Vielen sagt der Name Frederike Oberheim vielleicht etwas. Die Zwanzigjährige gehört zu den Gesichtern der Fridays For Future Bewegung in Bremen. Was diese fordert, muss man sicherlich nicht mehr erwähnen. Längst sind die Debatten im Bundestag Gesprächsthema und sorgen für gesellschaftlichen Zündstoff. Wir haben die Aktivistin zu einem Interview getroffen.
I: Wie kamst du zu Fridays For Future?
F: Eine Freundin von mir hat die erste Demo im Januar angemeldet und mich gefragt, ob ich mitmachen wolle. Über Facebook-Gruppen ist dann der Kontakt entstanden. Und dann bin ich mitgekommen und… geblieben (lacht). Ich war schon immer klimainteressiert, auch bereits als Kind. Als ich dann zur Uni kam, wollte ich in Richtung Feminismus gehen, habe dann schnell gemerkt, wie wichtig und akut dieses Thema ist. Das war dann auch für mich persönlich der Anstoß, auf die Straße zu gehen.
„Die Schuld ist nicht den einzelnen Individuen zu geben“
I: Wie glaubst du, ist das klimafreundlichere Umdenken realistisch umsetzbar?
F: Das Wichtigste wenn man mit Menschen spricht, ist, glaube ich, immer wieder die Fakten zu wiederholen. Und eben auch aufzuzeigen, dass keine*r von uns perfekt klimaneutral leben kann unter den aktuellen Bedingungen. Ich denke, sehr viele fühlen sich schnell persönlich angegriffen, also gerade Stichwort Veganismus und auch auf das Autofahren zu verzichten, sind immer emotionalisierte Themen. Da muss man ganz einfach den Schuldvorwurf rausnehmen. Also, dass klar ist, wir müssen was ändern, das gilt eben auch für die Leute, die jeden Tag Schnitzel essen möchten und einen SUV fahren. Aber gleichzeitig geht es vor allem darum, auf dieses System einzuwirken und die Schuld nicht den einzelnen Individuen zu geben, sondern eben diesem System, was dazu führt, dass wir die Natur ausbeuten. Für eine Einzelperson kann es daher sehr schwierig sein, sich aus so Gruppenprozessen zu befreien.
I: Oft gibt es den Vorwurf, die Klimabewegung sei klassistisch, da eben beispielsweise Kaufen von Second Hand Kleidung nicht bloß Lifestyle, sondern Notwendigkeit für viele Menschen ist. Was sagst du dazu?
F: Ich denke, dass es einige Werkzeuge gibt, dem entgegenzuwirken. Zum Beispiel die Co2-Steuer. Sie kann eben sehr effektiv zur Umverteilung eingesetzt werden, weil es eben häufig die Mehrverdiener*innen sind, die tatsächlich einen größeren Ausstoß haben. Soziale Ungerechtigkeit könnte somit eingedämmt werden. Gleichzeitig ist die globale Perspektive aber auch sehr wichtig. Dass wir im globalen Norden leben und der globale Süden viel mehr unter der Ausbeutung lebt und eben akut leidet und die Menschen wegen des Klimawandels sterben. 2015 sind 8 Millionen Menschen an den Folgen der Klimakrise gestorben, das sind Dimensionen, das können wir uns hier gar nicht vorstellen. Und gerade deswegen finde ich es wichtig, dass wir die Privilegien, die wir haben, nutzen und gegen den Klimawandel protestieren und den Menschen im globalen Süden eine Stimme geben.
Es geht ja nicht nur darum, dass wir hier unser Schnitzel nicht mehr essen dürfen, sondern, dass eben Menschen aufgrund der Folgen sterben. Bezüglich der Co2- Steuer gibt es außerdem Konzepte, bei denen jede Person erstmal die Steuer zahlt und am Ende des Jahres wird evaluiert, wie hoch der individuelle Fußabdruck war und dementsprechend bekommt man Geld zurück, beziehungsweise wird es auf das Einkommen berechnet. Dadurch würde man garantieren, dass Menschen, die wenig verdienen oder von Sozialleistungen leben, eine geringere Steuer hätten. Das wäre effektiv meiner Meinung nach.
„Keine Kompromisse mit dem Klima!“
I: Hättest du jetzt die Möglichkeit zu vielen Menschen zu sprechen, was würdest du sagen?
F: Dass wir aufhören müssen, mit dem Klima Kompromisse zu machen. Dass wir in die Richtung nicht verhandeln können, das Einzige, was verhandelbar ist, ist Profit und die Wirtschaftsinteressen. Dass wir so nicht weiter machen können, da wir sonst den Fortbestand unserer gesamten Zivilation bedrohen. Der „point of no return“, also der Moment, an dem wir nichts mehr tun können, liegt in etwa acht Jahren, deswegen ist jetzt so unbedingt notwendig, dass ein großer gesellschaftlicher Wandel einsetzt, der sowohl sozial als auch ökologisch gedacht wird.
„Frauen und queere Menschen sind am stärksten betroffen“
I: Was hat der Klimawandel mit Feminismus zu tun?
F: Ganz ganz viel. Es ist ja so, dass Frauen vor allem im globalen Süden am stärksten von der Klimakrise betroffen sind. Frauen und auch queere Personen verdienen weniger als Männer und haben dadurch nicht die Möglichkeit, Naturkatastrophen auszuweichen oder sich zu schützen. In der Fluchtbewegung ist das auch zu beobachten. Während Männer sich auf den Weg machen, um diesen Gebieten zu entkommen, bleiben oft Frauen zurück. Damit fordert der Klimawandel vor allem weibliche Opfer.
Hinzu kommt, dass auch gerade Fridays For Future, was ja von einer Frau angestoßen wurde, sehr weiblich ist und ich glaube, sehr viele Frauen empowert sind, um auf die Straße zu gehen und zu demonstrieren. Auffällig dabei ist, dass gerade Hass-Kommentare, die an weibliche Aktivistinnen gerichtet sind, oft sehr sexistisch sind. Und ich frage mich manchmal, was die Männer auf Facebook mehr verunsichert, dass es halt eine junge Frau ist oder ob es um ihren SUV und ihr Schnitzel geht.
I: Beides.
F: Vermutlich (lacht). Was ich auch bemerkenswert finde, ist, wie sich der gesellschaftliche Dialog verschoben hat. Gerade bei FFF war ja anfangs nur die Rede von Schulschwänzen und inzwischen können wir wirklich sachlich über die Themen reden und man merkt schon, dass man bei den Menschen was anstößt. Wir erhalten immer mehr Solidarität und Support. Und gerade am 20.September haben wir gesehen, wie breit die Bewegung inzwischen ist. Da waren Gewerkschaften mit dabei, bei uns im Demozug waren ganze Kindergärten, die gekommen sind oder Grundschulen, die geschlossen dabei waren. Mit super viel Unterstützung der Eltern, damit das auch möglich ist. Ich meine, wann hat ein Kindergarten das letzte Mal geschlossen, um mit Vierjährigen demonstrieren zu gehen, das ist schon super heftig, was gerade passiert.
I: Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin alles Gute!
Sarah A.
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