Im vergangenen Jahr war viel die Rede von der Istanbul-Konvention und so manch einer* ist klar, dass diese mit Frauenrechten zu tun hat. Aber was ist sie eigentlich genau? Und warum war gerade letztes Jahr so viel davon zu hören? Und was hat sie mit Istanbul zu tun?
Von der Vereinbarung…
Eine Konvention ist nichts anderes als eine Vereinbarung, in der zwei oder mehrere Seiten erklären, sich an bestimmte Regeln und Vorgaben halten zu wollen. Im Jahr 2011 vereinbarten die 47 Mitgliedsstaaten des Europarats in Istanbul – daher der Name – einen völkerrechtlichen Vertrag zum Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt und häuslicher Gewalt.
Drei Aspekte sind dabei wichtig: die Prävention, der Schutz und die Unterstützung von Gewaltopfern sowie die Strafverfolgung. Damit ist die Istanbul-Konvention eins der wenigen internationalen Instrumente, die den Fokus ausdrücklich auf die Prävention legen. So werden zum Beispiel Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung der Gesellschaft und Fortbildung entsprechender Berufsgruppen festgeschrieben. Sie benennt weiterhin umfangreiche Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung von Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt, und enthält Regelungen für das Straf- und Zivilrecht. Die Unterzeichnerstaaten verpflichten sich, psychische und physische Gewalt gegen Mädchen und Frauen zu sanktionieren. Dazu gehören explizit sexualisierte Gewalt einschließlich Stalking, Zwangsheirat, Genitalverstümmelung, Zwangsabtreibung und -sterilisierung und sexuelle Belästigung. Auch ein Überwachungsmechanismus, der die Umsetzung der Konvention durch die Vertragsstaaten kontrolliert, wird eingerichtet: GREVIO (Group of experts on action against violence against women and domestic violence).
… zum Gesetz…
Damit die Istanbul-Konvention in den einzelnen Staaten zur Anwendung kommen kann, ist eine Ratifizierung nötig. Das heißt, dass das entsprechende Land ein Gesetz für den eigenen Bereich erlassen muss. Und das kann manchmal recht lange dauern…
Die Leute haben keine Ahnung, wie viele Zwänge es gibt in der Politik. Politiker sind durch Prozesse, Ereignisse und Abläufe teilweise fremdbestimmt. Man ist nicht allmächtig, sondern bisweilen ohnmächtig. – Peter Tauber, CDU, in einem anderen Zusammenhang in der taz vom 2./3.1.2021
Das erste Land war übrigens die Türkei selbst, die die Istanbul-Konvention 2012 ratifizierte. Inzwischen will die türkische Regierung aber, ebenso wie Polen, aus dem Vertrag wieder aussteigen. In Deutschland wurde das „Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ im Oktober 2017 vom Bundestag verabschiedet und trat am 1.1.2018 in Kraft.
… zur Umsetzung
Nun ist doch alles getan – oder?! Nein, denn erst jetzt kann die praktische Umsetzung in den Ländern und Kommunen erfolgen, und das erfordert wiederum einiges an Anstrengung. So wurde im Frühjahr 2018 vom Deutschen Frauenrat mit 20 Frauenrechtsorganisationen das Bündnis Istanbul-Konvention (BIK) geschlossen, das in Deutschland diesen Prozess begleiten soll. Im September 2020 reichte die Bundesregierung den ersten GREVIO-Staatenbericht beim Europarat ein.
Auch über zwei Jahre nach Inkrafttreten der Gewaltschutz-Konvention fehlen Deutschland ein politisches Konzept, handlungsfähige Institutionen und die notwendigen Ressourcen, um alle Frauen und Mädchen vor Gewalt zu schützen, kritisiert daraufhin das BIK.
Hilfestrukturen seien lückenhaft und unterfinanziert, Frauenhäuser und Beratungsstellen müssten immer wieder betroffene Frauen abweisen und in den Notaufnahmen fehle oft qualifiziertes Personal für die Beweissicherung. Auf Bundesebene brauche es dringend einen Aktionsplan, „der für alle betroffenen Ministerien überprüfbare Ziele, Zeitschienen und Verantwortlichkeiten festlegt.“ Daran wird nun auf Länderebene gearbeitet. So organisierte im September 2020 die Konferenz der Landesfrauenräte auf Bundesebene einen Fachtag zur Implementierung der Istanbul-Konvention. Und im November 2020 beschloss die Bremische Bürgerschaft, einen Landesaktionsplan aufzustellen.
Bremen stehe mit seinem Schutz- und Hilfesystem im Bundesvergleich ganz gut da, sagte die Landesfrauenbeauftragte, Bettina Wilhelm, anlässlich des Beschlusses. Was aber fehle sei eine Gesamtstrategie. Die soll nun erarbeitet werden. Zum Auftakt fand eine Videokonferenz mit 150 Fachleuten statt. In einem Jahr soll der Landesaktionsplan fertig sein.
Irene Meyer-Herbst
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