Als Nächstes in unserer Reihe “Ein Jahr Bremische Bürgerschaft” stellen wir Dr. Wiebke Winter von der CDU vor. Sie ist, wie die anderen auch, seit 2023 Abgeordnete in der Bremischen Bürgerschaft. Dr. Wiebke Winter ist unter anderem Sprecherin der Deputation für Inneres und Vorsitzende der Jungen Union Bremen.
Für das Interview haben wir dieses Mal einen Ausflug in die Bremische Bürgerschaft gemacht und sie dort getroffen. Vor dem Interview haben wir den Domshof bestaunt und ein kurzes Vorgespräch geführt.
frauenseiten: Sie haben Ihr erstes Jahr in der Bürgerschaft jetzt fast hinter sich. Deswegen möchten wir erst mal fragen, wie das erste Jahr in der Bürgerschaft für Sie als Abgeordnete war. Gab es unerwartete Herausforderungen oder überraschende Erfahrungen?
Dr. Wiebke Winter: Es ist für mich als Oppositionspolitiker natürlich ein bisschen zweigeteilt. Persönlich ist es eine großartige Erfahrung, weil man in die Politik gegangen ist, um mitreden und mitentscheiden zu können. Und das jetzt machen zu können, mit dieser Freiheit, die einem das Mandat gibt, das ist ein großes Privileg. Die Aufgabe der Politikerin an sich macht mir eine riesige Freude und ich bin wahnsinnig dankbar, dass ich das machen kann. Politisch ist es aus meiner Sicht so, dass ich mir echt wünschen würde, dass vieles schneller und besser vorangehen würde. Man ist in der Opposition ein bisschen in der kontrollierenden Rolle.
frauenseiten: Nach einem Jahr ist es wahrscheinlich ein bisschen schwer danach zu fragen, aber gab es schon Erfolge, die Sie erlebt haben, bei denen man gemerkt hat, dass die politische Arbeit wirklich was bewirkt?
Dr. Wiebke Winter: Wenn man in der Opposition ist, stellt man Anträge, gibt sich Mühe und hat Herzensthemen, bei denen man besonders leidenschaftlich ist – aber die Anträge werden von der Koalition dennoch so gut wie immer abgelehnt. Man sieht allerdings, dass unsere Arbeit trotzdem wirkt: Wir sprechen deutlich verstärkter über das Thema Sicherheit.
frauenseiten: Wie haben Sie sich während Ihres ersten Jahres in der Bürgerschaft gefühlt? Gab es da Momente, in denen Sie sich aufgrund Ihres Alters oder der „Unerfahrenheit“ nicht ernst genommen oder herausgefordert gefühlt haben?
Dr. Wiebke Winter: Ja, es gibt diese mittlerweile schon fast berüchtigte Debatte von mir mit Herrn Mäurer und Herrn Lenkeit. Ich habe dort in einem pinken Anzug über das Thema Clankriminalität debattiert. Kevin Lenkeit hat mir „Prosa in Rosa“ vorgeworfen. Und Herr Mäurer, an anderer Stelle, hat mir dann irgendwann mal gesagt „Frau Winter, ich habe Clankriminalität schon bekämpft, da waren Sie noch im Kindergarten.“ Das sind Momente, in denen man erst einmal denkt, “Hat er das gerade wirklich so gesagt?“, weil es völlig am Thema vorbei ist und nur auf die Person geht. Das hat mich überrascht. Ich denke, ich habe schlagfertig reagiert und das ist dann eher als Boomerang auf die beiden selbst zurückgefallen.
Als ich 13/14 war, wurde mir immer gesagt “Deine Generation ist nicht politisch”. Da habe ich damals schon gegen gehalten und heute sagt das zum Glück niemand mehr. – Dr. Wiebke Winter
frauenseiten: Sie sind eine der jüngsten Abgeordneten in der Bürgerschaft und deswegen möchten wir über die Bedeutung von jungen Stimmen in der Politik reden. Wie bewerten Sie die Bedeutung junger Stimmen und Perspektiven in der Bremer Politik? Welche Schritte könnten unternommen werden, um junge Menschen noch stärker in politische Prozesse einzubinden?
Dr. Wiebke Winter: Ich finde es sehr wichtig, dass junge Leute einen Platz am Tisch haben. Wir erleben gerade viele Krisen, mit denen wir umgehen müssen. Darüber hinaus gibt es die Jugendorganisationen der Parteien, in denen sich junge Menschen besonders austauschen können. Ich bin selbst Landesvorsitzende der Jungen Union und finde das deswegen eine großartige Einrichtung, um politisch zu diskutieren und sich einzubringen.
frauenseiten: Das war jetzt der erste Themenbereich zu Ihren Erfahrungen in der Bürgerschaft. Wir haben noch Fragen zu einer feministischen Perspektive. Gibt es für Sie konkrete Maßnahmen, die Sie ergreifen möchten, um die Interessen und Anliegen von FLINTA* Personen und anderen unterrepräsentierten Gruppen in der Bürgerschaft hier in Bremen zu vertreten?
Dr. Wiebke Winter: Ich finde zunächst, dass wir Politik immer für alle Menschen machen müssen. Aber klar ist natürlich, dass es Gruppen gibt, die besonders diskriminiert werden, die auch besonderen Gefährdungen ausgesetzt sind. Das sehe ich beim Thema Sicherheit. In den öffentlichen Verkehrsmitteln werden insbesondere queere Menschen immer wieder angegriffen – generell nimmt die Gewalt zu. Das finde ich erschreckend. Ich bin froh, dass wir an vielen Haltestellen nun diese Notrufknöpfe haben. Wir müssen uns jedoch noch stärker einsetzen, Angstorte insgesamt zu reduzieren.
Ich bin der Auffassung, dass meine Generation bei diesen Krisen mitreden können muss – für mich gilt das vor allem für die Klimakrise. – Dr. Wiebke Winter
frauenseiten: In der Bremischen Bürgerschaft ist der Frauen- und Männeranteil bei der CDU ausgeglichen. Bei der Bundestagsfraktion liegt der aber nur bei 24,5 Prozent. Was klappt hier in Bremen, was auf Bundesebene noch nicht funktioniert?
Dr. Wiebke Winter: Als CDU Bremen ist uns das Thema Gleichberechtigung sehr wichtig. Wir haben uns daher ganz bewusst dafür entschieden, eine paritätische Liste aufzustellen. Gleichzeitig muss man zugeben: Wir haben hier ein anderes Wahlsystem als auf Bundesebene, auf der es viel mehr Wahlkreise als im Land Bremen gibt – hier sind die Listen deutlich wichtiger. Dadurch kann man besser steuern, wer tatsächlich ins Parlament einzieht. Gerade über die Wahlkreise erhalten viele Männer ein Mandat im Deutschen Bundestag. Dennoch haben wir den Auftrag, mehr Frauen in die Politik und in die Parlamente zu bekommen. Dafür müssen wir auch das Bild von Führung und Macht verändern.
frauenseiten: Gibt es aus Ihrer Sicht konkrete Möglichkeiten, um mehr Geschlechtervielfalt und Gleichberechtigung in der politischen Arena zu fördern? Zum einen hier in Bremen, aber auch generell.
Dr. Wiebke Winter: Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass man Vorbilder sehen kann. Für mich war Angela Merkel eine ganz prägende Figur. Ich bin 1996 geboren. Ich gehöre zur Generation Merkel. Ich habe nie infrage gestellt, ob eine Frau Kanzlerin sein könnte. Ich hätte wahrscheinlich eher gefragt, ob auch ein Mann Kanzler sein kann. Identifikationsfiguren sind wichtig.
Ich versuche insbesondere junge Frauen zu ermutigen – gerade weil ich bei uns sehe, dass sich immer noch mehr Männer als Frauen engagieren. Ich bin Vorsitzende der Kommission Frauen der Jungen Union auf Bundesebene. Ich habe zum Beispiel auch bewusst gesagt, “Ich möchte als junge Abgeordnete gerne in den Haushalts- und Finanzausschuss” – der ist sonst eher männlich besetzt und das sollten wir ändern!
frauenseiten: Bremen ist da ganz gut aufgestellt mit einem Frauenanteil von 42,5 Prozent in der Bürgerschaft.
Dr. Wiebke Winter: Jetzt bräuchten wir nur noch eine Bürgermeisterin.
Das Interview führte Lena B.
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