Mutter, Tochter, Schriftstellerin, Professorin, Afro-Amerikanerin: Unsere Frau der Woche ist die Nobelpreisträgerin Toni Morrison, die vor allem mit ihren Romanen über das Leben schwarzer Familien in den USA Leser*innen auf der ganzen Welt in den Bann zieht.
Zwischen Geborgenheit und Rassismus
Die 1931 geborene weltberühmte Autorin hat einen bescheidenen Hintergrund. Ihr Vater hatte mehrere Stellen gleichzeitig um seine Frau und vier Kinder zu ernähren. Die Umstände von Toni Morrisons Familie waren schlecht. Sie lebten in Armut, und als Toni, die damals Chloe Ardelia Wofford hieß, zwei Jahre alt war, erlebte sie wie ihr Vermieter ihr Haus in Brand steckte, weil ihre Eltern die Miete nicht zahlen konnten. Trotzdem erfuhr sie viel Liebe und dankt ihren Eltern dafür, ihr Interesse in Literatur, Musik, und Volkserzählungen belebt zu haben. Schon als Kind las sie Jane Austen und Leo Tolstoi.
Diskriminierung wegen ihrer Hautfarbe war ihr als Kind fremd. Die begabte Chloe konnte in der ersten Klasse als einzige schon lesen, anders als ihre weißen Mitschüler. Erst im Teenageralter wurde ihr die Tragweite des Rassismus bewusst. Ihr Vater selbst erzählte ihr von einem Lynchmord von zwei schwarzen Unternehmern in seiner Jugend. Kurz darauf zog er nach Lorain in Ohio, Chloes Geburtsort, um der Gewalt gegen Schwarzen zu entkommen. Als Toni Morrison für die Howard University nach Washinton D.C. zog erlebte sie zum ersten Mal persönlich nach Rasse getrennte Züge und Restaurants.
Anfänge und Durchbruch
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Nach ihrem Masterabschluss bei der Cornell University dozierte sie zunächst an der Texas Southern University und der Howard University, wo sie den Architekten Harold Morrison kennenlernte und heiratete. Als sie mit ihrem zweiten Kind schwanger war, schied sich das Paar. Danach arbeitete sie als Lektorin für Random House, wo sie dazu beitrug das öffentliche Interesse an afro-amerikanischer Literatur zu wecken.
Zu dieser Zeit veröffentliche die alleinerziehende Mutter ihren ersten Roman, Sehr Blaue Augen, der 1970 erschien. Sie veröffentliche das Buch unter dem Namen Toni, abgeleitet von ihrem Taufnamen Anthony, den sie mit zwölf annahm. In dem Roman wünscht sich das Mädchen Pecola blaue Augen, damit sie wie ein weißer Mensch aussieht. Es folgte der Roman Sula über die Freundschaft zwischen zwei jungen schwarzen Frauen und Solomons Lied, die Geschichte einer Familie namens Dead deren Vorfahre, Solomon, ein Sklave war der laut einer Sage nach Afrika zurückgeflogen war. Mit Solomons Lied gelang Toni Morrison endlich 1977 der Durchbruch.
Eine ausgezeichnete Frau
1988 erhielt Toni Morrisson den Pulitzer-Preis für ihren Roman Menschenkind, über eine Sklavin die ihr eigenes Kind tötet, um es selbst vor Sklaverei zu schützen. Es folgte der Nobelpreis für Literatur in 1993, „für ihre literarische Darstellung einer wichtigen Seite der US-amerikanischen Gesellschaft durch visionäre Kraft und poetische Prägnanz“.
Obwohl viele ihrer Romane aus der Sicht schwarzer Frauen erzählt werden, mag sich Toni Morrisson nicht selbst als Feministin bezeichnen.
„Damit ich in meiner eigenen Vorstellung so frei wie möglich sein kann, kann ich keine Stellung einnehmen, die geschlossen ist. Alles was ich je tat, tat ich um Ausdrücke zu erweitern statt sie zu schließen, um Türen zu öffnen, manchmal nicht mal das Buch zu schließen – die Enden offen zu lassen für neue Interpretation, sie neu zu besuchen, ein wenig Uneindeutigkeit zu überlassen.“ Aus Salon, 1998
Ihre wortmächtigen Geschichten sollen keine vorgefertigten Ideen vorgeben, sondern zum Denken anregen. Ihre Texte erreichen nicht nur Schwarze und Frauen, sondern sind für alle begreifbar – auch wenn sie die Grausamkeit die Schwarze und vor allem schwarze Frauen in den Vereinigten Staaten erleben unvergleichlich darstellt.
2006 gab Toni Morrison ihren Lehrstuhl in Princeton auf. Trotzdem veröffentlicht die 86-Jährige weiterhin Bücher. In ihrer Karriere veröffentlichte sie neben Romanen auch Schauspielstücke, Sachtexte über Literatur, Kinderliteratur und ein Libretto. Diese Frau hat eine riesige Karriere hinter sich, die noch nicht aufhört. Wir wünschen uns, dass sie noch viele weitere Leser*innen berührt.
Kathy Hemken
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