Mannometer, lange war ich nicht mehr „schreiberisch“ aktiv. Zwischen dem letzten und diesem Artikel liegen zwei Monate erfolglose Schwangerschaft, ein Sommer in Norwegen, Klarkommen, Durchpusten, Krone richten, eine neue Schwangerschaft, Aufregung und viel Arbeit. Der Kopf war woanders. Aber gut, kommen wir zum Thema: Kindermachen und ’ne Kugel schieben und die dazugehörigen Knackpunkte mit denen ich mich herumschlage. Eins vorweg: Ich finde es super spannend und wichtig, dass feministische Blogger*innen Artikel über Schwangerschaft, Elternsein und Gleichberechtigung schreiben. Ich lese sie gerne und finde, es sind wichtige Denkanstöße und Debatten auf dem Weg zu einer gleichberechtigten Gesellschaft. Und doch habe ich wenig Elan, es hier häufiger selber zu thematisieren. Ich weiss nicht warum. Vielleicht betrifft es mich (noch) zu wenig? Also das Schwangersein betrifft mich schon. Ziemlich doll sogar. Aber momentan kämpfe ich keine Gleichberechtigungskämpfe in der Partnerschaft.
Knackpunkt #1: Gleichberechtigte Partnerschaft und Haushaltsteilung: Geht das? Die ewige Frage
Die Haushaltsstreitigkeiten und die Aufteilung in Verantwortungsbereiche haben wir zum Glück in 90 Prozent aller Fälle hinter uns gelassen. Ob die Streitereien über diese Themen in Zukunft neu aufflammen werden, kann ich noch nicht beurteilen. Um Elternzeit müssen wir nicht streiten, mein Freund möchte viel Familienzeit haben. Ich könnte jetzt auf ihn schimpfen, weil er weniger organisiert, weniger über Kinderwagen, Tragetuch, Klamotten, Hebammen oder Geburtsorte nachdenkt als ich es tue. Hier fällt auf: mein allgemeiner Verantwortungsbereich in unserem gemeinsamen Haushalt ist oft das Organisatorische. Ja, ich finde es schrecklich und langweilig und zum Kotzen, aber ich bin nunmal schneller. Da gibts nichts dran zu rütteln. Und er ist der geborene Handwerker, da kann ich ihn nicht übertrumpfen und will es auch nicht. Somit baut er diverse Möbel hier in der Wohnung wie zum Beispiel auch das Baby-Zustellbett und einen Fahrrad-Anhänger. Klingt klassisch: Der Mann, der Handwerker. Die Frau macht Termine und shoppt Babygedöns. Aber so what? Ich arbeite in einer Kita und habe Freund*innen mit Kindern, ich weiss besser, was wir brauchen und was nicht.
Klar, manchmal denke ich: Hey, interessiere dich gefälligst mehr, lies was über Schwangerschaft und Babyentwicklung. Aber ganz ehrlich: ich kann auch Korinthenkackerei betreiben. Wie soll er das fühlen, was ich fühle? Er hat niemanden im Bauch. Ich kenne mich mit Hoden und Samenleitern auch nicht aus, warum erwarte ich, dass er alles Mögliche über den Frauenkörper weiss? Ich erwarte nicht seine Fachkenntnis über Menstruation, Zyklus, Muttermund und Schwangerschaft. Mich nervt, dass die Forderung manchmal sehr harsch auf diversen Medien gestellt wird. Ich finde, manchmal reicht es auch. Er soll nur verstehen, warum es mir gerade wie geht und wenn er es nicht versteht, dann soll er es akzeptieren und das tut er.
Knackpunkt #2: Beruf und Kind
Wir wollen beide gleichzeitig Elternzeit nehmen. Er beantragt zum Großteil das Elterngeld. Wir haben erst gemeinsam frei, arbeiten beide im Herbst/Winter für kurze Zeit im Wechsel, sparen wieder Geld an und können danach hoffentlich für ein halbes Jahr reisen. Dafür kündigen wir unsere Wohnung, keiner von uns arbeitet im Management und/oder ist reich. Mietwohnung behalten und länger reisen geht nicht/ist unsinnig. Aber wir haben trotzdem genug Luxus. Wir haben uns und noch jemand dritten, beide frei, Geld zum Leben (unsere Reisen sind bescheiden. Wir gehen klettern, bouldern, surfen und leben im Bulli). Was brauchen wir mehr? Gut, ein gelassenes Kind wäre fein, aber das können wir noch nicht sagen und den Teufel an die Wand malen, bringt nix.
Was ich nicht leugnen kann: Ich werde danach Teilzeit arbeiten – weil ich es auch jetzt mache – und er Vollzeit. Klassisches Modell – die Teilzeitfalle. Frauen kommen so die Karriereleiter nicht hoch und bekommen später weniger Rente, während es bei ihm kein Problem ist. Das entspricht der Realität und wir passen in diese Statistik. Aber die Gründe sind andere. Ich möchte nicht Vollzeit in einem Job arbeiten. Zum einen liebe ich meine freie Zeit zu sehr, um sie aufzugeben, zum anderen kombiniere ich gerne meine verschiedenen Tätigkeiten. Das bringt Abwechslung und Input und ich fange nie an, mich zu langweile. Des Weiteren frage ich mich, warum es so sein muss, dass eine Vollzeitstelle als das Nonplusultra betrachtet wird. Und er? Er arbeitet Vollzeit. Zwei Wochen arbeitet er offshore und zwei Wochen ist er ganz Zuhause. Wie das mit Kind geht? Keine Ahnung, wir werden es ausprobieren und dann weitersehen. Bislang gibt es in diesem Business noch wenig Teilzeit, deshalb wissen wir nicht, ob und wie es möglich wäre. Und ein wichtiger Punkt: er ist glücklich in seinem Beruf. Soll er ihn aufgeben und dann zwar jeden Abend nach Hause kommen, aber dafür möglicherweise unglücklich sein? Wäre das förderlich für eine gute Beziehung? Schwierig, und die Antworten bringt nur die Zeit.
Knackpunkt #3: Papierkram, Elterngeld und so – Bürokratiekrake Deutschland
Ja, dieser Elterngeldantrag ist echt kompliziert. Alle meckern drüber, ich auch. Ich hasse Papierkram, ich verstehe den Scheiss nicht, ich hätte gerne jemanden, der das für uns erledigt. Ich habe Schiss, dass es viel weniger Geld sein wird, als wir uns erhoffen. Aber wo gibt es diesen Luxus sonst? Zuhause bleiben und trotzdem Geld bekommen, eine*r oder beide, niemand muss das annehmen, aber es ist möglich. Man kann zum Elterngeld hinzu Teilzeit arbeiten und im Anschluss noch länger was bekommen, wenn beide in Teilzeit gehen. Meine Cousine musste vor noch 15 und zehn Jahren nach kurzer Zeit zurück in den Job und es war gar kein Thema. Ebenso meine Freundin vor vier Jahren in den Niederlanden. Und wir meckern? Gut, die Aussicht auf einen garantierten Kitaplatz im Anschluss würde viele Menschen entspannen. Wenn ich nach einiger Zeit wieder zur Arbeit will, muss jemand das Kind betreuen, sonst siehts schlecht aus mit den Finanzen. Da könnte ich mich, auch von Berufs wegen, gründlich drüber auslassen.
Dann finde ich es mehr als merkwürdig, dass wir als nicht verheiratetes Paar zum Amt müssen, um die Vaterschaft anzuerkennen und das geteilte Sorgerecht zu beantragen. Ein Ehepaar muss dies nicht. Komisch, oder? Als sei es total klar, dass es in Ehen keinen anderen leiblichen Vater geben könnte beziehungsweise als ob unverheiratete Frauen mit jedermann in die Kiste springen und im Anschluss total verwirrt sind, wer wohl der Vater ist…
Knackpunkt #4: Familienfreundlichkeit bei der Arbeit
Ich bin in diesem Bereich mit echtem Glück gesegnet. Ich arbeite 20 Stunden als wissenschaftliche Begleitung in einer Kita. Was soll ich sagen, es ist sehr familienfreundlich. Ich würde meine Chefin gerne mit Konfetti, Bonbons und Blumen überhäufen, sie ist bombastisch. Besorgt, feinfühlig und macht es mir so angenehm, dass es mir schon wieder fast unangenehm ist. Des Weiteren arbeite ich seit vielen Jahren als ehrenamtliche Redakteurin bei einem frauenpolitischen/feministischen Online-Magazin. Da legt mir natürlich niemand Steine in den Weg. Alle sind wunderbar. Und nebenbei verdiene ich manchmal etwas Geld als Selbstständige. Da kann ich eh so arbeiten, wie ich es möchte…
Wie sich die Familienfreundlichkeit im Betrieb meines Freundes so gestaltet, wird spannend. Nach außen hin wird das Thema toll präsentiert. Wir sind neugierig, was der Arbeitgeber sagt, wenn er die Elternzeit einreicht. Das ist dort in diesem Umfang noch nicht üblich und die Chefs der Männer sind ja meistens nicht sehr begeistert. Aber wer weiss, vielleicht verläuft es glatt.
Knackpunkt #5: Was mich wirklich ankotzt: Schönheitsideale
Ich erforsche gerade Instagram. Sagen wir, es ist eine Mischung aus fehlendem beruflichen Fachwissen mit diesem Medium und privater Neugier. Und das Suchtpotenzial geht auch nicht spurlos an mir vorbei. Meine angeklickten Bilder waren zu Beginn eine Mischung aus Klettern, Yoga, schwangeren Frauen, Landschaft und Holzhütten. Dies bekomme ich regelmäßig vorgeschlagen und zwar in einer ganz fiesen Kombi. Nun sehe ich fast täglich viele super schlanke, sportliche, schwangere Frauen, die sich stolz präsentieren und ihren Minibauch in die Kamera halten. Kein dicker Hintern, keine Cellulite, nur dünn mit Bauch. Direkt habe ich Komplexe wie sie sonst nur die GNTM-Fans kennen. Ich fühle mich wie ein Elefant. Erst als mein Freund sagte, ich hab ne Meise und die Instagram-Frauen sehen nicht aus wie schwangere Frauen im Durchschnitt aussehen (guter Freund!), kam ich überhaupt erst ins Grübeln. Und das als reflektierte, kritische, feministische Frau über 30! Ist das zu fassen? Ich mag mich immer noch nicht gerne im Spiegel angucken und zweifle nun noch an meiner Reife, meinem Reflexionsvermögen und an meinem Intellekt. Ätzend!
Knackpunkt #6: Verzicht und vorzeitiges „Rabenmutter“dasein
Und als Letztes: der Verzicht nervt. Ich empfinde meine Schwangerschaft nicht als fürchterlich (mir gehts zu gut, um das zu sagen), aber auch nicht als ach-wie-schön. Es ist spannend, aber ich laufe nicht verklärt lächelnd durch die Gegend. Ich hab Lust auf diesen dritten Menschen, der aus einer Partnerschaft eine Familie und eine andere Art der Gemeinschaft macht. Ich hab Lust auf dieses neue Leben. Aber Schwangersein, Wochenbett und Rückbildung… naja. Ich würde gerne jetzt sofort Alkohol trinken. Das macht mich immer (!) schnell kreativ und ich sitze viel lieber mit einem Glas Wein (oder zwei) an einem Text als mit Tee.
Mit fehlt es sehr, exzessiv Sport zu treiben, so dass die Muskeln schmerzen und ich danach auf der Stelle umfallen möchte. Jaja, schwimmen gehen ist toll und sooo gesund, Schwangerschaftsyoga auch, aber ehrlich? Es ist ein Kackersatz. Ich hasse Schwimmbäder. Ich habe keinen Bock drauf. Und permanent habe ich das Gefühl, etwas falsch zu machen. Ich bin quasi schon jetzt eine „Rabenmutter“, die nicht alles Erdenkliche für ihr (noch ungeborenes) Baby tut. Kein Schwimmen, das Bett wird selbst gebaut, die Klamotten kommen aus dem 2nd-Hand-Laden, ebenso ein Tragetuch und eine Trage. Nein, ich war bei keiner Trageberatung. Ich habe einfach keinen Bock auf den Tüddelkram. Und ich frage mich, warum ich 150€ für eine Trage ausgeben soll, wenn ich sie gebraucht für 35€ bekomme. Das Kind wird in der Spüle gebadet und außerdem haben wir einen wasserdichten Wäschekorb, der genauso groß ist, wie eine Babybadewanne – das muss reichen. Und ich bin mir sicher: das wird es! Vielleicht ein Grund, warum wir es uns leisten können, nach der Geburt beide frei zu machen…
Jo, bei der Textlänge würde ich mit unseren frauenseiten-Praktikantinnen schimpfen und ihnen sagen, sie müssen kürzen, aber was soll’s, ist ja mein eigener Blog ?
Mehr von inouie gibt es unter inouie.de
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