadttheater Bremerhaven sowie am Flughafen Bremen und vielen weiteren Einrichtungen.
„Katastrophe vorerst aufgeschoben“: Landesfrauenbeauftragte zur Lösung für Jobcenter-Geldnot. „Es ist zu begrüßen, dass 354 AGH-Maßnahmen in Bremen wenigstens bis Ende des Jahres finanziert werden können. Zugleich ist das Problem damit jedoch nur verschoben und die Aussichten sind düster“, kommentiert Landesfrauenbeauftragte Bettina Wilhelm die von den Trägern des Jobcenters vorgestellte Lösung für Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen des Jobcenters, die aus Geldnot im Sommer abrupt hätten enden sollen. „Bei der nun angekündigten Priorisierung von Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktförderung müssen die Auswirkungen auf besonders beanspruchte Gruppen wie zum Beispiel Alleinerziehende und Frauen mit Flucht- oder Migrationshintergrund unbedingt mitberücksichtigt werden“, so Wilhelm weiter.
Kostenfreie Unterstützung bei der Weiterbildung: Seit dem 1. Juli 2024 ist die bisherige Landesagentur für berufliche Weiterbildung (LabeW) mit den beiden RKW-Servicestellen „Beruf und Familie“ sowie „Deutsch am Arbeitsplatz“ zusammengeschlossen. Jetzt heißt sie LabeW+. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird kontinuierlich ausgebaut, mehr darüber hier.
Preisträgerin. Der Bremer Karin-Hollweg-Preis 2024 geht an die Künstlerin Wiebke Mertens. Ausgezeichnet wurde sie für ihre Bilderserie „Slim Fit“. Sie ist noch bis 18. August im Gerhard-Marcks-Haus zu sehen.
Fortführung des Projekts „Andocken“? Das „Andocken“, Bremens einzige feste Anlaufstelle für junge obdachlose Menschen zwischen 18 und 25 Jahren, muss schließen. Das Angebot wurde vor allem von jungen wohnungslosen Frauen genutzt, die dort praktische Hilfen wie die Vermittlung sicheren Wohnraums sowie Menstruationsartikel und Kleidung erhielten und auf dem Weg in Ausbildung und Arbeit unterstützt wurden. Die ZGF appelliert daher dringend an die Verantwortlichen, eine langfristige Lösung für das Fortbestehen von ‚Andocken‘ herbeizuführen.
Zu guter Letzt
Die Bremer FDP will das Gendern in Schulen und Verwaltung verbieten lassen. Geht’s noch?
Glenys & Irene
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