Im zweiten Teil der Reihe “Ein Jahr Bremische Bürgerschaft” stellen wir euch heute Bithja Menzel von Bündnis 90/Die Grünen vor. Sie ist Sprecherin für Bau und Stadtentwicklung, Ernährung, Landwirtschaft, Beiräte und Bürgerbeteiligung bei den Grünen. Gebürtig kommt sie aus Schleswig-Holstein und schloss ihr Masterstudium in “Komplexes Entscheiden” an der Universität Bremen ab. Seit 2023 ist sie Mitglied in der Bremischen Bürgerschaft.
Für das Gespräch hat uns Bithja Menzel in der Redaktion besucht.
frauenseiten: Wie würdest du dein erstes Jahr als Abgeordnete in der Bremer Bürgerschaft zusammenfassen? Gab es unerwartete Herausforderungen oder überraschende Erfahrungen?
Bithja Menzel: Es war auf jeden Fall herausfordernd. Ich hatte definitiv verschiedene Phasen der Erkenntnis darüber, wie viel Arbeit es wirklich ist und wie viel Termine diese Abgeordnetentätigkeit mit sich bringt. In den Hochphasen habe ich gemerkt, ich komme rein, ich kann mit Leuten und verschiedenen politischen Parteien und Initiativen interagieren. Es ist sehr abwechselnd zwischen „es läuft richtig gut“ und „was mache ich hier eigentlich?“.
frauenseiten: Gab es in diesem ersten Jahr Erfolgserlebnisse, bei denen du gemerkt hast, dass deine Arbeit in der Bürgerschaft oder auch dein politisches Engagement was bewirkt?
Bithja Menzel: Für mich waren die ersten Monate auf jeden Fall Erfolgserlebnisse, wenn ich das Gefühl hatte, ich komme zu bestimmten Organisationen und Initiativen, die ein Anliegen haben an die Politik, und kann mit denen auf Augenhöhe über Probleme, Herausforderungen und gute Dinge sprechen. Solche Erfahrungen habe ich ganz viele gemacht, weil Leute mir mit einer großen Offenheit begegnet sind.
Ein konkreter Erfolg für mich war, dass ich Anfang des Jahres ein Positionspapier zum Thema „Zukunftsfähiges Bauen” geschrieben habe und dabei viel auf Feedback aus der Fachwelt von Bau und Stadtentwicklung und Architekt*innen gesetzt habe. Das Papier hat zu neuen Diskussionen bei uns Grünen intern, aber auch nach außen angeregt. Daraus folgen parlamentarische Initiativen und das freut mich.
frauenseiten: Du bist eine der jüngeren Abgeordneten im Parlament. Gab es für dich Momente, in denen du dich nicht ernst genommen gefühlt hast, aufgrund deines Alters, deiner Unerfahrenheit oder auch wegen deines Geschlechts? Wie waren deine Erfahrungen?
Bithja Menzel: Ich habe keine richtig negativen Erfahrungen gemacht, zum Glück. Gerade in dem Bereich Bau und Stadtentwicklung ist es so, dass ich oft in reinen Männerrunden sitze, zum Beispiel mit Bauherren. Das muss man gar nicht oft gendern, weil es oft Männer sind. Das ist schon auffällig gewesen, aber es war nie so, dass ich mich komplett unwohl gefühlt habe. Bei den meisten habe ich eine große Offenheit wahrgenommen, aber manchmal auch eine kleine Verwirrung darüber, dass ich da sitze. Daran habe ich mich gewöhnt und ich habe das Gefühl, dass es ganz erfrischend ist, mit anderen Perspektiven und einer anderen Art in solche Termine zu gehen.
frauenseiten: Welche Schritte können unternommen werden, um jüngere Stimmen stärker in politische Prozesse einzubinden? Warum sollten junge Menschen Lust haben, sich einzubinden?
Bithja Menzel: Es ist total wichtig, auf eine Ausgewogenheit zu achten. Ich würde nicht sagen, weil junge Menschen mehr Lebenszeit vor sich haben, dürfen sie jetzt alles entscheiden. Ich bin mit meiner Kollegin Franziska Tell ziemlich weit vorne auf der Liste der Grünen gewesen, weil wir gesagt haben, dass junge Menschen bei uns die Chance bekommen sollen, ins Parlament einzuziehen. Trotzdem muss man schauen, dass es ein gutes Gleichgewicht gibt.
Ich finde es wichtig, dass alle Altersgruppen repräsentiert sind. Gerade jüngere Menschen haben es beim Einstieg aber ziemlich schwer, weil sie noch am Anfang von allem stehen. – Bithja Menzel
frauenseiten: Damit würden wir übergehen zu der feministischen Perspektive in diesem Interview. Gibt es für dich konkrete Maßnahmen, die du ergreifen möchtest, um Interessen und Anliegen von FLINTA*-Personen und anderen unterrepräsentierten Gruppen in der Bürgerschaft zu vertreten?
Bithja Menzel: Ich finde das Thema Netzwerken und Solidarität im politischen Raum total wichtig. Das ist keine Neuigkeit, aber es ist anders, wenn man sich vornimmt, auf die Kolleginnen extra zuzugehen, nach ihren Perspektiven zu fragen und sich in Sitzungen gegenseitig zu stärken. Das ist ein Hebel, den wir alle noch mehr beachten können. Man muss sich regelmäßig daran erinnern, diese Perspektiven bewusst einzubringen und sich das zu trauen.
Ich finde es aber auch wichtig, dass in Sitzungen FLINTA*-Personen nicht immer als erste Wortmeldung auch die ihnen klassischerweise zugeordneten Themen ansprechen müssen – wir haben schließlich auch noch andere Interessen. Hier kann man auch im Hintergrund agieren, sich mit Frauen solidarisieren und fragen, wie können wir bestimmte Themen zusammen besser voranbringen und uns das dann aufteilen.
frauenseiten: Siehst du außerhalb der Bürgerschaft Möglichkeiten, um Geschlechtervielfalt und Gleichberechtigung in der politischen Arena zu fördern?
Bithja Menzel: Sich offen zu zeigen für FLINTA*-Personen und zu sagen „Hey, ich bin da, wenn was ist. Spricht mich bitte einfach an“. Dieses direkte Signalisieren „Wir können uns gegenseitig helfen“ finde ich wichtig. Wir versuchen das zudem mit Mentoring-Programmen umzusetzen, indem wir bestimmten Gruppen einen Anknüpfungspunkt an unsere Politik bieten. Ich finde es aber immer noch schwierig.
Ich bin ein großer Fan von klarer Redezeit und Begrenzungen bei Wortbeiträgen. Es ist mir wirklich wichtig, dass wir in politischen Räumen eine klare Struktur brauchen, mit der alle Menschen im Raum was anfangen können und in denen gewisse Spielregeln wie Redezeit oder auch Quotierung bekannt sind. So eine Struktur hilft gerade Frauen oft weiter.
Es geht nicht nur darum, [Frauen in Ämter] reinzubringen, sondern auch [an ihnen] festzuhalten. – Bithja Menzel
frauenseiten: Die Grünen haben auf Bundesebene und hier in der Bremer Bürgerschaft einen Frauenanteil von ungefähr 60 Prozent. Wie siehst du die Rolle der Grünen bei der Förderung von Geschlechtergerechtigkeit und -vielfalt innerhalb der Politik allgemein, aber vor allem in der Bremer Politik?
Bithja Menzel: Super wichtig. Wir sind zum Glück nicht die Einzigen, die Wert darauf legen, aber in vielem schon selbstverständlicher, gerade was Quotierungen von Redelisten und Kandidierenden-Listen angeht.
Ich finde es gut, zu betonen, dass wir eine Vorbildfunktion haben und dass manche Prozesse bei uns dadurch etwas aufgehalten werden, auch wenn es anstrengend für alle Beteiligten ist. Wenn beispielsweise im Kreisvorstand keine vierte Frau für die richtige Quotierung gefunden wird, wird das aufgeschoben, bis sie da ist. Ich finde es wichtig, dass wir das durchziehen. Bei uns sollte es kein Ausweichen geben.
Gleichzeitig muss man sagen, dass es schwierig ist, Frauen für bestimmte Posten zu gewinnen. Es ist eine Herausforderung, Frauen Lust zu machen, Politik langfristig zu machen. Wenn sie in den Ämtern sind, brauchen sie dafür andere Unterstützung.
Das Interview führte Lena B.
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